Der Roman Achtzehnter Stock von Sara Gmuer ist ein richtig gutes Buch, obwohl es mir nicht gefallen hat. Wie das sein kann?
Die Autorin schafft es, die Protagonistin in all ihren Graustufen zu porträtieren und bei der Lektüre habe ich eine negative Emotion nach der anderen durchlaufen: Wut, Angst,
Trauer, Anspannung, Verzweiflung, … Noch schlimmer war, dass ich oft eine krasse Ambiguität…mehrDer Roman Achtzehnter Stock von Sara Gmuer ist ein richtig gutes Buch, obwohl es mir nicht gefallen hat. Wie das sein kann?
Die Autorin schafft es, die Protagonistin in all ihren Graustufen zu porträtieren und bei der Lektüre habe ich eine negative Emotion nach der anderen durchlaufen: Wut, Angst, Trauer, Anspannung, Verzweiflung, … Noch schlimmer war, dass ich oft eine krasse Ambiguität aushalten musste, denn ich konnte die Beweggründe von Wanda verstehen, habe ihr Verhalten aber doch insgeheim verurteilt. Dadurch war mir zum einen die Protagonistin unsympathisch, zum anderen musste ich mich aber auch sehr mit meinen eigenen Vorurteilen und internalisierten Klassismus auseinandersetzen. Und ganz ehrlich – wer macht das schon gern?
Für mich ist es aber genau das, was gute Bücher ausmacht: das Unbequeme, das den Finger in Wunden legt, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben. Die Konfrontation mit eigenen Stereotypen, Vorurteilen und Glaubenssätzen. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien, die dahinter stehen.
Das kann dieses Buch ganz hervorragend. Ebenso wie das Pacing. Durch die kurzen Sätze und den eher schroffen Stil liest es sich wie eine wilde Achterbahnfahrt und bevor man es realisiert, ist man am Ende der Geschichte angekommen. Es gibt keine langweiligen Passagen oder auch nur Momente der Ruhe, alles passiert zack, zack, zack, wie die Schicksalsschläge (und auch das Glück) in Wandas Leben. Am liebsten hätte ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen, und falls ihr mal ein paar Stunden am Stück habt: macht das!
Auch wenn ein paar der anderen Figuren wenig Tiefe haben und doch sehr stereotyp dargestellt sind (was auch Absicht sein mag, denn der Plattenbau bringt eben in den Augen der meisten keine Individuen hervor), wirkt die Geschichte nachhaltig und ich denke immer wieder darüber nach und habe Redebedarf
Wenn ihr das Buch also schon gelesen habt: ich freue mich auf den Austausch mit euch. Und wenn nicht: dann holt das nach, vor allem, wenn ihr keine glattgebügelte Literatur braucht und durchaus auch rotzige Stimmen genießen könnt.