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Allmen, eleganter Gentleman, Lebemann, Kunstsammler und charmanter Hochstapler, hat das Millionenerbe seines Vaters durchgebracht. Das Anwesen musste er verkaufen, er hat sich mit seinem lebenserfahrenen Faktotum Carlos aus Guatemala ins bescheidene Gewächshaus zurückgezogen. So schlecht er mit Geld umgehen kann, so virtuos beherrscht er den Umgang mit Schulden und Gläubigern. Insbesondere die diskrete Geschäftsbeziehung zu einem Antiquitätenhändler hilft ihm immer wieder aus der Bredouille. Anfangs war Allmen guter Kunde, mittlerweile ist er guter Lieferant, erst mit Stücken aus der eigenen Sammlung, dann mit Objekten, über deren Herkunft ein Kavalier besser schweigt. Bis ihn nach einem alkoholseligen Abend Jojo, eine heißhungrige junge Frau, in die Seevilla ihres Vaters abschleppt und er dort eine Sammlung von fünf traumhaft schönen Jugendstil-Schalen entdeckt.
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»Martin Suter gilt als Meister einer eleganten Feder, die so fein geschliffen ist, dass man die Stiche oft erst hinterher spürt.« Monika Willer / Westfalenpost Westfalenpost
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2011Ein Flaneur als Ermittler
Serienkrimi: Martin Suters neueste Erfolgsrakete
Sein Name ist Allmen, von Allmen. Mit Betonung auf dem von. Die Vornamen Hans Fritz hat er zu Johann Friedrich veredelt, im Stammcafé verkehrt er wegen seiner exorbitanten Trinkgelder unter dem Ehrentitel "Conte". Tatsächlich hat er ein Millionenerbe durchgebracht; das wenige Geld, über das er verfügt, investiert er in Kreditwürdigkeit anstatt in seinen Lebensunterhalt. Den Nachmittagsschlaf nennt er "Lebenschwänzen". Die väterliche Villa musste er verkaufen, mit seinem guatemaltekischen Butler Carlos logiert er im Gartenhaus. J. F. v. Allmen ist ein weltläufiger Gentleman von Anfang vierzig, der nicht recht weiß, wo er hinsoll mit seinem Leben.
Auf dem Buchmarkt ist seine Bestimmung klar. Von heute an soll er die Bestsellerliste stürmen, denn er ist schließlich der neue Serienheld des Schweizer Schriftstellers Martin Suter. Allein dessen letzter Roman "Der Koch" hat sich nach Angaben des Diogenes Verlags mehr als dreihunderttausend Mal verkauft. Aber im Vergleich zum Vorgänger ist der heute erscheinende Roman "Allmen und die Libellen" nur ein Appetithappen, mit 190 luftig bedruckten Seiten ein Piccolo in Spielfilmlänge. Am Ende hat sich nichts Großartiges ergeben, man hat sich abgelenkt, nicht unangenehm, aber keineswegs so, dass man sich nach der Fortsetzung verzehrte.
Da von Allmen etwas von Antiquitäten versteht, hat er sich auf Diebstahl verlegt; die Hehlerware verkauft er an einen Händler namens Jack Tanner. Dann fällt Allmen der reichen Tochter Joëlle Hirt in die lüsternen Arme. Missbraucht für einen One-Night-Stand, stößt er in der Villa am See auf ein Kabinett mit fünf Libellen-Schalen des legendären Jugendstil-Glaskünstlers Émile Gallé. Ein Millionenfund, den er sich zunutze machen will, um seiner chronischen Unterfinanzierung abzuhelfen. Er schafft es, eine Schale an Tanner zu verhökern, dann findet er den Händler erschossen in seinem Laden. Bald darauf wird er selbst Opfer eines Anschlags - und die Geschichte nimmt endlich die Ausfahrt ins Kriminalistische.
Als "süchtiger Leser" sucht Allmen nach Geheimnissen, also münzt er diese Leidenschaft am Ende, als ihm das gewonnene Gold schon wieder zwischen den Fingern zerronnen ist, in eine Firmengründung um. "Allmen stellte sich eine Visitenkarte vor, Johann Friedrich von Allmen. Zwölf Punkt Times mit Kapitälchen. Darunter, zwei Punkt kleiner: International Inquiries. Sah gut aus."
Die Sprache ist gewohnt schlicht, adjektivarm mit kurzen Sätzen und ebensolchen Dialogen. Selten gestattet sich der Autor Lyrismen von der Sorte: "Die graue Suppe nieselte jetzt als kalter Wasserstaub auf die Stadt." Wie um sich vor Überambition zu schützen, spannt Suter mit einer Demutsgeste den literarischen Schutzschirm auf, unter den er Balzac, William Somerset Maugham und Elmore Leonard einreiht. Jedes seiner Bücher sei eine Hommage an eine andere Gattung, sagt der Autor, dieses Mal eben der Serienkrimi. Denn zwei weitere Bände sind schon fertig, "Allmen und der rosa Diamant" und "Allmen und die Delfinsuite". Schön altmodisch also; so könnte es à la Verlagskollege Simenon endlos weitergehen. Das nennt man nachhaltige Bewirtschaftung einer Autorenmarke.
Martin Suter, Superstar. Ein grundsympathischer Autor, der nach einer Laufbahn als Werbetexter, Kolumnist ("Business Class") und Romancier heute als Zweiundsechzigjähriger mit Wohnsitzen auf Ibiza und in Guatemala ganz oben ist. Unlängst kam die Verfilmung seines ersten Romans "Small World" mit Staraufgebot in die Kinos (F.A.Z. vom 16. Dezember). Dass er nach dem Schicksalsschlag des vorvergangenen Jahres, als er seinen Adoptivsohn durch einen Unfall verlor, nicht aufgegeben hat; dass er ein freundliches, sozial engagiertes Gutmenschen-Image glaubhaft verkörpert, prädestiniert ihn in den Augen mancher Anhänger für die Planstelle "Gewissen der Schweiz".
Suter ist aber offenkundig nicht geneigt, diese Rolle anzunehmen, die seit Adolf Muschgs Rückzug vakant ist. Konnte man bei "Der Koch" noch einen Hauch von Gesellschaftskritik ausmachen - ein tamilischer Einwanderer, der sein Glück in die Hand nimmt -, sind im Falle Allmens davon nur noch eine satirische Schwundstufe und das radikale Bekenntnis zur Unterhaltung geblieben. Martin Suter skizziert die Welt der Zürcher Oberschicht, zeigt Goldküstenexistenzen, die Wein für 1400 Franken die Flasche konsumieren, Gefangene in einer Welt des Reichtums oder eben nur Reichtumsdarsteller. In diesem Milieu kennt der Autor sich aus, diese Welt bewirtschaftet er fiktional seit Jahren erfolgreich. Ein Hochstapler als Stapelware: Auch wenn Suter die Arbeit diesmal allzu leicht von der Hand gegangen ist, an der Ladenkasse wird sich sein Libellenhauch von einem Buch mit Sicherheit als erstes ökonomisches Schwergewicht des Jahres erweisen.
HANNES HINTERMEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Serienkrimi: Martin Suters neueste Erfolgsrakete
Sein Name ist Allmen, von Allmen. Mit Betonung auf dem von. Die Vornamen Hans Fritz hat er zu Johann Friedrich veredelt, im Stammcafé verkehrt er wegen seiner exorbitanten Trinkgelder unter dem Ehrentitel "Conte". Tatsächlich hat er ein Millionenerbe durchgebracht; das wenige Geld, über das er verfügt, investiert er in Kreditwürdigkeit anstatt in seinen Lebensunterhalt. Den Nachmittagsschlaf nennt er "Lebenschwänzen". Die väterliche Villa musste er verkaufen, mit seinem guatemaltekischen Butler Carlos logiert er im Gartenhaus. J. F. v. Allmen ist ein weltläufiger Gentleman von Anfang vierzig, der nicht recht weiß, wo er hinsoll mit seinem Leben.
Auf dem Buchmarkt ist seine Bestimmung klar. Von heute an soll er die Bestsellerliste stürmen, denn er ist schließlich der neue Serienheld des Schweizer Schriftstellers Martin Suter. Allein dessen letzter Roman "Der Koch" hat sich nach Angaben des Diogenes Verlags mehr als dreihunderttausend Mal verkauft. Aber im Vergleich zum Vorgänger ist der heute erscheinende Roman "Allmen und die Libellen" nur ein Appetithappen, mit 190 luftig bedruckten Seiten ein Piccolo in Spielfilmlänge. Am Ende hat sich nichts Großartiges ergeben, man hat sich abgelenkt, nicht unangenehm, aber keineswegs so, dass man sich nach der Fortsetzung verzehrte.
Da von Allmen etwas von Antiquitäten versteht, hat er sich auf Diebstahl verlegt; die Hehlerware verkauft er an einen Händler namens Jack Tanner. Dann fällt Allmen der reichen Tochter Joëlle Hirt in die lüsternen Arme. Missbraucht für einen One-Night-Stand, stößt er in der Villa am See auf ein Kabinett mit fünf Libellen-Schalen des legendären Jugendstil-Glaskünstlers Émile Gallé. Ein Millionenfund, den er sich zunutze machen will, um seiner chronischen Unterfinanzierung abzuhelfen. Er schafft es, eine Schale an Tanner zu verhökern, dann findet er den Händler erschossen in seinem Laden. Bald darauf wird er selbst Opfer eines Anschlags - und die Geschichte nimmt endlich die Ausfahrt ins Kriminalistische.
Als "süchtiger Leser" sucht Allmen nach Geheimnissen, also münzt er diese Leidenschaft am Ende, als ihm das gewonnene Gold schon wieder zwischen den Fingern zerronnen ist, in eine Firmengründung um. "Allmen stellte sich eine Visitenkarte vor, Johann Friedrich von Allmen. Zwölf Punkt Times mit Kapitälchen. Darunter, zwei Punkt kleiner: International Inquiries. Sah gut aus."
Die Sprache ist gewohnt schlicht, adjektivarm mit kurzen Sätzen und ebensolchen Dialogen. Selten gestattet sich der Autor Lyrismen von der Sorte: "Die graue Suppe nieselte jetzt als kalter Wasserstaub auf die Stadt." Wie um sich vor Überambition zu schützen, spannt Suter mit einer Demutsgeste den literarischen Schutzschirm auf, unter den er Balzac, William Somerset Maugham und Elmore Leonard einreiht. Jedes seiner Bücher sei eine Hommage an eine andere Gattung, sagt der Autor, dieses Mal eben der Serienkrimi. Denn zwei weitere Bände sind schon fertig, "Allmen und der rosa Diamant" und "Allmen und die Delfinsuite". Schön altmodisch also; so könnte es à la Verlagskollege Simenon endlos weitergehen. Das nennt man nachhaltige Bewirtschaftung einer Autorenmarke.
Martin Suter, Superstar. Ein grundsympathischer Autor, der nach einer Laufbahn als Werbetexter, Kolumnist ("Business Class") und Romancier heute als Zweiundsechzigjähriger mit Wohnsitzen auf Ibiza und in Guatemala ganz oben ist. Unlängst kam die Verfilmung seines ersten Romans "Small World" mit Staraufgebot in die Kinos (F.A.Z. vom 16. Dezember). Dass er nach dem Schicksalsschlag des vorvergangenen Jahres, als er seinen Adoptivsohn durch einen Unfall verlor, nicht aufgegeben hat; dass er ein freundliches, sozial engagiertes Gutmenschen-Image glaubhaft verkörpert, prädestiniert ihn in den Augen mancher Anhänger für die Planstelle "Gewissen der Schweiz".
Suter ist aber offenkundig nicht geneigt, diese Rolle anzunehmen, die seit Adolf Muschgs Rückzug vakant ist. Konnte man bei "Der Koch" noch einen Hauch von Gesellschaftskritik ausmachen - ein tamilischer Einwanderer, der sein Glück in die Hand nimmt -, sind im Falle Allmens davon nur noch eine satirische Schwundstufe und das radikale Bekenntnis zur Unterhaltung geblieben. Martin Suter skizziert die Welt der Zürcher Oberschicht, zeigt Goldküstenexistenzen, die Wein für 1400 Franken die Flasche konsumieren, Gefangene in einer Welt des Reichtums oder eben nur Reichtumsdarsteller. In diesem Milieu kennt der Autor sich aus, diese Welt bewirtschaftet er fiktional seit Jahren erfolgreich. Ein Hochstapler als Stapelware: Auch wenn Suter die Arbeit diesmal allzu leicht von der Hand gegangen ist, an der Ladenkasse wird sich sein Libellenhauch von einem Buch mit Sicherheit als erstes ökonomisches Schwergewicht des Jahres erweisen.
HANNES HINTERMEIER
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