»But I was so much older then, I'm younger than that now.« (Bob Dylan). Robert Beck wollte einst Musiker werden, doch stattdessen setzte er auf Sicherheit und wurde Lehrer. Nun ist er Ende dreißig und angeödet von seinem Leben. Bis er in seiner Klasse den Außenseiter Rauli Kantas aus Litauen entdeckt. Ein Musikgenie, das singt und E-Gitarre spielt wie ein junger Gott. Beck will ihn als Manager groß ausbringen, allerdings nicht nur aus Selbstlosigkeit: Der Junge ist gleichzeitig seine letzte Chance, um sich seine Träume von der Musikkarriere doch noch zu erfüllen. Aber wie Beck hat auch der rätselhafte Rauli seine Geheimnisse… Der Beginn eines Sommers, in dem noch einmal alles möglich scheint – und alles auf dem Spiel steht. Denn die Suche nach einem Label gestaltet sich für Beck schwieriger als gedacht, seine Beziehung zur Studentin Lara hängt am seidenen Faden, und sein bester Freund, der Deutschafrikaner Charlie, zieht den Ärger magisch an. Alle Figuren sind auf einem langen Weg zu sich selbst, und sie werden ankommen – wenn auch nicht immer da, wo man es erwartet. Denn am Ende muss Beck sich entscheiden, wie viel er für seine Freiheit wirklich zu opfern bereit ist. Becks letzter Sommer ist Künstlerroman, Roadmovie und eine universelle Geschichte über die Musik, die Liebe und das Leben. Schräg, witzig, weise und berührend.
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buecher-magazin.deDas Hamsterrad des Lehrerlebens rollt kräftig. Beck, Musiklehrer und Single Ende 30, hangelt sich von einer nervenden Klasse zur nächsten Zigarettenpause, nur unterbrochen von gelegentlichen erotischen Fantasien mit der Schulschönheit. Vor allem aber zehrt die Vergangenheit mit den Erinnerungen an die kurze Zeit als erfolgreicher Musiker an ihm. Der drohenden Midlife-Crisis kommt jedoch ein hochtalentierter Schüler zuvor, der Beck scheinbar eine letzte Chance auf Selbstverwirklichung und Lebensglück bietet. Benedict Wells' Debütroman aus dem Jahr 2008 nimmt den Hörer auf eine kurzweilige Sehnsuchtsreise mit, die durch Herzen, Ohren und quer durch Europa führt. Becks Verwirrung ist witzig und voller Sehnsucht. Christian Ulmen (der in der aktuellen Romanverfilmung von Frieder Wittich die Titelrolle spielt) verfügt zwar nicht über eine sonderlich große Sprecherklaviatur, sein gewohnt schnoddriger Vortrag sitzt Beck aber wie ein lockerer, über dem Bäuchlein gezurrter, Gitarrengurt: bequem und ohne zu große Spannung. Und ist somit ziemlich passend. Kleiner Dämpfer: das magere Booklet, das thematisch Raum für vieles geboten hätte.
© BÜCHERmagazin, Dirk Speckmann (ds)
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»Ein Ausnahmetalent in der jungen deutschen Literatur.« Claudio Armbruster / ZDF ZDF
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2009Götterspeise als Hauptgang
Benedict Wells rast genialisch über den Balkan
Robert Beck ist Ende dreißig, als kauziger Alleinstehender mit Bauch und Unfrisur von wallanderscher Erscheinung, aber ohne das idealistische Berufsethos des verbissenen Kommissars: Beck ist als Lehrer eine Null; er ist einer, der sich in Momenten der Desillusionierung daran erinnert, nie Illusionen gehabt zu haben.
Der junge Münchner Autor Benedict Wells lässt die Titelfigur seines nun auch als Taschenbuch erschienenen Debütromans ein noch ausreichendes, tendenziell aber mangelhaftes Dasein führen. Doch plötzlich hat dieser Beck, der nicht mehr an ein aufregendes Leben geglaubt hat, eine Epiphanie in Gestalt des jungen Litauers Rauli, eines mit Unauffälligkeit gestraften Siebzehnjährigern, der Gitarre spielen und singen kann wie ein junger Gott. Der verhinderte Rockstar Beck entdeckt dieses Ausnahmetalent, will ihm Gottvater sein und muss sich doch mit der Rolle des Jüngers abfinden. Denn sosehr sich Beck auch müht und Geld und Leidenschaft investiert, er wird eine Fußnote bleiben in Raulis Karriere. Einen Sommer lang aber darf Beck träumen.
Neben Rauli gibt es nur wenige Menschen in Becks Leben. Da wären die verführerische, aber unerreichbare Schülerin Anna Lind, die geliebte, aber in die Ferne schweifende Kellnerin Lara, sein bester Freund, der wahnsinnige Deutschafrikaner Charlie, und der weise, aber verhasste Bob Dylan. Gesprengt wird die Konstellation, als Charlie aus der Klapsmühle ausbricht und Beck drängt, ihn nach Istanbul, zu seiner Mutter, zu bringen. Rauli will auch mit, und so wird aus einem Münchner Midlife-Crisis-Schwank ein südeuropäisches Gangster-Roadmovie.
Schulhofschnuten weichen abgeklärten Nutten, Rangeleien Schießereien und Todesahnungen dem wirklichen Sterben. Mit zunehmender Rasanz verläuft sich aber leider auch der Autor als Figur immer öfter in die Geschichte ("Beck und ich, Teil 6"), die diesen Eingriff gar nicht nötig hätte. Die Wendung zum Roadmovie ist einer Phobie des Autors geschuldet: Wells kennt die beschriebene Strecke, sein Fernweh trieb ihn einst in die Türkei, seine Flugangst zuvor ins Auto. Wells erzählt aber nicht wie ein naiver Rucksacktourist, der lieber ein Buch statt eines Blogs schreibt, sondern beängstigend routiniert, mit Witz und Verve, mit beiden Beinen fest im pathosfreien Jetzt, das in diesem Fall das Ende der Neunziger ist.
Robert Beck erinnert stark an den Englischprofessor Grady Tripp aus Michael Chabons "Wonder Boys", vom Neid des Lehrers auf ein junges, stets schwindelndes Genie über das Laster des Kiffens bis hin zu dem Schlamassel, auf den der Protagonist in einem kaputten Auto zurast. Wells' Geschichte verläuft furios, aber in bekannten Bahnen: Highway revisited. Wie die beste Melodie, die Rauli in diesem Sommer spielt, die keine umwerfend neue, nie gehörte ist - "auch Beck fragte sich, woher er diesen Song kannte" -, sondern ein eingängiges Lied, dem es an Originalität, aber nicht an Qualität fehlt, so ist auch der Roman mitreißend, aber alles andere als eine Neuerfindung des Genres.
Doch möchte man auch dann noch weiterlesen, wenn der Geschichte am Ende die Puste ausgeht. Ein genialer Schnaufer wird doch noch kommen, denkt man sich, allerdings vergeblich. Die B-Seite - so heißt der zweite Teil des Buches in Wells' Vinylsprache - ist eben nur eine B-Seite. Die Musikpresse würde schreiben: Eine schwache B-Seite Raulis ist aber immer noch besser als die beste A-Seite eines ordentlichen Musikers wie Beck. Also demnächst ein bisschen mehr Genie bitte.
MARTIN WITTMANN
Benedict Wells: "Becks letzter Sommer". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2009. 464 S., br., 10,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Benedict Wells rast genialisch über den Balkan
Robert Beck ist Ende dreißig, als kauziger Alleinstehender mit Bauch und Unfrisur von wallanderscher Erscheinung, aber ohne das idealistische Berufsethos des verbissenen Kommissars: Beck ist als Lehrer eine Null; er ist einer, der sich in Momenten der Desillusionierung daran erinnert, nie Illusionen gehabt zu haben.
Der junge Münchner Autor Benedict Wells lässt die Titelfigur seines nun auch als Taschenbuch erschienenen Debütromans ein noch ausreichendes, tendenziell aber mangelhaftes Dasein führen. Doch plötzlich hat dieser Beck, der nicht mehr an ein aufregendes Leben geglaubt hat, eine Epiphanie in Gestalt des jungen Litauers Rauli, eines mit Unauffälligkeit gestraften Siebzehnjährigern, der Gitarre spielen und singen kann wie ein junger Gott. Der verhinderte Rockstar Beck entdeckt dieses Ausnahmetalent, will ihm Gottvater sein und muss sich doch mit der Rolle des Jüngers abfinden. Denn sosehr sich Beck auch müht und Geld und Leidenschaft investiert, er wird eine Fußnote bleiben in Raulis Karriere. Einen Sommer lang aber darf Beck träumen.
Neben Rauli gibt es nur wenige Menschen in Becks Leben. Da wären die verführerische, aber unerreichbare Schülerin Anna Lind, die geliebte, aber in die Ferne schweifende Kellnerin Lara, sein bester Freund, der wahnsinnige Deutschafrikaner Charlie, und der weise, aber verhasste Bob Dylan. Gesprengt wird die Konstellation, als Charlie aus der Klapsmühle ausbricht und Beck drängt, ihn nach Istanbul, zu seiner Mutter, zu bringen. Rauli will auch mit, und so wird aus einem Münchner Midlife-Crisis-Schwank ein südeuropäisches Gangster-Roadmovie.
Schulhofschnuten weichen abgeklärten Nutten, Rangeleien Schießereien und Todesahnungen dem wirklichen Sterben. Mit zunehmender Rasanz verläuft sich aber leider auch der Autor als Figur immer öfter in die Geschichte ("Beck und ich, Teil 6"), die diesen Eingriff gar nicht nötig hätte. Die Wendung zum Roadmovie ist einer Phobie des Autors geschuldet: Wells kennt die beschriebene Strecke, sein Fernweh trieb ihn einst in die Türkei, seine Flugangst zuvor ins Auto. Wells erzählt aber nicht wie ein naiver Rucksacktourist, der lieber ein Buch statt eines Blogs schreibt, sondern beängstigend routiniert, mit Witz und Verve, mit beiden Beinen fest im pathosfreien Jetzt, das in diesem Fall das Ende der Neunziger ist.
Robert Beck erinnert stark an den Englischprofessor Grady Tripp aus Michael Chabons "Wonder Boys", vom Neid des Lehrers auf ein junges, stets schwindelndes Genie über das Laster des Kiffens bis hin zu dem Schlamassel, auf den der Protagonist in einem kaputten Auto zurast. Wells' Geschichte verläuft furios, aber in bekannten Bahnen: Highway revisited. Wie die beste Melodie, die Rauli in diesem Sommer spielt, die keine umwerfend neue, nie gehörte ist - "auch Beck fragte sich, woher er diesen Song kannte" -, sondern ein eingängiges Lied, dem es an Originalität, aber nicht an Qualität fehlt, so ist auch der Roman mitreißend, aber alles andere als eine Neuerfindung des Genres.
Doch möchte man auch dann noch weiterlesen, wenn der Geschichte am Ende die Puste ausgeht. Ein genialer Schnaufer wird doch noch kommen, denkt man sich, allerdings vergeblich. Die B-Seite - so heißt der zweite Teil des Buches in Wells' Vinylsprache - ist eben nur eine B-Seite. Die Musikpresse würde schreiben: Eine schwache B-Seite Raulis ist aber immer noch besser als die beste A-Seite eines ordentlichen Musikers wie Beck. Also demnächst ein bisschen mehr Genie bitte.
MARTIN WITTMANN
Benedict Wells: "Becks letzter Sommer". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2009. 464 S., br., 10,90 [Euro].
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