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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Dita Zipfels dramatisches Kinderbuch "Brummps"
Klar kennen wir den mit dem Vogel und dem Fisch! Sagt der eine zum anderen: "Wie fliegst du denn mit diesen komischen Flügeln?" Das Problem für Jonny ist nicht, dass er diesen Witz nicht kennt, dass er sowieso gerade noch ein bisschen schwerer von Begriff ist als ohnehin. Sondern, dass er ihn einfach nicht versteht, als ihn Maggie, die Mistkäferdame, zu der er sich so seltsam hingezogen fühlt, erzählt. Dabei ist es Jonnys Geschichte: Die Leser von Dita Zipfels, von Bea Davies hinreißend illustriertem und gestaltetem Kinderbuch "Brummps - Sie nannten ihn Ameise" haben schon ganz zu Anfang gesteckt bekommen, was Maggie ihm kurz vor Ende, hundert Seiten später, klarzumachen versucht. Jonny ist keine Ameise, auch wenn niemand Geringeres als die Ameisenkönigin selbst, Queen Mama, ihn - "es ist eine von uns!" - in ihrer Unfehlbarkeit als eine der ihren anerkannt hat, als er als frisch geschlüpfter Mistkäfer einer Amsel wieder aus dem Schnabel direkt vor den Ameisenhügel Drei gerummst ist.
Als Ameise ist Jonny eine ziemliche Niete: Viel zu dick für den Bau, wird er in eine Mulde außerhalb abgeschoben, taugt mit seiner Unbeholfenheit nicht für die Baustelle und kann die Schwestern nicht auseinanderhalten. Die anderen wissen so recht nichts mit ihm anzufangen. Cheffe und die Bossis, halbstarke Tunichtgute in Hügel Drei, mobben ihn. Nur die kleine Butz, selbst aus einem anderen Bau herübergespült, steht zu ihm, denkt sich fast so viele aufmunternde Sprüche aus, wie sie Regeln zum Überleben aufgestellt hat, schläft nachts mit in der Mulde, klamüsert tagsüber in entspannter Rückenlage ein Business nach dem anderen für die beiden aus und riskiert schließlich erst ihre Gesundheit und dann ihr Leben für den Freund.
Doch bevor es so weit kommt, muss Jonny erst einmal gelegentlich ein Brummen in sich spüren, das nichts Gutes bedeuten kann und einmal sogar eine kleine Ameise, die auf seinem Rücken reitet, zu Fall bringt. Woraufhin sich Jonny bei Doc Schwester, der Ameise mit dem weißen Kittel, in Behandlung begeben will. Wovon allerdings Cheffe und die Bossis Wind bekommen. Was Cheffe auf die Idee bringt, sich wirklich nur sehr unzureichend verkleidet als die Medizinameise auszugeben. Worauf Jonny allerdings, gutgläubig, wie er ist, hereinfällt. Diagnose: Brummps. Eine "bakterioviralomatische Impfektion", hochansteckend, gegen die es kein "Mikidament" gibt. Ab in die Mulde, Jonny, und - ganz wichtig - mit niemandem drüber reden.
Jonny ist ausreichend beeindruckt, um das mit der Isolation zumindest zu versuchen, aber nicht diszipliniert genug, um sich Butz gegenüber nicht zu verplappern. Also heißt es: dann eben zu zweit ab in die Wildnis, deren großes, offenes Maul hinter der Anhöhe lauert und alles verschlingt, was ihm zu nahe kommt.
In so einer Wildnis haben schon ganz andere ihr wahres Ich gefunden, und auch Jonny macht ein paar ordentliche Schritte in diese Richtung, es wird unterirdisch und romantisch und gefährlich, Jonny bekommt eine Ahnung, wohin er gehört, hat aber vorher noch etwas zu erledigen, einen Kampf, einen Freundschaftsdienst, und wie das alles ausgeht, wird zum Glück nicht erzählt. Wie es weitergeht, wird bestimmt im Kopf der vielleicht sechs, sieben Jahre alten Leser weitererzählt, denn diese Geschichte lässt niemanden kalt und kaum jemanden so schnell wieder los. Wobei: Leser.
Auch wer sich im Erstlesealter mit einer Entschlossenheit an dieses Buch macht, das der von Jonny auf dem Weg in die Wildnis nicht nachsteht, wird an Wörtern wie "Luftaustauschmikroperistaltik" oder "bakterioviralomatische Impfektion" zu knapsen haben. Und überhaupt: Das ist ein Buch zum Vorlesen. Das Beste an "Brummps" ist nämlich nicht die schräge Geschichte, sind nicht Butz und Jonny und Cheffe, die entzückend hingeworfenen Figuren, nicht die Slapstick-Momente und Dialoge, ist nicht der Erzähler, der sich - "ich bin alles hier, der ganze Wald" - immer wieder direkt an sein Publikum wendet. Es ist der Sound des Buchs.
Mühelos und mitreißend wechselt Dita Zipfel von ergreifenden zu verquatschten, von stimmungsvollen zu atemberaubend rasanten Szenen, sie nimmt sich Erklärungen über den Wald und das Leben an sich heraus, und man hängt auch beim Lesen förmlich an ihren Lippen. Heißt umgekehrt: Wer immer dieses Buch vorlesen möchte, tut gut daran, es zuvor einmal für sich gelesen zu haben. Für all die Stimmen und Stimmungen und Schlenker und Schwünge. Auf einmal mehr oder weniger kommt es auch nicht an. Es wird nämlich noch viel vorgelesen werden. Versprochen. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Dita Zipfel, Bea Davies: "Brummps. Sie nannten ihn Ameise."
Hanser Verlag, München 2022. 136 S., geb., 15,- Euro. Ab 6 J.
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