Zwischen Politik und endlich-Leben-wollen
Weimar 1918: Klara träumt davon, wie vormals Herzogin Anna Amalia durch die Welt zu reisen, aber der Krieg ist erst seit kurzem vorbei und die Friedensvertragsverhandlungen stehen noch aus. „Das Wissen, dass es da draußen noch so viel mehr Welt gab, als
nur das kleine enge Weimar, hatte sie meistens trösten können.“ (S. 17)
Ihr Verlobter Fritz ist…mehrZwischen Politik und endlich-Leben-wollen
Weimar 1918: Klara träumt davon, wie vormals Herzogin Anna Amalia durch die Welt zu reisen, aber der Krieg ist erst seit kurzem vorbei und die Friedensvertragsverhandlungen stehen noch aus. „Das Wissen, dass es da draußen noch so viel mehr Welt gab, als nur das kleine enge Weimar, hatte sie meistens trösten können.“ (S. 17)
Ihr Verlobter Fritz ist Arzt in Berlin und hilft denen, die bei den Straßenkämpfen verletzt werden. Da er nicht sobald in das kleinbürgerliche Weimar zurückkehren wird, überredet sie ihn, sie mit nach Berlin zu nehmen. Dort erwartet sie im Haus seines Onkel ein leeres Zimmer mit einer muffigen Matratze – aber eben auch die große weite Welt und Frauen wie ihre neue Freundin Kiki, die ihr Leben selbst bestimmen. Als erstes kürzt Klara ihre Röcke und Haare, dann stürzt sie sich ins rauschende Nachleben und die Partys der goldenen 20er. Aber sie sieht auch täglich die andere Seite der Medaille: Kriegsversehrte, halbverhungerte Kinder, eine zerstörte Stadt.
Klaras große Chance kommt, als ihr die Ex-Frau von Fritz’ Onkel eine Stelle bei ihrer Zeitung anbietet: „Eigenes Geld, niemanden um Erlaubnis bitten müssen – vor allem keinen Mann! Mehr Freiheit kann es nicht geben!“ (S. 210) Endlich kann Klara schreiben und damit vielleicht sogar etwas bewegen, davon hat sie ebenfalls schon immer geträumt. Durch ihre Arbeit wird sie sich bewusst, wie sehr sich Fritz und sie verändert haben, wie gern sie unabhängig ist. Sie kann es sich nicht mehr vorstellen, in Weimar die brave Arztgattin, Ehefrau und Mutter zu spielen. Er ist nicht mehr der Richtige für sie, trotzdem geht sie nach der Niederschlagung des Spartakusaufstandes mit ihm zurück. Als „Entschädigung“ versorgt er ihr Karten für die Nationalversammlung, so kann sie die politischen Umwälzungen vor Ort verfolgen.
Joan Weng schreibt in „Amalientöchter“ über die wenigen Monate zwischen Kriegsende und dem Beginn der Versailler Vertragsverhandlungen. Auf einmal scheint alles möglich zu sein, schließlich dürfen Frauen endlich wählen.
Nach dem biederen, kaisertreuen Weimar ist Berlin DAS große Abenteuer für Klara. Endlich ist sie dort, wo Geschichte geschrieben wird und kann dabei mitwirken. Sie emanzipiert sich und träumt von einem freien Leben z.B. als Reisejournalistin, will Frauen helfen, ihren eigenen Weg zu finden. Fritz, der bisher ähnlich dachte, ändert nach der Niederschlagung des Spartakusaufstands plötzlich seine Pläne. Er geht zurück nach Weimar, übernimmt die Praxis seines Vaters und erwartet, dass sie heiraten und schnell eine Familie gründen. Dass Klara längst über diese kleinbürgerlichen Vorstellungen hinausgewachsen ist, bemerkt er nicht.
Die Autorin hat es geschafft, ein sehr lebendiges und vielfältiges Bild der damaligen Ereignisse zu zeigen, die neu erwachte Sehnsucht nach Leben und Vergnügen, aber auch die schrecklichen Ereignisse der Umbruchzeit. Geschickt flicht sie historische Persönlichkeiten wie Anita Berber, Otto Dix, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in die Handlung ein. Leider ist ihr der Spagat zwischen politischem Geschehen und Klaras (Liebes-)Geschichte nicht ganz gelungen, gerade die Episoden mit Max kamen mir leider etwas zu kurz.
Fazit: Spannender Roman über eine aufregende, gefährliche Zeit und die Emanzipation einer jungen Frau.