One-Eye, ein Krieger mit übernatürlichen Kräften, kann nach langen Jahren der Gefangenschaft durch die Hilfe des Jungen Are seine Peiniger töten und fliehen. Auf ihrer Flucht werden sie von einem Wikinger-Schiff mitgenommen, doch das Schiff wird von einem dichten Nebel umschlossen. Nach langen Wochen auf See erreicht das Schiff ein unbekanntes Land. Doch als diese Neue Welt ihre Geheimnisse lüftet, müssen die Wikinger sich ihrem schrecklichen und blutigen Schicksal stellen.
Bonusmaterial
Exklusive Interviews mit Regisseur NICOLAS WINDING REFN und Hauptdarsteller MADS MIKKELSEN Audiokommentar des RegisseursFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2012Prügeln kann man nicht alleine
"Walhalla Rising" von Nicolas Winding Refn entführt in die schöne Zeit, als Männer noch Viehzeug waren
"Am Anfang war nur der Mensch und die Natur" kündet ein Schriftzug zu Beginn, und wer jetzt das verlorene Paradies erwartet, sieht sich schnell enttäuscht. Die Welt ist Grau, Schwarz, ein wenig Grün, sie besteht vor allem aus Schlamm und Matsch. Eine Berglandschaft, in der es sich schwer leben lässt. Alles ist dreckig, primitiv, kalt. Das Wetter ist schlecht. Ein Hauch von "Highlander". Hier begegnen wir einer schweigenden Männergesellschaft, die Fell und Tattoos trägt und sich an Kämpfen von Gladiatoren-Sklaven ergötzt, Wetten auf den Ausgang abschließt. Catchen auf Leben und Tod, fast wortlos, und enorm brutal. Die Tonspur konzentriert sich ganz auf das Pfeifen des Windes und auf das Schlagen und Krachen der Knochen, wenn sie aufeinandertreffen. Und der Film ist spürbar mit dieser Männerwelt einverstanden. Er beobachtet sie von außen, durch die Augen eines kleinen Jungen, aber mit Faszination und Sympathie. Es sind Verhältnisse, die wir, ereigneten sie sich heutzutage, verabscheuen würden: Blut und Boden, Kraft und Mythen. Angesiedelt in historischen Frühzeiten, blickt der Film aber, und wir mit ihm, freundlich, neugierig und voll undefinierter Ehrfurcht auf diese Zeit, als Männer noch Männer waren.
Diese frühzeitlichen Wrestler verbringen ihren Tag angekettet in Holzkäfigen. Der Beste, Erfolgreichste, also Gefährlichste von ihnen wird von Mads Mikkelsen gespielt. Der kleine Junge versorgt ihn. Sein eines Auge ist tot und zugewachsen, so wie das von Kirk Douglas, der seinerzeit in Richard Fleischers "The Vikings" die Hauptrolle spielte. Eines Tages, man hat es geahnt, bricht er dann aus, nur drei Schläge mit der Axt sind nötig, und die Hilfe des Jungen. Zuvor hatte man noch die Prophezeiung seines Herrn gehört, der ihn wie ein Tier gehalten hat: "Die, die durch Hass getrieben sind, werden überleben."
Dieses erste Kapitel von insgesamt sechs, in die der Film unterteilt ist, heißt "Zorn". Im zweiten, "Stummer Krieger", treffen der Einäugige und der Junge, als sie schweigend durchs Hochland wandern, auf eine andere Gruppe. Von den "weißen Christen des Nordens" war zuvor schon die Rede gewesen, sie sprechen Englisch, und so hat man verstanden, dass der Film im Norden der britischen Insel spielt. Es ist großartig, wie der Däne Nicolas Winding Refn ("Pusher"), der im letzten Mai in Cannes den Regiepreis gewann - mit "Drive", der bald auch in Deutschland zu sehen sein wird -, hier eine Atmosphäre absoluter Ungewissheit aufbaut, gewissermaßen einen mythischen Raum, den er ganz sachte mit spärlichen Informationen füllt.
Die Christen reden von Leid, Schmerz und vom "neuen Jerusalem", das sie erobern wollen. Ihr König sagt: "Wir sind mehr als Fleisch und Blut", und das hört sich an diesem Ort ganz anders an als beim Abendmahl in der Kirche. Der Einäugige schweigt noch immer. Bis zum Ende dieses Films wird Mads Mikkelsen nicht ein Wort gesagt haben - und nicht nur deshalb ist dies eine hervorragende Leistung des dänischen Weltstars. Der blonde Junge spricht für "One Eye", wie sie ihn jetzt nennen. Er ist seine Stimme, aber auch seine ausgelagerte soziale Seite. Die Nabelschnur, die diesen grimmigen Einzelgänger noch mit seinen Mitmenschen verbindet.
Im Folgenden segelt eine Gruppe von kaum einem Dutzend Kriegern in eine nicht näher definierte Richtung, in der sie ihr Jerusalem erhoffen. Die Überfahrt ist lang und schwer. Am Ende ist das Heilige Land erreicht, eine irreale, phantastische Welt. Mehr und mehr verliert sich die Reise im Nichts, in Halluzinationen der Eindringlinge, deren diffuser Missionseifer hier nur als Verrücktheit erscheinen kann. Es gibt Tote, zum Wahnsinn der Religion kommt noch Anderes, Konkretes hinzu: Mord, Totschlag, Vergewaltigung, untereinander, aber auch durch die Eingeborenen, die sich nach einer Weile als amerikanische Indianer entpuppen. "Hölle" und "Opfer" heißen die letzten zwei Kapitel, die die Auflösung der Verhältnisse, das Weltende vollenden.
Ein kulturhistorisches Dokument, das ein ausführliches Interview mit Regisseur und Hauptdarsteller noch vertieft, und ein ungewöhnlicher, sehr konsequenter Film, in dem jederzeit alles passieren kann. Die zwischenzeitliche Frage, ob hier sich womöglich auch eine diffuse Sehnsucht nach Einfachheit oder Anfang artikuliert, stellt sich am Ende nicht mehr.
Auf seine Weise dekonstruiert der Regisseur jede Idee von Heroismus und treibt dieses Unterfangen sehr weit, bis ins psychedelische - "Apocalypse Now" bei den Wikingern. In jedem Fall ist Refn mit "Walhalla Rising" ein besonderer Film gelungen, den man nicht so schnell vergisst.
RÜDIGER SUCHSLAND
Nicolas Winding Refn:
"Walhalla Rising".
Sunfilm, 90 Min. Deutsch, Englisch, Extras: Audiokommentar, Interviews
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Walhalla Rising" von Nicolas Winding Refn entführt in die schöne Zeit, als Männer noch Viehzeug waren
"Am Anfang war nur der Mensch und die Natur" kündet ein Schriftzug zu Beginn, und wer jetzt das verlorene Paradies erwartet, sieht sich schnell enttäuscht. Die Welt ist Grau, Schwarz, ein wenig Grün, sie besteht vor allem aus Schlamm und Matsch. Eine Berglandschaft, in der es sich schwer leben lässt. Alles ist dreckig, primitiv, kalt. Das Wetter ist schlecht. Ein Hauch von "Highlander". Hier begegnen wir einer schweigenden Männergesellschaft, die Fell und Tattoos trägt und sich an Kämpfen von Gladiatoren-Sklaven ergötzt, Wetten auf den Ausgang abschließt. Catchen auf Leben und Tod, fast wortlos, und enorm brutal. Die Tonspur konzentriert sich ganz auf das Pfeifen des Windes und auf das Schlagen und Krachen der Knochen, wenn sie aufeinandertreffen. Und der Film ist spürbar mit dieser Männerwelt einverstanden. Er beobachtet sie von außen, durch die Augen eines kleinen Jungen, aber mit Faszination und Sympathie. Es sind Verhältnisse, die wir, ereigneten sie sich heutzutage, verabscheuen würden: Blut und Boden, Kraft und Mythen. Angesiedelt in historischen Frühzeiten, blickt der Film aber, und wir mit ihm, freundlich, neugierig und voll undefinierter Ehrfurcht auf diese Zeit, als Männer noch Männer waren.
Diese frühzeitlichen Wrestler verbringen ihren Tag angekettet in Holzkäfigen. Der Beste, Erfolgreichste, also Gefährlichste von ihnen wird von Mads Mikkelsen gespielt. Der kleine Junge versorgt ihn. Sein eines Auge ist tot und zugewachsen, so wie das von Kirk Douglas, der seinerzeit in Richard Fleischers "The Vikings" die Hauptrolle spielte. Eines Tages, man hat es geahnt, bricht er dann aus, nur drei Schläge mit der Axt sind nötig, und die Hilfe des Jungen. Zuvor hatte man noch die Prophezeiung seines Herrn gehört, der ihn wie ein Tier gehalten hat: "Die, die durch Hass getrieben sind, werden überleben."
Dieses erste Kapitel von insgesamt sechs, in die der Film unterteilt ist, heißt "Zorn". Im zweiten, "Stummer Krieger", treffen der Einäugige und der Junge, als sie schweigend durchs Hochland wandern, auf eine andere Gruppe. Von den "weißen Christen des Nordens" war zuvor schon die Rede gewesen, sie sprechen Englisch, und so hat man verstanden, dass der Film im Norden der britischen Insel spielt. Es ist großartig, wie der Däne Nicolas Winding Refn ("Pusher"), der im letzten Mai in Cannes den Regiepreis gewann - mit "Drive", der bald auch in Deutschland zu sehen sein wird -, hier eine Atmosphäre absoluter Ungewissheit aufbaut, gewissermaßen einen mythischen Raum, den er ganz sachte mit spärlichen Informationen füllt.
Die Christen reden von Leid, Schmerz und vom "neuen Jerusalem", das sie erobern wollen. Ihr König sagt: "Wir sind mehr als Fleisch und Blut", und das hört sich an diesem Ort ganz anders an als beim Abendmahl in der Kirche. Der Einäugige schweigt noch immer. Bis zum Ende dieses Films wird Mads Mikkelsen nicht ein Wort gesagt haben - und nicht nur deshalb ist dies eine hervorragende Leistung des dänischen Weltstars. Der blonde Junge spricht für "One Eye", wie sie ihn jetzt nennen. Er ist seine Stimme, aber auch seine ausgelagerte soziale Seite. Die Nabelschnur, die diesen grimmigen Einzelgänger noch mit seinen Mitmenschen verbindet.
Im Folgenden segelt eine Gruppe von kaum einem Dutzend Kriegern in eine nicht näher definierte Richtung, in der sie ihr Jerusalem erhoffen. Die Überfahrt ist lang und schwer. Am Ende ist das Heilige Land erreicht, eine irreale, phantastische Welt. Mehr und mehr verliert sich die Reise im Nichts, in Halluzinationen der Eindringlinge, deren diffuser Missionseifer hier nur als Verrücktheit erscheinen kann. Es gibt Tote, zum Wahnsinn der Religion kommt noch Anderes, Konkretes hinzu: Mord, Totschlag, Vergewaltigung, untereinander, aber auch durch die Eingeborenen, die sich nach einer Weile als amerikanische Indianer entpuppen. "Hölle" und "Opfer" heißen die letzten zwei Kapitel, die die Auflösung der Verhältnisse, das Weltende vollenden.
Ein kulturhistorisches Dokument, das ein ausführliches Interview mit Regisseur und Hauptdarsteller noch vertieft, und ein ungewöhnlicher, sehr konsequenter Film, in dem jederzeit alles passieren kann. Die zwischenzeitliche Frage, ob hier sich womöglich auch eine diffuse Sehnsucht nach Einfachheit oder Anfang artikuliert, stellt sich am Ende nicht mehr.
Auf seine Weise dekonstruiert der Regisseur jede Idee von Heroismus und treibt dieses Unterfangen sehr weit, bis ins psychedelische - "Apocalypse Now" bei den Wikingern. In jedem Fall ist Refn mit "Walhalla Rising" ein besonderer Film gelungen, den man nicht so schnell vergisst.
RÜDIGER SUCHSLAND
Nicolas Winding Refn:
"Walhalla Rising".
Sunfilm, 90 Min. Deutsch, Englisch, Extras: Audiokommentar, Interviews
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main