Jenny, die Protagonistin in „Adults“ von Emma Jane Unsworth, ist Kolumnistin, Mitte 30 und hat ihre Social-Media-Präsenz und überhaupt ihr ganzes Leben im Griff. Meistens zumindest. Wenn sie nicht gerade kurz davor steht, ihren Job zu verlieren. Und wenn sie sich nicht mit derart vielen Fragen,
Unsicherheiten, Ängsten und Zweifeln hinsichtlich Instagram & Co. herumplagen müsste! Bei Jenny nimmt…mehrJenny, die Protagonistin in „Adults“ von Emma Jane Unsworth, ist Kolumnistin, Mitte 30 und hat ihre Social-Media-Präsenz und überhaupt ihr ganzes Leben im Griff. Meistens zumindest. Wenn sie nicht gerade kurz davor steht, ihren Job zu verlieren. Und wenn sie sich nicht mit derart vielen Fragen, Unsicherheiten, Ängsten und Zweifeln hinsichtlich Instagram & Co. herumplagen müsste! Bei Jenny nimmt die Abhängigkeit vom Handy ganz andere Ausmaße an. Emma Jane Unsworth beleuchtet in „Adults“, was Jenny antreibt, wie Social Media ihr Leben und vor allem ihre Selbstwahrnehmung beeinflusst und welche Rolle Erfahrungen in ihrer Kindheit und das Verhältnis zu ihrer Mutter bei all dem spielen.
Manche Gedanken von Jenny waren mir nicht fremd oder ich konnte sie zumindest nachvollziehen. Allem voran ihre Unsicherheit, ihre Zweifel, ihren Ärger über die eigene Mutter, ihre Neigung, sich in einer Beziehung selbst zu verleugnen, sich Menschen gegenüber anders zu geben, als sie tatsächlich ist. Jenny spielt eine Rolle, sie lächelt, weil ein Lächeln von ihr erwartet wird, gleichzeitig dreht sich alles nur um sie und wie sie auf Instagram rüberkommt. Diese Aspekte hat Emma Jane Unsworth meiner Meinung nach auch sehr feinfühlig herausgearbeitet. Außerdem gefiel mir der bissige Humor von Jenny enorm gut.
In vielen anderen Momenten wirkt die Figur von Jenny jedoch vollkommen überzogen. Bei all ihrer Inszenierung und Social-Media-Besessenheit vergisst sie die wirklich wesentlichen Dinge in ihrem Leben, wie auf den Sohn ihrer Freundin aufzupassen oder auch mal zu fragen, weshalb eine andere Freundin traurig ist. Dies machte Jenny für mich vor allem im Mittelteil der Geschichte zu einer sehr anstrengenden, teilweise unsympathischen Figur. Diese Wahrnehmung besserte sich, als mir im Verlauf des Lesens bewusst wurde, dass all diese Verhaltensweisen nur Ausdruck von negativen Erfahrungen sind, die sie in ihrer Kindheit machte und die sie seit Jahren verfolgen. Diese weitere Ebene des Romans ließ mich über einige Verhaltensweisen hinwegschauen, die mich zuvor irritiert hatten.
Mehr erfährt man als Leser:in in zahlreichen Rückblicken. Wir blicken auf die Beziehung zu Art, Jenny’s Kindheit und die Beziehung zu ihrer Mutter, auf ihre Freundschaft mit Kelly. „Womit hatte es wirklich zu tun? Mit so viel, mit so vielem, im Laufe der Jahre. Eine bröselige Verbitterung, die sich wie Plaque um mein Herz gelegt hatte.“ Mit diesen und vielen ähnlichen Feststellungen entwickelte ich schleichend mehr Verständnis für Jenny, ich konnte ihre Versagensängste, ihre Traurigkeit, ihr zwiespältiges Verhältnis zu ihrer Mutter, ihren Drang, für die Außenwelt vermeintlich perfekt erscheinen zu wollen, verstehen. „Ich war eine Lüge“, sagt Jenny an einer Stelle über sich selbst. Das trifft ins Herz.
Dennoch ergibt sich für mich kein ganz rundes Gesamtbild. Emma Jane Unsworth greift für meinen Geschmack viel zu viele Themen auf, das inhaltliche Rad, das sie schlägt, ist mir zu groß. Es geht um eine dysfunktionale Mutter-Tochter-Beziehung, das Muttersein, eine Fehlgeburt, die Selbstdarstellung in Social Media, Jobprobleme, Beziehungsprobleme, Eifersucht, Selbstfindung und Freundschaft. Dies alles mit gebührender Tiefe in einer Geschichte zu verbinden, ist in meinen Augen eine Herausforderung. In die Tiefe geht die Autorin zwar durchaus, doch ab und an wirkte „Adults“ auf mich dadurch zu sprunghaft.
Gut gefiel mir hingegen der Schreibstil, der frisch und unverkrampft ist, wodurch sich die Geschichte sehr angenehm lesen lässt. E-Mails und Chatverläufe sorgen ebenso wie der Humor der Figuren für Leichtigkeit, die Dialoge beschreiten eine gelungene Gratwanderung zwischen Ernst, Tragik und Witz. Hiermit konnte mich Emma Jane Unsworth absolut erreichen.