Die lebenslustige Louise weiß nun endlich, was sie will; Statt ihr Dasein als Kosmetikerin in der Provinz zu fristen, möchte sie Schriftstellerin werden. Sie hat auch schon einen Termin mit einem Verleger in Paris.
Voll Erwartung kommt sie in der Großstadt an. Am Bahnhof wird sie von ihrer älteren und vom Leben frustrierten Schwester Martine abgeholt, bei der sie drei Tage wohnen möchte. Martine hat schon einen nervenaufreibenden Morgen hinter sich und dass sich ihre Schwester ausgerechnet an einem Samstag angekündigt hat, wo jeder Pariser weiß, dass man keinen Parkplatz findet, macht die schwesterliche Heimsuchung noch schlimmer. Also hält sich Martines Freude über das schwesterliche Wiedersehen absolut in Grenzen und ihr größtes Interesse liegt allein an der Frage, wie lange Louise zu bleiben gedenkt ...
Voll Erwartung kommt sie in der Großstadt an. Am Bahnhof wird sie von ihrer älteren und vom Leben frustrierten Schwester Martine abgeholt, bei der sie drei Tage wohnen möchte. Martine hat schon einen nervenaufreibenden Morgen hinter sich und dass sich ihre Schwester ausgerechnet an einem Samstag angekündigt hat, wo jeder Pariser weiß, dass man keinen Parkplatz findet, macht die schwesterliche Heimsuchung noch schlimmer. Also hält sich Martines Freude über das schwesterliche Wiedersehen absolut in Grenzen und ihr größtes Interesse liegt allein an der Frage, wie lange Louise zu bleiben gedenkt ...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit SoundeffektenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2005Die eine weint, die andere nicht
Die fröhliche Provinzlerin und die Hysterikerin von Paris: Catherine Frot und Isabelle Huppert im Clinch in Alexandra Leclères Film "Zwei ungleiche Schwestern"
Zwei Frauen in der Oper. Es läuft Gounods "Romeo et Juliette", ein Schmachtfetzen. Als Juliette singt: "Ach, ich will leben / in dem Traume, der noch eben / mich wiegte ein", beginnt Louise auf ihrem Parkettsitz zu schmilzen. Ihre Augen werden feucht, ihr Mund verzieht sich, hilfesuchend schaut sie sich um - und erstarrt. Denn die Frau neben ihr ist steif wie ein Brett, ihr Blick wie gefroren, kein Muskel regt sich in ihrem Gesicht. Was von der Bühne an Gefühl herunterweht, prallt an diesem Kälteschild ab. Louise kennt die Frau auf dem Nachbarsitz, ihre Antipodin, seit ihrer Kindheit. Es ist Martine, ihre Schwester.
Von Schwestern und ihren Rivalitäten erzählt das Kino alle paar Jahre einmal - zuletzt am eindrucksvollsten in Sofia Coppolas Debütfilm "The Virgin Suicides" über ein lebensmüdes Teenager-Quintett, davor in Filmen von Woody Allen ("Hannah und ihre Schwestern") und Margarethe von Trotta ("Fürchten und Lieben"), die jeweils auch von anderen Dingen handelten: vom Leben in Groß- und Kleinstädten, von der Liebe, der Ehe, der Emanzipation. Alexandra Leclère aber, die mit siebzehn Jahren aus der Provinzstadt Rennes abgehauen ist, um in Paris ihr Glück zu machen, wollte nur von Martine und Louise erzählen: von Schwestern und nichts anderem.
Also schrieb sie ein Drehbuch für Isabelle Huppert und Catherine Frot, zwei Stars des französischen Kinos, und machte sich auf den Weg durch die tiefen Schluchten der Filmbranche. Sie sprach den Agenten von Frot an, der sie erst einmal zwei Monate schmoren ließ, und irgendwann traf sie auch Isabelle Huppert, die mit ihrem Sohn an der Hand auf dem Weg zur Schule war, und drückte ihr das Skript zu "Les soeurs fachées" in die Hand. Um auch noch einen Produzenten für ihr Regiedebüt zu finden, lief Leclère mit ihrem Drehbuch kreuz und quer durchs Gewühl des Filmfestivals von Cannes, bis sie bei Philippe Godeau angelangt war, der schon Maurice Pialats letztes Werk "Le Garçu" produziert hatte.
So ist es eigentlich nicht überraschend, daß "Zwei ungleiche Schwestern" nun mit dem Bild einer Frau beginnt, die mit einem Manuskript in der Tasche im Zug nach Paris sitzt. Louise (Catherine Frot) besitzt einen Kosmetiksalon in Le Mans, aber jetzt hat sie einen Roman geschrieben, eine Liebesgeschichte, die "Ein richtiger Mann" heißt und auf eigenen Erlebnissen basiert. Am Bahnhof wird sie von Martine (Isabelle Huppert) abgeholt, bei der sie während ihres Aufenthalts in der Hauptstadt wohnen wird. "Wann fährst du zurück?" ist eine ihrer ersten Fragen, und damit ist auch das Verhältnis zwischen Louise und Martine hinreichend beschrieben: Die eine bittet, die andere wimmelt ab. Die eine weint, die andere nicht.
Isabelle Huppert hat zuletzt eine verrückte französische Detektivin in David Russells "I Heart Huckabees" und eine Familienmutter auf der Flucht in Michael Hanekes "Wolfszeit" gespielt, aber ihre letzte wirklich bedeutende Rolle, die der "Klavierspielerin" in Hanekes Jelinek-Verfilmung, liegt schon einige Jahre zurück. Auch Martine ist kein ganz großer Part, eher eine virtuose Variation der vertrockneten Jungfer, die Huppert in François Ozons "Acht Frauen" verkörpert hat. Aber Martine, die kleine Neiderin, die gutbürgerliche Zicke, die frigide Ehefrau, wird in Alexandra Leclères Film groß: durch Louise. Ihr Gemecker, ihre Ausbrüche, ihre Zappeleien und Verspannungen bekommen durch Louises nahezu übermenschliche Güte und Fröhlichkeit erst die richtige Kontrastfarbe. So verliert sich das Manierierte, das Isabelle Hupperts Ausdruckskunst manchmal entstellt, und das abgründig Alltägliche, die Qual einer lustlos verheirateten Frau von Ende Vierzig, wird sichtbar. Isabelle Huppert und Catherine Frot (die bei uns zu Unrecht wenig bekannt ist; zuletzt spielte sie Hauptrollen in "Boudu" und in Lucas Belvaux' "Trilogie") sind auch im wirklichen Schauspielerleben gegensätzliche Charaktere, die eine genießt die Proben und den Rummel am Set, die andere spielt frei und schottet sich ab. Deshalb ist der Film auch ein Zweikampf zweier verschiedener Darstellungsstile, eines verhalten kinematografischen und eines nervös-theatralischen, was gerade die unvermeidlichen Standardszenen des Pariser Lebens mit zusätzlicher destruktiver Energie auflädt. Allein der Augenblick, in dem Martine in ihrer Küche mit umnebeltem Blick ein Boeuf Bourguignon zerfetzt, ist den Kinobesuch wert. Es ist Isabelle Huppert at her best, und es ist zugleich die präzise Beschreibung einer Frau, die von den Freuden des Fleisches die Nase voll hat.
"Zwei ungleiche Schwestern" ist eins jener kleinen Wunder, die es im Kino immer noch und immer wieder gibt, trotz aller Kulturbürokraten und trotz der Vertracktheiten einer Technik, die sich immer mehr vom Realen abzuwenden scheint. "Wie kann jemand, der keine Ausbildung und wenig Erfahrung hat, einen so schönen Film machen?" fragt Isabelle Huppert in einem Interview zum Film. Die Antwort: "Kino läßt das zu." Das Kino läßt auch zu, daß Louise am Ende unter den mißgünstigen Blicken Martines einen Verlag für ihr Buch und ihre Schwester so etwas wie einen Ausweg aus ihrem Puppenleben findet. Es läßt sogar zu, daß man aus diesem Film nicht mit der schlechten Laune von Martine, sondern mit dem Glücksgefühl von Louise herauskommt. In Frankreich hatte "Les soeurs fachées" mehr als eine Million Zuschauer. Alexandra Leclères Zug ist endgültig in Paris angekommen.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die fröhliche Provinzlerin und die Hysterikerin von Paris: Catherine Frot und Isabelle Huppert im Clinch in Alexandra Leclères Film "Zwei ungleiche Schwestern"
Zwei Frauen in der Oper. Es läuft Gounods "Romeo et Juliette", ein Schmachtfetzen. Als Juliette singt: "Ach, ich will leben / in dem Traume, der noch eben / mich wiegte ein", beginnt Louise auf ihrem Parkettsitz zu schmilzen. Ihre Augen werden feucht, ihr Mund verzieht sich, hilfesuchend schaut sie sich um - und erstarrt. Denn die Frau neben ihr ist steif wie ein Brett, ihr Blick wie gefroren, kein Muskel regt sich in ihrem Gesicht. Was von der Bühne an Gefühl herunterweht, prallt an diesem Kälteschild ab. Louise kennt die Frau auf dem Nachbarsitz, ihre Antipodin, seit ihrer Kindheit. Es ist Martine, ihre Schwester.
Von Schwestern und ihren Rivalitäten erzählt das Kino alle paar Jahre einmal - zuletzt am eindrucksvollsten in Sofia Coppolas Debütfilm "The Virgin Suicides" über ein lebensmüdes Teenager-Quintett, davor in Filmen von Woody Allen ("Hannah und ihre Schwestern") und Margarethe von Trotta ("Fürchten und Lieben"), die jeweils auch von anderen Dingen handelten: vom Leben in Groß- und Kleinstädten, von der Liebe, der Ehe, der Emanzipation. Alexandra Leclère aber, die mit siebzehn Jahren aus der Provinzstadt Rennes abgehauen ist, um in Paris ihr Glück zu machen, wollte nur von Martine und Louise erzählen: von Schwestern und nichts anderem.
Also schrieb sie ein Drehbuch für Isabelle Huppert und Catherine Frot, zwei Stars des französischen Kinos, und machte sich auf den Weg durch die tiefen Schluchten der Filmbranche. Sie sprach den Agenten von Frot an, der sie erst einmal zwei Monate schmoren ließ, und irgendwann traf sie auch Isabelle Huppert, die mit ihrem Sohn an der Hand auf dem Weg zur Schule war, und drückte ihr das Skript zu "Les soeurs fachées" in die Hand. Um auch noch einen Produzenten für ihr Regiedebüt zu finden, lief Leclère mit ihrem Drehbuch kreuz und quer durchs Gewühl des Filmfestivals von Cannes, bis sie bei Philippe Godeau angelangt war, der schon Maurice Pialats letztes Werk "Le Garçu" produziert hatte.
So ist es eigentlich nicht überraschend, daß "Zwei ungleiche Schwestern" nun mit dem Bild einer Frau beginnt, die mit einem Manuskript in der Tasche im Zug nach Paris sitzt. Louise (Catherine Frot) besitzt einen Kosmetiksalon in Le Mans, aber jetzt hat sie einen Roman geschrieben, eine Liebesgeschichte, die "Ein richtiger Mann" heißt und auf eigenen Erlebnissen basiert. Am Bahnhof wird sie von Martine (Isabelle Huppert) abgeholt, bei der sie während ihres Aufenthalts in der Hauptstadt wohnen wird. "Wann fährst du zurück?" ist eine ihrer ersten Fragen, und damit ist auch das Verhältnis zwischen Louise und Martine hinreichend beschrieben: Die eine bittet, die andere wimmelt ab. Die eine weint, die andere nicht.
Isabelle Huppert hat zuletzt eine verrückte französische Detektivin in David Russells "I Heart Huckabees" und eine Familienmutter auf der Flucht in Michael Hanekes "Wolfszeit" gespielt, aber ihre letzte wirklich bedeutende Rolle, die der "Klavierspielerin" in Hanekes Jelinek-Verfilmung, liegt schon einige Jahre zurück. Auch Martine ist kein ganz großer Part, eher eine virtuose Variation der vertrockneten Jungfer, die Huppert in François Ozons "Acht Frauen" verkörpert hat. Aber Martine, die kleine Neiderin, die gutbürgerliche Zicke, die frigide Ehefrau, wird in Alexandra Leclères Film groß: durch Louise. Ihr Gemecker, ihre Ausbrüche, ihre Zappeleien und Verspannungen bekommen durch Louises nahezu übermenschliche Güte und Fröhlichkeit erst die richtige Kontrastfarbe. So verliert sich das Manierierte, das Isabelle Hupperts Ausdruckskunst manchmal entstellt, und das abgründig Alltägliche, die Qual einer lustlos verheirateten Frau von Ende Vierzig, wird sichtbar. Isabelle Huppert und Catherine Frot (die bei uns zu Unrecht wenig bekannt ist; zuletzt spielte sie Hauptrollen in "Boudu" und in Lucas Belvaux' "Trilogie") sind auch im wirklichen Schauspielerleben gegensätzliche Charaktere, die eine genießt die Proben und den Rummel am Set, die andere spielt frei und schottet sich ab. Deshalb ist der Film auch ein Zweikampf zweier verschiedener Darstellungsstile, eines verhalten kinematografischen und eines nervös-theatralischen, was gerade die unvermeidlichen Standardszenen des Pariser Lebens mit zusätzlicher destruktiver Energie auflädt. Allein der Augenblick, in dem Martine in ihrer Küche mit umnebeltem Blick ein Boeuf Bourguignon zerfetzt, ist den Kinobesuch wert. Es ist Isabelle Huppert at her best, und es ist zugleich die präzise Beschreibung einer Frau, die von den Freuden des Fleisches die Nase voll hat.
"Zwei ungleiche Schwestern" ist eins jener kleinen Wunder, die es im Kino immer noch und immer wieder gibt, trotz aller Kulturbürokraten und trotz der Vertracktheiten einer Technik, die sich immer mehr vom Realen abzuwenden scheint. "Wie kann jemand, der keine Ausbildung und wenig Erfahrung hat, einen so schönen Film machen?" fragt Isabelle Huppert in einem Interview zum Film. Die Antwort: "Kino läßt das zu." Das Kino läßt auch zu, daß Louise am Ende unter den mißgünstigen Blicken Martines einen Verlag für ihr Buch und ihre Schwester so etwas wie einen Ausweg aus ihrem Puppenleben findet. Es läßt sogar zu, daß man aus diesem Film nicht mit der schlechten Laune von Martine, sondern mit dem Glücksgefühl von Louise herauskommt. In Frankreich hatte "Les soeurs fachées" mehr als eine Million Zuschauer. Alexandra Leclères Zug ist endgültig in Paris angekommen.
ANDREAS KILB
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