Katastrophen-Gen mit Lokal-Kolorit
In ihrem ersten Roman verspeiste sie „Laugenweckle zum Frühstück“, jetzt bittet Elisabeth Kabatek zum „Brezeltango“: Wären die Irrungen und Wirrungen um die Protagonistin nicht wieder so unterhaltsam und witzig, man wünschte Pipeline Praetorius mitleidig einen
guten Therapeuten, weitsichtige Eltern oder wenigstens einen liebevollen Gatten. Statt dessen…mehrKatastrophen-Gen mit Lokal-Kolorit
In ihrem ersten Roman verspeiste sie „Laugenweckle zum Frühstück“, jetzt bittet Elisabeth Kabatek zum „Brezeltango“: Wären die Irrungen und Wirrungen um die Protagonistin nicht wieder so unterhaltsam und witzig, man wünschte Pipeline Praetorius mitleidig einen guten Therapeuten, weitsichtige Eltern oder wenigstens einen liebevollen Gatten. Statt dessen stolpert die leicht spät pubertäre und lebens-ziellose 32-Jährige auch in der Fortsetzung der Komödie von einem Alltags-Kataströphchen zum anderen – egal ob im heimischen Stuttgart oder während eines Kurztrips nach Hamburg: Lines „Katastrophen-Gen“ sorgt immer wieder für handfesten emotionalen Wirbel und spontane Lacher beim Leser. Ja, Line will „wild und gefährlich leben“, doch bei aller Turbulenz rumort latent und stets der Wunsch, endlich mal anzukommen. Aber wo? Das Reihenhaus im schwäbischen Schwieberdingen soll es auf keinen Fall sein und das Thema Kinder arbeitet Line lieber mit ihrer Nichte ab, statt selbst welche zu bekommen. Deshalb ist Lines augenblicklicher Lebenspartner Leon für die nötige Portion Geborgenheit zuständig. Doch der ist halt auch nur ein Mann und Beziehungstipps von Lines urschwäbischer, methodistischer Tante Dorle fruchten - wie zu vermuten ist - herzlich wenig. Line ist und bleibt bis zum Ende des Buches ein hoffnungsloser Fall für alle, die gerne Strickmuster oder Rezepte tauschen, Bau sparen und zur Tupper-Party laden. Nein, lieber mutiert die unschwäbische Stuttgarterin zur Muse eines angesagten Künstlers, agiert als Guerilla-Gärtnerin oder landet unschuldig im Knast. Aber seien wir mal ehrlich: Traditionelle Gender-Rollen und Acht-Stunden-Jobs haben ja wirklich langsam ausgedient – was Lebensentwürfe und Charakter-Bildung aber erst mal nicht unbedingt leichter macht. So gesehen ist Line ein typisches Kind ihrer Zeit und ihre Permanent-Krise dabei so unterhaltsam, dass sich vor allem Leserinnen gerne auf die außergewöhnlich intensive Identitäts-Suche einlassen. Ob Line darüber hinaus als echte Heroine fürs die nächsten Jahre taugt, klärt einzig und allein die Frage, ob man seinen Weg tatsächlich als Ziel sieht. Fest steht: Zwar gelten zweite Werke nach einem großen Erfolg immer als besonders schwierig, doch für Line lauern die Anachronismen wohl eher im dritten Band. Um wirklich interessant zu bleiben, würde Line die Wandlung von der zufälligen Trendsetterin zur echten Charakter-Pionierin gut tun – zumindest am Ende der Line-Saga wäre es beruhigend zu wissen, dass die Chaos-Queen zur bewusst-kreativen Schöpferin ihrer eigenen Welt gereift ist. Doch auch ohne therapeutischen Anspruch haben die Katastrophen-Geschichten aus Schwaben die besten Chancen, als erfrischend rasante Mini-Serie auf ARD oder ZDF gefeiert zu werden. Mich interessiert jetzt schon, ob Line dann schwäbisch oder hochdeutsch sprechen tät.