Gleich vorweg: Akikos stilles Glück war ein großes Lese-Glück für mich. Japan, dieses so weit entfernte, lange Zeit in sich abgeschlossene Land, erscheint mir oft fremd, unzugänglich und unkompatibel. Sendkers Protagonistin Akiko hat es mir jetzt ein Stück näher gebracht.
Akiko ist eine junge
Frau, Endzwanzigerin, Buchhalterin, ledig und ohne jeglichen Familienanhang. Damit entspricht sie ganz…mehrGleich vorweg: Akikos stilles Glück war ein großes Lese-Glück für mich. Japan, dieses so weit entfernte, lange Zeit in sich abgeschlossene Land, erscheint mir oft fremd, unzugänglich und unkompatibel. Sendkers Protagonistin Akiko hat es mir jetzt ein Stück näher gebracht.
Akiko ist eine junge Frau, Endzwanzigerin, Buchhalterin, ledig und ohne jeglichen Familienanhang. Damit entspricht sie ganz und gar nicht der Norm, doch Akiko kann gut mit sich alleine sein. Deshalb beschließt sie, inspiriert von einer Freundin, sich selbst zu heiraten. Was? Dachte ich, als ich das las. Das hatte ich noch nie gehört. Aber in Japan ist Solo-Wedding nicht unüblich. Gleichzeitig trifft sie zufällig den jungen Mann wieder, der in der High School ihre erste Liebe war. Kento ist heute ein Hikikomori. Noch etwas, das ich nicht kannte. Hikikomoris sind Menschen, die sich der Gesellschaft verweigern und die meiste Zeit ihre Wohnung nicht verlassen, weil ihnen alles zuviel ist - Menschen, Geräusche, Gerüche. Diese Wiederbegegnung ist es, die Akiko ins Grübeln bringt: wer ist sie? Mag sie sich? Was will sie, was erwartet sie von ihrem Leben? Woher kommt sie? Eine Phase der Selbstreflexion und des Rückblicks in ihre Vergangenheit mit ihrer alleinerziehenden Mutter beginnt. Doch anstelle von Antworten ergeben sich zunächst weitere Fragen.
Am Beispiel seiner Figur Akiko gewährt Sendker Einblicke in das japanische Arbeitsethos, in Familienstrukturen, in gesellschaftliche Konventionen. In mancherlei Hinsicht ticken Japaner völlig anders als wir, aber in bestimmten Bereichen unterscheiden wir uns nicht. Akiko lebt in der 40-Millionen-Metropole Tokio, könnte ihr Leben aber auch in Hamburg, Paris oder London führen. Ich konnte ihr nahe kommen, bin mit ihr U-Bahn gefahren, habe neben ihr an der Bar gesessen und konnte ihre Gedankengänge nachempfinden. Sendker hat mit ihr eine lebensechte Figur erschaffen, der ich gerne weiter auf ihrem Weg zur Selbstfindung folgen werde. Irgendwo las ich, dieses Buch sei der Auftakt zu einer Japan-Triologie. Nun warte ich gespannt auf die Fortsetzung und werde derweil andere Titel von Sendker lesen.
Im Anhang gibt es ein Glossar, welches im Text verwendete japanische Begriffe erklärt. Das Buch ist mit einem Lesebändchen ausgestattet und hat, wie ich finde, ein sehr schönes Cover, das auf mich sehr ausgeglichen wirkt und damit gut zu seiner Protagonistin Akiko passt.