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13 Jahre sind vergangen, seit Tim, Flo, Maik, Hotte, Nele und Terror in kreativer Anarchie in der Hausbesetzerszene von Berlin aktiv waren und dem Establishment den gestreckten Mittelfinger entgegenreckten. Inzwischen sind fast alle ihren Idealen von damals untreu, einige sogar selbst Teil des einst verhassten Establishments geworden. Doch als ein längst vergessener Sprengsatz, den sie einst in einer verlassenen Villa im Grunewald deponiert hatten, unerwartet explodiert, müssen sich die Sechs notgedrungen wieder mit ihrer verdrängten Vergangenheit und verlorenen Werten…mehr

Produktbeschreibung
13 Jahre sind vergangen, seit Tim, Flo, Maik, Hotte, Nele und Terror in kreativer Anarchie in der Hausbesetzerszene von Berlin aktiv waren und dem Establishment den gestreckten Mittelfinger entgegenreckten. Inzwischen sind fast alle ihren Idealen von damals untreu, einige sogar selbst Teil des einst verhassten Establishments geworden. Doch als ein längst vergessener Sprengsatz, den sie einst in einer verlassenen Villa im Grunewald deponiert hatten, unerwartet explodiert, müssen sich die Sechs notgedrungen wieder mit ihrer verdrängten Vergangenheit und verlorenen Werten auseinandersetzen...

Bonusmaterial

DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Musikvideo(s) - Interviews - Filmografien von Schauspielern und Regisseur - Audiokommentar vom Regisseur und Produzenten - Entfallene Szenen & Outtakes mit Kommentar - Premiere - Best of Kommentar - Artwork
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2002

Tanz der Autonomen
Gregor Schnitzlers Filmkomödie "Was tun, wenn's brennt" trauert dem wilden Kreuzberg nach

Auf einem der letzten besetzten Häusern im Berliner Bezirk Kreuzberg prangt weithin lesbar eine Inschrift: "Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten." Es ist eine Parole seligen Andenkens, denn inzwischen haben selbst die Veteranen des linken Flügels in Deutschland begriffen, daß Grenzen für EU-Bürger in erster Linie eine symbolische Angelegenheit sind: "Charlottenburg betrete ich nicht", sagt der Hausbesetzer Tim in Gregor Schnitzlers Film "Was tun, wenn's brennt". Charlottenburg ist oben, Kreuzberg ist unten, und der berühmte Postbezirk 36, an dessen Straßen besonders viele der in den Tagen der alten Bundesrepublik besetzten Häuser stehen, ist ganz unten. Hier nimmt die Geschichte in den achtziger Jahren ihren Ausgang.

Sechs Freunde von der "Gruppe 36" drehen gemeinsam einen Film, in dem eingehend die Herstellung einer Brandbombe beschrieben wird. Der Film sieht eigentlich aus wie ein Videoclip, aber "Was tun, wenn's brennt?" ist der Lebenswirklichkeit seiner Protagonisten immer so weit voraus, wie er auch mit allen Mitteln aus den Niederungen der deutschen Filmkomödie abheben will. Der Lehrfilm kommt bald zum Gerümpel der Hausbesetzer. Der Sprengsatz aber wird in eine Villa im Berliner Nobelbezirk Grunewald geschafft und dort vergessen. Es braucht eine Immobilienmaklerin in der Gegenwart der Berliner Republik, die mit der Tür und einem Bonner Klienten ins Haus fällt, um die Bombe zu zünden. Es gibt zwei Leichtverletzte und einen Generalverdacht gegen die linke Szene. Die Ermittlungen übernimmt ein Veteran, der sich die Ermächtigungsbescheide am liebsten selbst schreibt: der Polizist Manowsky (Klaus Löwitsch).

Das Drehbuch zu "Was tun, wenn's brennt?" von Stefan Dähnert und Anne Wild besteht eigentlich aus zwei Geschichten: Die sentimentale Handlung vermittelt zwischen den achtziger Jahren, als die Hausbesetzer aus der Machnowstraße noch einträchtig gegen den Bullenstaat mit Torten warfen, und der Gegenwart, in der nur Tim (Til Schweiger) und Hotte (Martin Feifel) noch nicht angekommen sind. Sie halten in Kreuzberg die Stellung. Ihre früheren Freunde aber haben den Nestbauinstinkten nachgegeben (Nadja Uhl als Nele), den Neuen Markt erobert (Sebastian Blomberg als Maik), die Gerichtsbarkeit verstärkt (Matthias Matschke als Terror) oder sich einfach in die Neue Mitte geflüchtet (Doris Schretzmayer als Flo). Der leicht absurde Strang der Geschichte macht aus Berlin einen Polizeistaat, dessen Zentrale in Tempelhof einer Festung gleicht. Da der ominöse Lehrfilm bei einer Hausdurchsuchung in die Hände der Polizei gerät und die "Gruppe 36" dadurch unter Tatverdacht, finden sich die sechs Versprengten notgedrungen in eine Schicksalsgemeinschaft, die auf ein altes Motto zurückgreifen kann: "Alle Macht der Phantasie!"

Unversehens mutieren die ehemaligen Spontis zu Gentleman-Verbrechern, die nicht nur den großen Coup gegen die Polizei landen, sondern gleich auch wieder einmal das System lächerlich machen. Damit rennen sie aber offene Türen ein. "Was tun, wenn's brennt" ist nämlich ein Produkt der Post-Histoire (und als solches besonders verspätet). Gregor Schnitzler erzählt von Menschen, denen es um alles ging, auf eine Weise, in der es um nichts geht. Die Schlachten sind geschlagen, das ist nicht so sehr das Lebensgefühl der Charaktere als das des Films, der sein Verhältnis zu den achtziger Jahren besonders deutlich in der Verwendung der Musik preisgibt. Die skeptische Hymne der "Fehlfarben" über den Lauf der Dinge - "Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran" - bringt Schnitzler in einer völlig affirmativen ("fetten") Version, die beim gemütlichen Bombenbasteln dann in eine Schaumschlägerei übergeht, zu der "Radiohead" ihre Ballade "No Surprises" singen. In diesem Moment träumt Schnitzler ganz unverhohlen vom Musikvideo: Die Punks und die Yuppies tanzen in Zeitlupe die Aufhebung aller Widersprüche. Danach gehen sie duschen.

Für alle genuin historischen Erfahrungen aber, solche des Triumphs oder der Trauer oder einfach des Gefühls, etwas verpaßt zu haben, ist in Schnitzlers Komödie kein Platz. Kaum ist einmal ein wahres Wort gesprochen, hebt schon wieder Musik an. Der Clip ist die Einheit in "Was tun, wenn's brennt", nicht die Einstellung. Weil aber jeder Clip immer schon alles enthalten muß, sieht das Leben der Hausbesetzer grotesk überdimensioniert aus. Sie sind hochgerüstet wie ein Filmteam, verfügen jederzeit über alle Ressourcen einer deutschen Großproduktion, und sie haben die Ideen von zehn Script-Doktoren. Aus Autonomen werden immer Kreative: Dieses Naturgesetz vertritt "Was tun, wenn's brennt" mit Leidenschaft, deswegen muß der Werber Maik auch den Brandbombenfilm loben: "Diese Filme sind das Beste, was wir jemals gemacht haben."

Das deutsche Kino trägt derzeit mannigfache Angriffe der Gegenwart auf die übrige Zeit vor. Die siebziger und achtziger Jahre werden als "gefährliche" Zeit verklärt, die fünfziger Jahre mit ihrer Aufbaumoral aber bilden das Kategoriensystem. Gregor Schnitzlers Film verhält sich zu "Ideal" wie "Pur" und zu Punk wie Stadionrock. Das große Publikum müßte ihm damit sicher sein, im Spiel der Distinktionen aber sieht er so hoffnunglos alt aus wie Til Schweiger in der Rolle eines Hausbesetzers. "Was tun, wenn's brennt" ist das Beste, was das deutsche Unterhaltungskino im Moment zu bieten hat. Der Film ist hochprofessionell. Aber er brennt nicht.

BERT REBHANDL

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