1996 musste Anja Rützel zwei Mal bitterlich weinen: um ihr eingestelltes Lieblingsmagazin Tempo - und um ihre aufgelöste Lieblingsband Take That. Aus ihren Liedern hatte sie alles gelernt, was man über das Suchen und Erfinden der Liebe wissen muss. Aus der Trennung und der glücklichen Wiedervereinigung lernte sie dann alles über Hass und Versöhnung. Und über würdevoll cooles Erwachsenwerden im Pop und anderswo.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2020Ohne doppelten Distinktionsboden
Die Journalistin Anja Rützel liebt Take That - und hat darüber ein wunderbares Buch geschrieben. Im Frankfurter Mousonturm stellt sie es vor.
Von Alexander Jürgs
Kollegenlob ist unter Journalisten, das muss man eingestehen, nicht gerade weit verbreitet. Lieber zerfetzen wir die Texte anderer, als dass wir den Hut ziehen. Bei Anja Rützel ist das ein bisschen anders. Die Autorin, die vor allem für "Der Spiegel" arbeitet, wird gerne und oft gelobt. Denn Rützel gelingt etwas Besonderes: Sie schreibt über das Populäre, den vermeintlichen Trash, ohne dass sie sich anbiedert, ohne ins Peinlich-Schwärmerische zu verfallen, aber auch niemals von oben herab. Wenn sie über Fernsehsendungen wie "Der Bachelor" oder das "Dschungelcamp" schreibt, dann stecken ihre Texte voller Humor, voller Fach- und auch Nerdwissen. Rützel ist es nie peinlich, wenn sie etwas mag, auf das man auch einfach als Snob herabschielen könnte. Nun hat die in Berlin lebende Journalistin ein charmantes, kurzes Buch über ihre Lieblingsband vorgelegt. Es ist Take That - und Rützel verehrt die Gruppe, die in den Neunzigern als gecastete Boyband zu einer globalen Karriere aufbrach, wirklich sehr.
Ohne "doppelten Distinktionsboden" sei diese Liebe, schreibt Rützel in ihrem Buch. "Nicht als Pose, nicht mit ironischem Schutzschürzchen oder aus pappig-leutseligem Wohlwollen ihrer scheinbaren Kunst gegenüber" schwärme sie für die Band, sondern ganz aufrichtig. Und teilt im nächsten Satz gegen die aus, denen es immer schon allzu wichtig war, als besonders cool zu gelten: "Gönnerhafte Popgoutierer, die nie etwas ernst nehmen, nie ihr Herz an offensichtlichen Quatsch verschenken können, sind die schlimmsten und ärmsten Menschen."
Am Mittwoch liest Rützel im Frankfurter Mousonturm aus dem Buch - und man kann vielleicht sogar darauf hoffen, dass sie bei ihrem Auftritt auch einige der "Choreos", also die haarklein geplanten und viel Fleisch offenbarenden Tanzdarbietungen bei Konzerten, für die die Boyband bekannt ist, aufführen wird. Denn dass sie sich manchmal in diesen Tanzschritten übt, das verrät die Autorin, der nichts peinlich ist, nämlich auch in ihrem Buch. Überhaupt wird es darin häufig persönlich. Zum Beispiel wenn Rützel darüber schreibt, wie der Besuch eines Take-That-Konzerts sie und ihre jüngere Schwester, mit der sie sich ernsthaft verkracht hatte, wieder zusammenbrachte. Das ist rührend, komisch, aus dem Leben.
Ein Fan der britischen Band muss man übrigens gar nicht sein, um an Rützels Buch Gefallen zu finden. Denn spannend und aufschlussreich ist das, was die Journalistin über die Leben, die Charaktere, die Auf und Abs von Robbie Williams, Gary Barlow, Howard Donald, Mark Owen und Jason Orange aufschreibt, auch für alle die, denen Stücke wie "Back for Good", "Rule the World" oder "The Flood" nicht sofort das Herz öffnen. Denn um was die Männer gewordenen Jungs von Take That bis heute kämpfen, Anerkennung, Liebe, Ruhm und so viel Spaß wie nur möglich, davon wollen wir ja alle etwas abbekommen. "Could it be magic?": Diese Frage haben Take That 1992 in einem ihrer schönsten Stücke gestellt. Und von dieser Magie erzählt Anja Rützel.
ANJA RÜTZEL
ÜBER TAKE THAT
29. Januar, 20 Uhr, Frankfurt, Mousonturm
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Journalistin Anja Rützel liebt Take That - und hat darüber ein wunderbares Buch geschrieben. Im Frankfurter Mousonturm stellt sie es vor.
Von Alexander Jürgs
Kollegenlob ist unter Journalisten, das muss man eingestehen, nicht gerade weit verbreitet. Lieber zerfetzen wir die Texte anderer, als dass wir den Hut ziehen. Bei Anja Rützel ist das ein bisschen anders. Die Autorin, die vor allem für "Der Spiegel" arbeitet, wird gerne und oft gelobt. Denn Rützel gelingt etwas Besonderes: Sie schreibt über das Populäre, den vermeintlichen Trash, ohne dass sie sich anbiedert, ohne ins Peinlich-Schwärmerische zu verfallen, aber auch niemals von oben herab. Wenn sie über Fernsehsendungen wie "Der Bachelor" oder das "Dschungelcamp" schreibt, dann stecken ihre Texte voller Humor, voller Fach- und auch Nerdwissen. Rützel ist es nie peinlich, wenn sie etwas mag, auf das man auch einfach als Snob herabschielen könnte. Nun hat die in Berlin lebende Journalistin ein charmantes, kurzes Buch über ihre Lieblingsband vorgelegt. Es ist Take That - und Rützel verehrt die Gruppe, die in den Neunzigern als gecastete Boyband zu einer globalen Karriere aufbrach, wirklich sehr.
Ohne "doppelten Distinktionsboden" sei diese Liebe, schreibt Rützel in ihrem Buch. "Nicht als Pose, nicht mit ironischem Schutzschürzchen oder aus pappig-leutseligem Wohlwollen ihrer scheinbaren Kunst gegenüber" schwärme sie für die Band, sondern ganz aufrichtig. Und teilt im nächsten Satz gegen die aus, denen es immer schon allzu wichtig war, als besonders cool zu gelten: "Gönnerhafte Popgoutierer, die nie etwas ernst nehmen, nie ihr Herz an offensichtlichen Quatsch verschenken können, sind die schlimmsten und ärmsten Menschen."
Am Mittwoch liest Rützel im Frankfurter Mousonturm aus dem Buch - und man kann vielleicht sogar darauf hoffen, dass sie bei ihrem Auftritt auch einige der "Choreos", also die haarklein geplanten und viel Fleisch offenbarenden Tanzdarbietungen bei Konzerten, für die die Boyband bekannt ist, aufführen wird. Denn dass sie sich manchmal in diesen Tanzschritten übt, das verrät die Autorin, der nichts peinlich ist, nämlich auch in ihrem Buch. Überhaupt wird es darin häufig persönlich. Zum Beispiel wenn Rützel darüber schreibt, wie der Besuch eines Take-That-Konzerts sie und ihre jüngere Schwester, mit der sie sich ernsthaft verkracht hatte, wieder zusammenbrachte. Das ist rührend, komisch, aus dem Leben.
Ein Fan der britischen Band muss man übrigens gar nicht sein, um an Rützels Buch Gefallen zu finden. Denn spannend und aufschlussreich ist das, was die Journalistin über die Leben, die Charaktere, die Auf und Abs von Robbie Williams, Gary Barlow, Howard Donald, Mark Owen und Jason Orange aufschreibt, auch für alle die, denen Stücke wie "Back for Good", "Rule the World" oder "The Flood" nicht sofort das Herz öffnen. Denn um was die Männer gewordenen Jungs von Take That bis heute kämpfen, Anerkennung, Liebe, Ruhm und so viel Spaß wie nur möglich, davon wollen wir ja alle etwas abbekommen. "Could it be magic?": Diese Frage haben Take That 1992 in einem ihrer schönsten Stücke gestellt. Und von dieser Magie erzählt Anja Rützel.
ANJA RÜTZEL
ÜBER TAKE THAT
29. Januar, 20 Uhr, Frankfurt, Mousonturm
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Anja Rützel schreibt wie der liebe Gott nach einer Flasche Eierlikör und was besseres hätte Gary, Mark und co. gar nicht passieren können.« Christian Bos Kölner Stadt-Anzeiger 20191011