Das kleine Häuschen auf dem Land war ein echter Glücksfall, Friedel ist schwanger und Jakob hat endlich die nötige Ruhe, um an seinem zweiten Roman zu schreiben. Alles scheint perfekt. Nachdem Jakob jedoch eines Nachts von einem Tier angefallen und gebissen wird, gerät die Harmonie ins Wanken. Die Arbeit an seinem Buch verwirft er, sie passt ohnehin nicht zu seinen neu auftretenden, irritierenden Tagträumen. Viel interessanter scheinen ihm plötzlich die Sagen aus der Umgebung. Was hat es etwa mit der Geschichte von den behaarten Dorfbewohnern und dem sprechenden Pferdekopf auf sich? Jakob verstrickt sich in seine Recherchen, und Schritt für Schritt entpuppt sich die vermeintliche Landidylle als handfester Albtraum. Es beginnt ein grotesker Konkurrenzkampf, der nicht gut ausgehen kann. Vom Verfolgungswahn getrieben, verliert Goljadkin mehr und mehr den Sinn für die Realität. In der Urfassung des Romans ist Dostojewski in all seiner Komik, Komplexität und sprachlichen Rafinesse neu zu entdecken.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Naja: Rezensent Kevin Hanschke zeigt sich wenig begeistert von Lola Randls Geschichte eines Paares, die von Berlin nach Brandenburg aufs Land ziehen. Ein bisschen naiv scheinen dem Rezensenten Jakob und Friedel mit ihrer Idee, die Kinder auf dem Dorf aufwachsen lassen zu wollen. Auch dieses Dorf sei voller Klischees gezeichnet: Alle hassen die "Scheißwessis." Das ist für Hanschke schnell ermüdend. Spannend findet er zwar die archaisch-literarischen Elemente um den Werwolf als "Monster im Mann", das sich auch psychoanalytisch lesen lasse, aber auch das kann in seinen Augen den "seichten Höllentrip" nicht mehr retten.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2022Seltsame Wessis
Lola Randl sucht das Landhorrorklischee
Die Uckermark boomt, das Leben dort wird für viele Großstädter zum Traum. Nicht Altbau, sondern Obstgarten und Scheunenromantik, nicht Kiezleben, sondern dörfliche Gemeinschaft, meist in Ostdeutschland, um die eigenen Ziele vom nachhaltigen Leben in der Provinz zu verwirklichen - das sind die Sehnsüchte des ökologisch agierenden Stadtbewohners. Auch viele Autoren haben das für sich entdeckt: Juli Zeh, Karen Duve und nun Lola Randl, die in ihrem Roman "Angsttier" von den Abgründen der urbanen Landträume erzählt.
Dabei ist die Geschichte des kleinen Buches schnell erzählt und ein wenig klischeehaft: Die romantische und falsche Vorstellung vom Landleben, der zwei Mittdreißiger aus Berlin-Mitte anhängen, führt dazu, dass sie ein heruntergewirtschaftetes Haus in der brandenburgischen Einöde erwerben. Beide sind aus Westdeutschland, und eine Protagonistin ist auch noch Spross wohlhabender Eltern. Die 1980 in München geborene Lola Randl lebt selbst auf dem Land in Brandenburg und verwertet diese Erfahrungen in ihren Werken, so auch schon im Roman "Der Große Garten", mit dem sie für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert war.
In das persönliche Landhaus-Biedermeier führt sie den erfolglosen Schriftsteller Jakob, der in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist. Er ist ein Träumer, der vom Durchbruch als Romancier spricht, aber außer einer tausendseitigen Materialsammlung bisher wenig bewerkstelligt hat. Friedel, seine Freundin, ist das genaue Gegenteil. Sie stammt aus einer bildungsbürgerlichen süddeutschen Familie, "erstellt PDFs, um Gelder von Kommunen und Bauträgern zu erhalten", und "arbeitet eigentlich immer an Projekten".
Auf den ersten Seiten beschreibt Randl mit bitterbösem Unterton die Naivität und Leere in beiden Lebensentwürfen, den Wunsch nach einem zeitgemäßen Leben auf dem Land, wo die Kinder "in Ruhe" groß werden sollen, aber auch die harte Konfrontation mit den Einheimischen, insbesondere den Nachbarn. Dazu kommt, dass es in diesem Dorf nicht mit rechten Dingen zugeht: wenn beispielsweise auf der Speisekarte der Kneipe eine Sage von "behaarten Menschen" abgedruckt ist, die mal in der Gegend gelebt haben sollen und ein totes Pferd als Orakel befragten.
Direkt neben dem überteuerten Haus lebt eine Familie, die es mit Ordnung, Sauberkeit und dem jovialen Mitte-Habitus der Neuankömmlinge nicht so hat. Aber im ganzen Dorf wird über die Neuankömmlinge hergezogen, ob beim Stammtisch, beim Friseur oder auf dem Sportplatz. Leider sind beide Hauptfiguren so grün hinter den Ohren, dass sie das zunächst nicht mitbekommen. Randl zeichnet Jakob und Friedel als skurrile Karikaturen: er ein Feigling, der sich vom Schwiegervater, aber auch den Einheimischen herumkommandieren lässt, eine klassische "Lame Duck", die Randl den "authentischen" und "männlichen" Landbewohnern gegenüberstellt. Die sind unabhängig und frei, was auch Friedel schnell begeistert.
Das Buch mündet in ein Spiel mit Versatzstücken aus Sagen, Legenden und Horrorgeschichten. Randl lässt immer wieder bekannte literarische und archetypische Symbole anklingen: für Werwölfe, den Mann im Wald, das Monster in der Dunkelheit, Vampire und mystische Wesen. Am Ende transformiert sich Jakob zu einem Waldwesen. Der Wolf, den es in Brandenburg tatsächlich gibt, steckt hier im Manne selbst.
Ist das die Flucht aus dem (Alb-)Traum der Familie mit Kindern auf dem Land? Diese Frage beantwortet Randl leider nicht. Der Roman verharrt in Beschreibungen und magisch-realistischen Szenen. Und oft bedient die Autorin Klischees: "Scheißwessis", sagt die ostdeutsche Nachbarin Ramona, "denkt, ihr könnt alles kaufen. Denkt wohl, ihr seid was Besseres." Doch auf solche Sätze folgen dann wieder fast psychoanalytische Reisen durch Jakobs Kopf - und der Teufel steht wieder auf dem Platz. So ist das Buch vor allem ein recht seichter Höllentrip durchs tiefe Brandenburg, wobei am Ende die Frage übrig bleibt, ob wir vielleicht alle so ein Angsttier in uns haben? KEVIN HANSCHKE
Lola Randl: "Angsttier". Roman.
Matthes & Seitz, Berlin 2022. 174 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lola Randl sucht das Landhorrorklischee
Die Uckermark boomt, das Leben dort wird für viele Großstädter zum Traum. Nicht Altbau, sondern Obstgarten und Scheunenromantik, nicht Kiezleben, sondern dörfliche Gemeinschaft, meist in Ostdeutschland, um die eigenen Ziele vom nachhaltigen Leben in der Provinz zu verwirklichen - das sind die Sehnsüchte des ökologisch agierenden Stadtbewohners. Auch viele Autoren haben das für sich entdeckt: Juli Zeh, Karen Duve und nun Lola Randl, die in ihrem Roman "Angsttier" von den Abgründen der urbanen Landträume erzählt.
Dabei ist die Geschichte des kleinen Buches schnell erzählt und ein wenig klischeehaft: Die romantische und falsche Vorstellung vom Landleben, der zwei Mittdreißiger aus Berlin-Mitte anhängen, führt dazu, dass sie ein heruntergewirtschaftetes Haus in der brandenburgischen Einöde erwerben. Beide sind aus Westdeutschland, und eine Protagonistin ist auch noch Spross wohlhabender Eltern. Die 1980 in München geborene Lola Randl lebt selbst auf dem Land in Brandenburg und verwertet diese Erfahrungen in ihren Werken, so auch schon im Roman "Der Große Garten", mit dem sie für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert war.
In das persönliche Landhaus-Biedermeier führt sie den erfolglosen Schriftsteller Jakob, der in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist. Er ist ein Träumer, der vom Durchbruch als Romancier spricht, aber außer einer tausendseitigen Materialsammlung bisher wenig bewerkstelligt hat. Friedel, seine Freundin, ist das genaue Gegenteil. Sie stammt aus einer bildungsbürgerlichen süddeutschen Familie, "erstellt PDFs, um Gelder von Kommunen und Bauträgern zu erhalten", und "arbeitet eigentlich immer an Projekten".
Auf den ersten Seiten beschreibt Randl mit bitterbösem Unterton die Naivität und Leere in beiden Lebensentwürfen, den Wunsch nach einem zeitgemäßen Leben auf dem Land, wo die Kinder "in Ruhe" groß werden sollen, aber auch die harte Konfrontation mit den Einheimischen, insbesondere den Nachbarn. Dazu kommt, dass es in diesem Dorf nicht mit rechten Dingen zugeht: wenn beispielsweise auf der Speisekarte der Kneipe eine Sage von "behaarten Menschen" abgedruckt ist, die mal in der Gegend gelebt haben sollen und ein totes Pferd als Orakel befragten.
Direkt neben dem überteuerten Haus lebt eine Familie, die es mit Ordnung, Sauberkeit und dem jovialen Mitte-Habitus der Neuankömmlinge nicht so hat. Aber im ganzen Dorf wird über die Neuankömmlinge hergezogen, ob beim Stammtisch, beim Friseur oder auf dem Sportplatz. Leider sind beide Hauptfiguren so grün hinter den Ohren, dass sie das zunächst nicht mitbekommen. Randl zeichnet Jakob und Friedel als skurrile Karikaturen: er ein Feigling, der sich vom Schwiegervater, aber auch den Einheimischen herumkommandieren lässt, eine klassische "Lame Duck", die Randl den "authentischen" und "männlichen" Landbewohnern gegenüberstellt. Die sind unabhängig und frei, was auch Friedel schnell begeistert.
Das Buch mündet in ein Spiel mit Versatzstücken aus Sagen, Legenden und Horrorgeschichten. Randl lässt immer wieder bekannte literarische und archetypische Symbole anklingen: für Werwölfe, den Mann im Wald, das Monster in der Dunkelheit, Vampire und mystische Wesen. Am Ende transformiert sich Jakob zu einem Waldwesen. Der Wolf, den es in Brandenburg tatsächlich gibt, steckt hier im Manne selbst.
Ist das die Flucht aus dem (Alb-)Traum der Familie mit Kindern auf dem Land? Diese Frage beantwortet Randl leider nicht. Der Roman verharrt in Beschreibungen und magisch-realistischen Szenen. Und oft bedient die Autorin Klischees: "Scheißwessis", sagt die ostdeutsche Nachbarin Ramona, "denkt, ihr könnt alles kaufen. Denkt wohl, ihr seid was Besseres." Doch auf solche Sätze folgen dann wieder fast psychoanalytische Reisen durch Jakobs Kopf - und der Teufel steht wieder auf dem Platz. So ist das Buch vor allem ein recht seichter Höllentrip durchs tiefe Brandenburg, wobei am Ende die Frage übrig bleibt, ob wir vielleicht alle so ein Angsttier in uns haben? KEVIN HANSCHKE
Lola Randl: "Angsttier". Roman.
Matthes & Seitz, Berlin 2022. 174 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main