Im malerischen Städtchen Krems lebt Paul, ehemaliger Konzertpianist, mit seinem Adoptivsohn Rico. Seit dem tragischen Unfalltod seiner Frau Anna wohnt er mit seinem Sohn allein. Als Paul sich in die schöne Luisa verliebt, beginnt er wieder mit dem Klavierspielen, was er nach dem Tod seiner Frau aufgegeben hatte. Was Paul nicht weiß: Luisa ist Ricos leibliche Mutter und hat sich bereits mit dem kleinen Jungen angefreundet, ohne jedoch zu wissen, dass Paul Ricos Adoptivvater ist. Als Paul davon erfährt, fühlt er sich von Luisa hintergangen und stellt sie zur Rede. Die Situation spitzt sich zu und Luisa reist nach Italien zurück. Doch Paul merkt schnell, dass er seinem Adoptivsohn die Chance geben will, seine leibliche Mutter kennen zu lernen. Gemeinsam fährt er mit Rico nach Italien, um Luisa wiederzusehen. Dort kommt es zu einem heftigen Streit und die beiden bemerken nicht, dass Rico sie belauscht. Als er erfährt, dass Paul nicht sein Vater ist, bricht für den kleinen Jungen eine Welt zusammen...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2002Es ist Elternpflicht, diesem Appell Folge zu leisten
Draußen bei der Schaukel sitzt ein Kind und rührt in der Milch der frommen Denkungsart herum: Dani Levys Film "Väter"
Der deutsche Film hat einen Hang zum Kategorischen. Nach "Männer", "Singles", "Harte Jungs" und "Mädchen, Mädchen" sind wir mit "Väter" wieder einen Schritt weiter auf dem Weg zur vollständigen Beschreibung der postindustriellen Gesellschaft. Auch "Die wahre Geschichte von Männern und Frauen" hat es ja schon gegeben. Nun muß für Mütter, Großmütter, Großväter und Kleinkinder nur noch ein Regisseur gefunden werden.
Dem deutschen Hang zum kinematografisch Allgemeinen entspricht ein problematisches Verhältnis zum Einzelfall. Als vor zwanzig Jahren die Mutter eines ermordeten Mädchens den geständigen Täter im Gerichtssaal erschoß, entstanden gleich zwei Filme zum Thema ("Annas Mutter", "Der Fall Bachmeier - Keine Zeit für Tränen"), ohne daß es einem von ihnen gelungen wäre, die Dramatik des Geschehenen auf die Leinwand zu übertragen. Und was ist mit den versprochenen Kinostories zur deutschen Wiedervereinigung? Auch hier kein Einzelschicksal, sondern die Biografie eines Ortes: "Sonnenallee". Wo andere Filmnationen sich mühen, der Geschichte ein Gesicht zu geben, hält sich das deutsche Kino wacker ans weltläufig Ungefähre.
"Väter" war einmal ein Zeitungsartikel. Der Artikel erzählte, unter dem Titel "Der entsorgte Vater", von den Erfahrungen des "Spiegel"-Redakteurs Matthias Matussek beim Kampf um das Sorgerecht für seinen Sohn - natürlich angereichert mit Zahlen, Statistiken, Aussagen von Experten. "Der entsorgte Vater" war ein böser, einseitiger und ungerechter Text, ein Kriegsbericht aus den Schützengräben des deutschen Scheidungsrechts, und entsprechend böse und entlarvend fielen die Reaktionen seiner Leser aus. Dann erwarb der Filmproduzent Günter Rohrbach die Rechte an Matusseks Reportage. Vier Jahre lang wurde der Stoff, wie es scheint, umgewälzt und geglättet, gestrafft, entzerrt und angespitzt, bis auch die letzte Skriptfassung von der Filmförderung abgelehnt worden war. Da entschloß sich Dani Levy, der Regisseur, den Film auf Digitalvideo zu drehen.
"Väter", soviel kann man gleich verraten, ist ein gutaussehender Film. Die Nachbearbeitung im Computer hat den von Carsten Thieles Kamera aufgenommenen Szenen Farbwerte eingeprägt, von denen gewöhnliche Filmbilder nur träumen können. Auch das hysterische Gewackel, mit dem die Brachialästheten der "Dogma"-Schule Lebensechtheit simulieren, fehlt in "Väter" fast ganz. Der Film glänzt in wüstenhaftem Ocker und metropolitanem Nachtblau, in Goldorange und Türkisgrün selbst da, wo das, was er erzählt, eher blaß bleibt. So schafft die Hülle ein Gefühl der Fülle.
"Väter" hat, zweitens, zwei gutaussehende Hauptdarsteller. Sebastian Blomberg ist Marco, ein aufstrebender Architekt; Maria Schrader ist Melanie, eine junge Lehrerin. Marco und Melanie haben einen sechsjährigen Sohn, Benny, den beide abgöttisch lieben, und man kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, was diese drei jemals auseinander bringen könnte. Auch der Film kann es nicht, weshalb er Melanie, Marco und Benny am Anfang durch eine Folge überhitzter Alltagssituationen hetzt, in denen der Mann abwechselnd seine Frau und sein Kind vernachlässigt, überfordert und demütigt. Unter Aufbietung aller Kräfte des Mißverstehens und Übelwollens erreichen Marco und Melanie endlich jene Phase ihres Ehedramas, von der "Väter" eigentlich handeln will: die Schlacht ums Kind.
Sie wird, wie überall in den Ländern der westlichen Welt, mit Hilfe von Anwälten geführt. Aber sie wird auch mit Bildern geführt, und da läßt der Film schon im Titel keinen Zweifel, auf welcher Seite er steht. "Väter" ist die Geschichte des Mannes, nicht die der Frau. Oder besser: Es wäre die Geschichte des Mannes Marco, wenn Dani Levy sich entschließen könnte, seinen Helden mit dem gleichen Feuereifer zu studieren, mit dem er, beispielsweise, den Szenenbildner seines Films eine nagelneue Telefonzelle mitten in den Braunkohletagebau der Lausitz stellen ließ. Von hier aus rufen Blomberg und sein Filmsohn Ezra Valentin Lenz die zornbebende Mutter in Berlin an. Anschließend sieht man sie Kanu fahren, schwimmen und am Lagerfeuer sitzen. Dazu erklingt ein Song, den man gern bei anderer Gelegenheit wiederhören würde. So vergeht die Zeit dieses Films.
Während "Väter" auf der Leinwand vorbeizieht, wird man das Gefühl nicht los, daß hier ein Regisseur versucht, ein ziemlich uncooles Thema möglichst cool aussehen zu lassen. Genaugenommen war das schon immer der Haken an Dani Levys Filmen, ganz gleich, ob sie wie "RobbyKallePaul" (1989) vom Wirrwarr der Studentenzeit oder wie später "Stille Nacht" (1995) von der Entscheidung zwischen Liebe und Sex erzählten. Levy schont seine Figuren so sehr, daß er ihnen schon wieder wehtut. So hat es, neben der schieren Unplausibilität, etwas geradezu Verletzendes, wenn man sieht, wie rasch sich Marco und Melanie in "Väter" wieder versöhnen - ein Appell Bennys führt die beiden zum Gespräch zusammen, und kurz darauf schon schaukeln sie, Gipfel des Zweisamkeitsklischees, auf einem nächtlichen Kinderspielplatz einträchtig nebeneinander her. Als vor vier Jahren Levys "Meschugge" ins Kino kam, ein Thriller, in dem sich deutsche Vergangenheit und deutsch-amerikanische Gegenwart auf interessante Weise mischten, schien der Regisseur solche Flottheiten endlich hinter sich zu haben. Jetzt ist er wieder dort angekommen, wo der deutsche Film ohnehin schon steht, am Kreuzungspunkt aller goldenen Mittelwege, die im Kino garantiert ins Verderben führen.
Was aus "Väter" hätte werden können, sieht man man in einer Szene, in der Melanie ihren Mann, den sie gerade verlassen hat, beim Kochen mit seiner Kollegin Ilona (Christiane Paul) überrascht. Für einen Moment liegt alles in der Luft, was Männer und Frauen einander antun können - Betrug, Eifersucht, Hinterhältigkeit, Gewalt. Dann ergreift die Kollegin die Flucht. Als wäre sie im falschen Film. Aber wir sind es ja auch.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Draußen bei der Schaukel sitzt ein Kind und rührt in der Milch der frommen Denkungsart herum: Dani Levys Film "Väter"
Der deutsche Film hat einen Hang zum Kategorischen. Nach "Männer", "Singles", "Harte Jungs" und "Mädchen, Mädchen" sind wir mit "Väter" wieder einen Schritt weiter auf dem Weg zur vollständigen Beschreibung der postindustriellen Gesellschaft. Auch "Die wahre Geschichte von Männern und Frauen" hat es ja schon gegeben. Nun muß für Mütter, Großmütter, Großväter und Kleinkinder nur noch ein Regisseur gefunden werden.
Dem deutschen Hang zum kinematografisch Allgemeinen entspricht ein problematisches Verhältnis zum Einzelfall. Als vor zwanzig Jahren die Mutter eines ermordeten Mädchens den geständigen Täter im Gerichtssaal erschoß, entstanden gleich zwei Filme zum Thema ("Annas Mutter", "Der Fall Bachmeier - Keine Zeit für Tränen"), ohne daß es einem von ihnen gelungen wäre, die Dramatik des Geschehenen auf die Leinwand zu übertragen. Und was ist mit den versprochenen Kinostories zur deutschen Wiedervereinigung? Auch hier kein Einzelschicksal, sondern die Biografie eines Ortes: "Sonnenallee". Wo andere Filmnationen sich mühen, der Geschichte ein Gesicht zu geben, hält sich das deutsche Kino wacker ans weltläufig Ungefähre.
"Väter" war einmal ein Zeitungsartikel. Der Artikel erzählte, unter dem Titel "Der entsorgte Vater", von den Erfahrungen des "Spiegel"-Redakteurs Matthias Matussek beim Kampf um das Sorgerecht für seinen Sohn - natürlich angereichert mit Zahlen, Statistiken, Aussagen von Experten. "Der entsorgte Vater" war ein böser, einseitiger und ungerechter Text, ein Kriegsbericht aus den Schützengräben des deutschen Scheidungsrechts, und entsprechend böse und entlarvend fielen die Reaktionen seiner Leser aus. Dann erwarb der Filmproduzent Günter Rohrbach die Rechte an Matusseks Reportage. Vier Jahre lang wurde der Stoff, wie es scheint, umgewälzt und geglättet, gestrafft, entzerrt und angespitzt, bis auch die letzte Skriptfassung von der Filmförderung abgelehnt worden war. Da entschloß sich Dani Levy, der Regisseur, den Film auf Digitalvideo zu drehen.
"Väter", soviel kann man gleich verraten, ist ein gutaussehender Film. Die Nachbearbeitung im Computer hat den von Carsten Thieles Kamera aufgenommenen Szenen Farbwerte eingeprägt, von denen gewöhnliche Filmbilder nur träumen können. Auch das hysterische Gewackel, mit dem die Brachialästheten der "Dogma"-Schule Lebensechtheit simulieren, fehlt in "Väter" fast ganz. Der Film glänzt in wüstenhaftem Ocker und metropolitanem Nachtblau, in Goldorange und Türkisgrün selbst da, wo das, was er erzählt, eher blaß bleibt. So schafft die Hülle ein Gefühl der Fülle.
"Väter" hat, zweitens, zwei gutaussehende Hauptdarsteller. Sebastian Blomberg ist Marco, ein aufstrebender Architekt; Maria Schrader ist Melanie, eine junge Lehrerin. Marco und Melanie haben einen sechsjährigen Sohn, Benny, den beide abgöttisch lieben, und man kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, was diese drei jemals auseinander bringen könnte. Auch der Film kann es nicht, weshalb er Melanie, Marco und Benny am Anfang durch eine Folge überhitzter Alltagssituationen hetzt, in denen der Mann abwechselnd seine Frau und sein Kind vernachlässigt, überfordert und demütigt. Unter Aufbietung aller Kräfte des Mißverstehens und Übelwollens erreichen Marco und Melanie endlich jene Phase ihres Ehedramas, von der "Väter" eigentlich handeln will: die Schlacht ums Kind.
Sie wird, wie überall in den Ländern der westlichen Welt, mit Hilfe von Anwälten geführt. Aber sie wird auch mit Bildern geführt, und da läßt der Film schon im Titel keinen Zweifel, auf welcher Seite er steht. "Väter" ist die Geschichte des Mannes, nicht die der Frau. Oder besser: Es wäre die Geschichte des Mannes Marco, wenn Dani Levy sich entschließen könnte, seinen Helden mit dem gleichen Feuereifer zu studieren, mit dem er, beispielsweise, den Szenenbildner seines Films eine nagelneue Telefonzelle mitten in den Braunkohletagebau der Lausitz stellen ließ. Von hier aus rufen Blomberg und sein Filmsohn Ezra Valentin Lenz die zornbebende Mutter in Berlin an. Anschließend sieht man sie Kanu fahren, schwimmen und am Lagerfeuer sitzen. Dazu erklingt ein Song, den man gern bei anderer Gelegenheit wiederhören würde. So vergeht die Zeit dieses Films.
Während "Väter" auf der Leinwand vorbeizieht, wird man das Gefühl nicht los, daß hier ein Regisseur versucht, ein ziemlich uncooles Thema möglichst cool aussehen zu lassen. Genaugenommen war das schon immer der Haken an Dani Levys Filmen, ganz gleich, ob sie wie "RobbyKallePaul" (1989) vom Wirrwarr der Studentenzeit oder wie später "Stille Nacht" (1995) von der Entscheidung zwischen Liebe und Sex erzählten. Levy schont seine Figuren so sehr, daß er ihnen schon wieder wehtut. So hat es, neben der schieren Unplausibilität, etwas geradezu Verletzendes, wenn man sieht, wie rasch sich Marco und Melanie in "Väter" wieder versöhnen - ein Appell Bennys führt die beiden zum Gespräch zusammen, und kurz darauf schon schaukeln sie, Gipfel des Zweisamkeitsklischees, auf einem nächtlichen Kinderspielplatz einträchtig nebeneinander her. Als vor vier Jahren Levys "Meschugge" ins Kino kam, ein Thriller, in dem sich deutsche Vergangenheit und deutsch-amerikanische Gegenwart auf interessante Weise mischten, schien der Regisseur solche Flottheiten endlich hinter sich zu haben. Jetzt ist er wieder dort angekommen, wo der deutsche Film ohnehin schon steht, am Kreuzungspunkt aller goldenen Mittelwege, die im Kino garantiert ins Verderben führen.
Was aus "Väter" hätte werden können, sieht man man in einer Szene, in der Melanie ihren Mann, den sie gerade verlassen hat, beim Kochen mit seiner Kollegin Ilona (Christiane Paul) überrascht. Für einen Moment liegt alles in der Luft, was Männer und Frauen einander antun können - Betrug, Eifersucht, Hinterhältigkeit, Gewalt. Dann ergreift die Kollegin die Flucht. Als wäre sie im falschen Film. Aber wir sind es ja auch.
ANDREAS KILB
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