Die lebenslustige Fischerin Chiara hat ihren sicheren Hafen gefunden: Gemeinsam mit ihrem Ehemann Antoine lebt sie auf einer Insel vor der schroffen französischen Atlantikküste. Sie sind ein eingespieltes Team, jeder Handgriff sitzt, ob auf hoher See oder zu Hause an Land.
Als ihr neuer Lehrling Maxence seine Ausbildung beginnt, beobachtet Chiara den jungen Mann aus gutem Hause zuerst mit großer Skepsis. Doch Maxence nimmt die Arbeit ernst und Chiaras Skepsis weicht vorsichtiger Zuneigung. Als Chiaras Mann zum Festland aufbricht, um sich für die politischen Rechte der Fischer zu engagieren, merkt Chiara, dass sie sich immer stärker zu dem attraktiven, Jahrzehnte jüngeren Maxence hingezogen fühlt. Zwischen den beiden entbrennt eine leidenschaftliche Affäre. Chiara muss sich bald entscheiden, ob sie es wagt, die Sicherheit ihres bisherigen Lebens aufzugeben und noch einmal in unbekannte Gewässer aufzubrechen.
Als ihr neuer Lehrling Maxence seine Ausbildung beginnt, beobachtet Chiara den jungen Mann aus gutem Hause zuerst mit großer Skepsis. Doch Maxence nimmt die Arbeit ernst und Chiaras Skepsis weicht vorsichtiger Zuneigung. Als Chiaras Mann zum Festland aufbricht, um sich für die politischen Rechte der Fischer zu engagieren, merkt Chiara, dass sie sich immer stärker zu dem attraktiven, Jahrzehnte jüngeren Maxence hingezogen fühlt. Zwischen den beiden entbrennt eine leidenschaftliche Affäre. Chiara muss sich bald entscheiden, ob sie es wagt, die Sicherheit ihres bisherigen Lebens aufzugeben und noch einmal in unbekannte Gewässer aufzubrechen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2023Vom Einholen der Netze im Sturm
Weder mannstoll noch klassenbewusst: Cécile de France glänzt als Fischerin in der Kino-Liebesgeschichte "Wild wie das Meer"
Im Heiligtum des Kinos müsste man einen eigenen Altar für Cécile de France errichten: für die Gelassenheit und Zärtlichkeit, mit der sie immer wieder Frauen spielt, denen das Leben eine Falle stellt und die sich mit Charme und Geschick daraus befreien - die Friseurin Samantha in "Der Junge mit dem Fahrrad" von den Dardenne-Brüdern, die Tsunami-Überlebende Marie in Clint Eastwoods "Hereafter", zuletzt die betrogene Ehefrau von Melvil Poupaud in "Im Herzen jung". Und für die Wachheit und Schärfe ihres Spiels, mit der sie in Kostümfilmen die Kostüme, die sie trägt, vergessen macht - in Emmanuel Mourets "Der Preis der Versuchung" ebenso wie in Xavier Giannolis "Verlorene Illusionen". Und, vor allem, für die Leidenschaft, die mimische Energie, mit der sie auch aus kleinen und mittleren Rollen das Äußerste an Präsenz herausholt - von "L'auberge espagnole" bis zu Wes Andersons "French Dispatch".
In "Wild wie das Meer", dem Regiedebüt der Französin Héloïse Pelloquet, ist Cécile de France jetzt praktisch auf sich allein gestellt, denn der Film ist für sie geschrieben, er holt sie von der ersten bis zur letzten Minute ins Bild. Sie spielt eine Fischerin, Chiara, die für sich und ihren Mann einen neuen Lehrling engagiert, der aus einem wohlhabenden bürgerlichen Haushalt stammt. Maxence (Félix Lefebvre) sieht aus wie der junge Rimbaud, gemalt von Fantin-Latour, und das ist auch das Problem dieser Figur, denn ein Blick von ihm auf Chiara genügt, damit eine Affäre in der Luft liegt. Deshalb gibt sich der Film alle Mühe, zwischen den beiden Hindernisse aufzubauen, soziale, professionelle (auf dem Fischerboot stellt sich Maxence wie ein Tollpatsch an), altersmäßige (Chiara ist Anfang vierzig) und erzählerische, denn die Fischerin und ihr Mann Antoine führen eine glückliche Ehe, und ein fester Kreis aus Freunden und Nachbarn wacht über sie. Aber der Lehrling bessert sich, Antoine muss für zwei Wochen nach England, um an den Verhandlungen zum Fischereiabkommen teilzunehmen, und das Begehren lässt den Altersunterschied zur Nichtigkeit verdampfen. Schließlich geben sie ihm nach.
Der Film, der eigentlich "La Passagère" heißt, "Die Passagierin", spielt auf der Insel Noirmoutier vor der französischen Atlantikküste, und er schlägt von Anfang an den richtigen Ton an, indem er sich keinen Deut für die touristischen Sehenswürdigkeiten des Ortes interessiert, die berühmte Abteikirche, die Windmühlen, die Burg mit ihrem Donjon. Stattdessen dokumentarische Bilder vom Einholen der Netze und Reusen, von Bordinstrumenten, gefangenen Hummern, Lagerhallen. Dazu eine Hochzeit, ein nächtlicher Sturm, die Leere der Nachsaison. Selbst das zum Verkauf stehende Haus, in das Maxence Chiara lockt, hat etwas Unvermeidliches, denn die Insel leidet unter Bevölkerungsschwund.
Aber irgendwann rutscht der Regisseurin die Geschichte aus der Hand. Es beginnt damit, dass sie das Fischerboot, auf dem Chiara mit Maxence schläft, wie eine Lustbarke vor der Küste treiben lässt. Auf einmal wissen die Nachbarn Bescheid, und ihre Kinder werfen mit Steinen auf das Paar, als lebten sie noch in der Welt von Alexis Sorbas. Das alles geschieht plötzlich und sprunghaft, die Zeit, die das Drama braucht, um sich zu entfalten, wird ihm hier nicht gegönnt. Und auch die Liebe sieht, nach den ersten, aufregenden Bildern, wieder gewöhnlich aus, klischeehaft, wie man es von der Konstellation reife-Frau-trifft-Jüngling erwartet.
Nur Cécile de France kommt nicht aus dem Gleichgewicht. Sie hält der Versuchung, die mannstolle Unbefriedigte zu spielen, ebenso stand wie dem anderen naheliegenden Stereotyp, in dem die edle Fischerin über den verwöhnten Bourgeois triumphiert. Ganz sachte zieht sie ihre Figur aus den Schlingen des Drehbuchs, bis sie am Ende, unter einem anderen Himmel, wirklich frei ist. An diesem Punkt holt sie der Film wieder ein. Er blickt in ihr Gesicht, als könnte er darin den Anfang der nächsten, noch unerzählten Geschichte lesen. "Wild wie das Meer" ist oft so zahm wie ein Fernsehspiel. Aber dafür, dass er Cécile de France eine Bühne gibt, muss man ihm danken. ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weder mannstoll noch klassenbewusst: Cécile de France glänzt als Fischerin in der Kino-Liebesgeschichte "Wild wie das Meer"
Im Heiligtum des Kinos müsste man einen eigenen Altar für Cécile de France errichten: für die Gelassenheit und Zärtlichkeit, mit der sie immer wieder Frauen spielt, denen das Leben eine Falle stellt und die sich mit Charme und Geschick daraus befreien - die Friseurin Samantha in "Der Junge mit dem Fahrrad" von den Dardenne-Brüdern, die Tsunami-Überlebende Marie in Clint Eastwoods "Hereafter", zuletzt die betrogene Ehefrau von Melvil Poupaud in "Im Herzen jung". Und für die Wachheit und Schärfe ihres Spiels, mit der sie in Kostümfilmen die Kostüme, die sie trägt, vergessen macht - in Emmanuel Mourets "Der Preis der Versuchung" ebenso wie in Xavier Giannolis "Verlorene Illusionen". Und, vor allem, für die Leidenschaft, die mimische Energie, mit der sie auch aus kleinen und mittleren Rollen das Äußerste an Präsenz herausholt - von "L'auberge espagnole" bis zu Wes Andersons "French Dispatch".
In "Wild wie das Meer", dem Regiedebüt der Französin Héloïse Pelloquet, ist Cécile de France jetzt praktisch auf sich allein gestellt, denn der Film ist für sie geschrieben, er holt sie von der ersten bis zur letzten Minute ins Bild. Sie spielt eine Fischerin, Chiara, die für sich und ihren Mann einen neuen Lehrling engagiert, der aus einem wohlhabenden bürgerlichen Haushalt stammt. Maxence (Félix Lefebvre) sieht aus wie der junge Rimbaud, gemalt von Fantin-Latour, und das ist auch das Problem dieser Figur, denn ein Blick von ihm auf Chiara genügt, damit eine Affäre in der Luft liegt. Deshalb gibt sich der Film alle Mühe, zwischen den beiden Hindernisse aufzubauen, soziale, professionelle (auf dem Fischerboot stellt sich Maxence wie ein Tollpatsch an), altersmäßige (Chiara ist Anfang vierzig) und erzählerische, denn die Fischerin und ihr Mann Antoine führen eine glückliche Ehe, und ein fester Kreis aus Freunden und Nachbarn wacht über sie. Aber der Lehrling bessert sich, Antoine muss für zwei Wochen nach England, um an den Verhandlungen zum Fischereiabkommen teilzunehmen, und das Begehren lässt den Altersunterschied zur Nichtigkeit verdampfen. Schließlich geben sie ihm nach.
Der Film, der eigentlich "La Passagère" heißt, "Die Passagierin", spielt auf der Insel Noirmoutier vor der französischen Atlantikküste, und er schlägt von Anfang an den richtigen Ton an, indem er sich keinen Deut für die touristischen Sehenswürdigkeiten des Ortes interessiert, die berühmte Abteikirche, die Windmühlen, die Burg mit ihrem Donjon. Stattdessen dokumentarische Bilder vom Einholen der Netze und Reusen, von Bordinstrumenten, gefangenen Hummern, Lagerhallen. Dazu eine Hochzeit, ein nächtlicher Sturm, die Leere der Nachsaison. Selbst das zum Verkauf stehende Haus, in das Maxence Chiara lockt, hat etwas Unvermeidliches, denn die Insel leidet unter Bevölkerungsschwund.
Aber irgendwann rutscht der Regisseurin die Geschichte aus der Hand. Es beginnt damit, dass sie das Fischerboot, auf dem Chiara mit Maxence schläft, wie eine Lustbarke vor der Küste treiben lässt. Auf einmal wissen die Nachbarn Bescheid, und ihre Kinder werfen mit Steinen auf das Paar, als lebten sie noch in der Welt von Alexis Sorbas. Das alles geschieht plötzlich und sprunghaft, die Zeit, die das Drama braucht, um sich zu entfalten, wird ihm hier nicht gegönnt. Und auch die Liebe sieht, nach den ersten, aufregenden Bildern, wieder gewöhnlich aus, klischeehaft, wie man es von der Konstellation reife-Frau-trifft-Jüngling erwartet.
Nur Cécile de France kommt nicht aus dem Gleichgewicht. Sie hält der Versuchung, die mannstolle Unbefriedigte zu spielen, ebenso stand wie dem anderen naheliegenden Stereotyp, in dem die edle Fischerin über den verwöhnten Bourgeois triumphiert. Ganz sachte zieht sie ihre Figur aus den Schlingen des Drehbuchs, bis sie am Ende, unter einem anderen Himmel, wirklich frei ist. An diesem Punkt holt sie der Film wieder ein. Er blickt in ihr Gesicht, als könnte er darin den Anfang der nächsten, noch unerzählten Geschichte lesen. "Wild wie das Meer" ist oft so zahm wie ein Fernsehspiel. Aber dafür, dass er Cécile de France eine Bühne gibt, muss man ihm danken. ANDREAS KILB
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