Das Meisterwerk von Thomas Mann als vielstimmiges Hörspiel Vier Generationen einer Lübecker Kaufmannsfamilie, die zum Inbegriff einer Seelengeschichte des deutschen Bürgertums wurden: Urgroßvater Johann Buddenbrook, tatkräftig und lebenstüchtig, repräsentiert noch das unerschütterte Lebensgefühl des 18. Jahrhunderts. Das Ansehen der Familie erreicht mit seinem Enkel Thomas, Senator Buddenbrook, ihren Höhepunkt. Seine Geschwister Tony, Christian und Clara scheitern im Leben und auch Thomas, gefangen in einer unglücklichen Ehe, ist nur mit äußerster Selbstbeherrschung in der Lage, das Erbe zu übernehmen. Es bleibt sein zarter und sensibler Sohn Hanno ... Produktion: Hessischer Rundfunk/Radio Bremen 1965 »Wer diesen Geniestreich nicht kennt, dem fehlt ein Stück der Weisheit. Wer nicht lesen will, der sollte es hören.« Marcel Reich-Ranicki Hörspiel mit Gert Westphal, Horst Tappert, Dieter Borsche, Lil Dagover 7h 59min
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[...] das phänomenal stabile, bis heute tragfähige Fundament seines Weltruhms [...]. Volker Weidermann Die Zeit 20231125
"Mein in Deutschland populärstes Buch sind ja ohne Zweifel die `Buddenbrooks´, und es kann sein, daß in meinem eigenen Lande mein Name immer vorzugsweise mit diesem Werk verbunden bleiben wird."
Thomas Mann an Bedrich Fucik
Thomas Mann an Bedrich Fucik
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2013Ein Mann von Welt und Geld
Mit den "Buddenbrooks" hat Thomas Mann nicht nur ein Jahrhundertwerk geschrieben, er legte auch ein Buch vor, das eine Bilanz, Warnung und Offenbarung zugleich ist.
Von Stephan Finsterbusch
Er wusste, was er tat, und wollte den Verfall nicht stoppen. Nicht den der Familie und auch nicht den der Firma. Zehn Jahre nachdem die alte Lübecker Getreidehandlung seiner Väter 1891 aufgelöst worden war, ließ der junge Thomas Mann sie in seinem Jugendwerk "Buddenbrooks. Verfall einer Familie" noch einmal auferstehen. Er ließ sie sprießen, erblühen und wieder verwelken. Zeit- und Realitätsverschoben, ins Symbolische gewendet, gleichnishaft. Die Pleite der einen sei das Ende der anderen, schrieb die Literaturwissenschaftlerin Yvonne Holbeche. Eine Chronik von Firma und Familie.
Der einstige Oldenburger Banker Georg Potempa zeichnete mit seinem Aufsatz "Geld - Blüte des Bösen?" die dünn in die Handlung eingeflochtenen Berichte über die Bilanzen der Romanfamilie nach. Der Buchhalter der Buddenbrooks, ein Mann von Soll und Haben. Daniel Terberger, in vierter Generation an der Spitze der familiengeführten deutschen Katag AG, eine der großen Gruppen im Textilhandel, hatte seine Promotion über "Konfliktmanagement in Familienunternehmen" geschrieben. Er sagte einmal in seinem Bielefelder Büro: "Familienfirmen sind auf die Unendlichkeit ausgelegt. Ein Ende ist immer auch ein Scheitern."
Mann hatte seine Buddenbrooks sang- und klanglos scheitern lassen. Ein absehbares Ende, ein Verfall auf Raten. Was sie in zwei Aufsteigergenerationen gewonnen hatten, ging in zwei weiteren Generationen verloren. Das Neue fegte das Alte hinweg. Kapital ist immer in Bewegung. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter soll das Buch gelesen, der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway soll es geliebt haben. Siebzig Jahre später bezeichnete David Kang den negativen Einfluss verschiedener Familiengenerationen auf den Zustand ihrer Firmen als "Buddenbrooks Effekt". Christoph Deutschmann wird die Finanzkrise von 2008 vor dem Hintergrund des "Buddenbrooks Syndroms" analysiert haben.
Mit seinem Debütroman sollte Thomas Mann mit 26 Jahren nicht nur das Bild der verflossenen Gründerzeit entwerfen, er landete auch einen großen literarischen Wurf. Er schrieb einen deutschen Klassiker von Weltformat, schilderte über vier Generationen, hundert Jahre und fast tausend Seiten hinweg den Aufstieg und Untergang eines hanseatischen Patrizierhauses. Als er im Sommer 1899 gut die Hälfte seines Werkes zu Papier gebracht hatte, machte er den Kontrapunkt: Die Handlung kippte, der Verfall begann, Untergangsstimmung breitete sich aus.
Mann setzte die Handlung seiner wirtschaftlich alles entscheidenden Szene ins Jahr 1868 und legte sie in das neue Lübecker Haus des jungen Konsul Thomas Buddenbrooks. Drinnen feierte die Familie das hundertjährige Bestehen ihrer Firma; draußen kollerten schwarze Wolkenfässer vor die helle grelle Julisonne; drinnen begann das rauschende Fest, draußen klirrten ein paar verirrte Hagelschläge die Katastrophe an die dünnen Fensterscheiben. Die Zimmer waren geschmückt, die Honoratioren der Stadt versammelt, das Personal angetreten. Die Kapelle schepperte ein Potpourri an Dankes- und Lobliedern. Ein großer Tag für eine große Firma. Der Hausherr aber war gestresst, kaputt, genervt. Er brauchte Abstand und Ruhe. Als ihm ein Lehrling die Depesche überreichte, brach seine Welt zusammen. Ein Donnerschlag.
Der Anfang vom Ende
Drüben bei Rostock war das Unwetter über die Felder getobt und hatte die anstehende Ernte vom Halm geschlagen. Totalverlust; 40 000 Kurantmark; acht Prozent des Familienvermögens einfach weg. Buddenbrook zog es den Boden unter den Füßen weg. War doch das mit viel Bedacht, aber wenig Vorsicht eingefädelte Geschäft seine letzte leise Hoffnung gewesen, den Anschluss an die Konkurrenz noch einmal zu schaffen. So hatte er keine acht Wochen zuvor die Ernte des tief in Spielschulden steckenden Gutsbesitzers von Pöppenrade gekauft, lang bevor sie einzubringen war. Ohne Rückversicherung, ohne Verlustminimierung, ohne absichernde Gegenposition. Der Anfang vom Ende.
Mit diesem Warentermingeschäft war er nach langem Zaudern und Zögern ein Risiko eingegangen, das ihm als Getreidegroßhändler, der auf Vorschusszahlungen und Kommission setzte, eigentlich nicht angestanden hatte. Weder sein Vater Jean noch sein Großvater Johann, noch der in den Untiefen der Romangeschichte bleibende Gründer und Urgroßvater waren solche Risiken je eingegangen. Sie hatten sich als ehrbare Kaufleute verstanden, die zwar von den Wirren, Kriegen und Revolutionen ihrer Zeit profitierten, doch tagsüber nur solche Geschäfte machten, die sie nachts auch ruhig schlafen ließen. Thomas Buddenbrook aber schlief schon lange nicht mehr ruhig.
Sicher, Mann hatte im Buch seine Buddenbrooks schon höhere Einbußen wegstecken lassen. Damals, 1851, als mit dem Bankrott des Bremer Handelshauses Westfahl 80 000 Kurantmark verlorengegangen waren; und 15 Jahre später, als im fernen Frankfurt die Preußen einmarschierten, einer der Handelspartner pleiteging und sie 50 000 Kurantmark abschreiben mussten. Dazu kamen Auszahlungen von Mitgiften und Erbteilen. Die Familie war kostspielig; die Firma musste zahlen: Mehr als eine halbe Million Kurantmark in zwei Generationen. Die Waage des Schicksals neigte sich. Die Vermögens- und Ertragsbilanzsumme des Hauses wurden halbiert, das alte Geschäftsmodell war kaputt, für ein neues fehlte die Kraft. So wie die Buddenbrooks sich einst an die Stelle der alteingesessenen Lübecker Unternehmung Ratenkamp & Comp gesetzt hatten, finden sie sich nun vom Exporthaus Strunck & Hagenström verdrängt. Die Ehepläne der Töchter und Söhne der Familie hatten einst die Kurse an den Börsen bewegt, Freundschaften waren fein säuberlich abgezirkelt, Beziehungen auf ihr Gewinn-und-Verlust-Potential hin geprüft worden. Hundert Jahre später wird der amerikanische Philosoph Michael Sandel es den Wandel von der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft nennen. Alles hat einen Preis, aber keinen Wert. Die Wirtschaft ist das Schicksal. Für Mann war sie das Tableau seines erfolgreichen Romans.
Als ihn Mitte November 1929 die Nachricht ereilte, für sein fast dreißig Jahre zuvor geschriebenes Buch den Literaturnobelpreis zu erhalten, erreichte die Auflage des Werkes die Marke von 185 000 Stück; der Verlag S. Fischer bereitete eine Volksausgabe vor, die den Verkauf binnen dreier Jahre die Millionengrenze überschreiten lassen wird; Mann war mit 20 Prozent an allen Einnahmen beteiligt; ein gutes Geschäft in schlechten Zeiten.
Die Welt war in Aufruhr. In New York ging die Börse unter, in Deutschland der Mittelstand. "Wo wäre nicht Krise", schrieb Mann an den Literaten Charles du Bos. Die Buddenbrooks waren das Buch der Stunde. Mann wird es ein "Stück Seelengeschichte des europäischen Bürgertums" nennen. Der Wirtschaftshistoriker Eric Hobsbawm beschrieb es in seinem Tagebuch als wegweisendes Meisterwerk. Ein Buch für alle Zeiten. Mann war früh an die Arbeit gegangen.
Drei Jahrzehnte zuvor hatte er seiner Heimatstadt Lübeck den Rücken gekehrt, war der Mutter nach München gefolgt, lebte von seinem Erbteil aus der mit 400 000 Mark liquidierten Familienfirma, volontierte in einer Feuerversicherungsbank, arbeitete für ein Satiremagazin, reiste nach Italien und machte sich in Rom daran, aus einer Novelle das faustdicke Manuskript seines frühen Meisterwerks erwachsen zu lassen. Dafür hatte er sich von seinem späteren Verleger Samuel Fischer ermuntern, vom halb vergilbten Kontobuch des Großvaters, den Familienpapieren der Mutter und den nordischen Kaufmannssagen Jonas Lies inspirieren lassen. Während des Schreibens stand die Büste Turgenjews und ein Bild Napoleons auf seinem Pult. Vor ihm lagen Berge von Notizen. Neben den Skizzen zu Handlung, Stammbäumen und gelungenen Pointen legte er sich eine heute im Züricher Thomas-Mann-Archiv befindliche Sammlung von hundert Zetteln an, auf denen er unter anderem das Vermögen der Buddenbrooks entwarf. Namen und Zahlen, Gewinne und Verluste, Zuflüsse und Abgänge.
Höheres Abschreiben
Hans Bünring und Peter de Mendelssohn, welche die Vermögen der Familie Mann und der Buddenbrooks verglichen, stellten zwischen Realität und Fiktion einige Diskrepanzen der Summen fest. Beide Familien waren wohlhabend, beide waren angesehen, doch die Buddenbrooks waren zehnmal reicher als die Manns: Aus zehntausend Kurantmark wurden hunderttausend, aus fünfzigtausend fünfhunderttausend. Solche Zuspitzung wird Mann die "Beseelung des Gefundenen" nennen; in einem Brief an Theodor Adorno schreibt er ein halbes Jahrhundert später von einer "Art des höheren Abschreibens".
Ähnlich wie zuvor Émile Zola in "Das Geld" und später Tom Wolf in "Fegefeuer der Eitelkeiten" entwarf Mann in den Buddenbrooks aus nüchternen Zahlenkolonnen eine wortgewaltige Hochliteratur, gab eine unterschwellig wirkende Umschreibung des dahinschmelzenden Vermögens der Protagonisten und ihres sozialen Abstiegs. Dafür hatte er auf seine Mitschrift aus den Vorlesungen des Nationalökonomen Max Haushofers an der Technischen Hochschule München von 1895, auf das fünfzig Jahre alte Geschäftsbuch seines Großvaters Johann Siegmund Mann junior und auf den an ihn 1897 gerichteten fünfseitigen Brief des väterlichen Vetters Konsul Wilhelm Marty aus Lübeck zurückgegriffen. Mann lernte, was ein Wechsel und was ein Kredit ist, wie ein Termingeschäft funktioniert, wo die Fallstricke liegen, wann ein Warenlager zu kontrollieren und zu bilanzieren ist, wie die Werte in einer Vermögensaufstellung hoch- und wieder runtergerechnet werden können. Eine Schule fürs Leben. Seine spätere Schwiegermutter Hedwig Pringsheim wird ihn aufgrund seiner Geld-, Wertpapier- und Immobiliengeschäfte einen "Pekuniäristen" nennen. Ein Mann von Geld und Welt. Von seinem Roman "Königliche Hoheit" über den "Zauberberg" bis zur Joseph-Tetralogie griff er in seinen Werken immer wieder Themen der Wirtschaft auf. Die Buddenbrooks waren der Anfang.
Hatten die ersten beiden Generationen der Romanfamilie in den Jahrzehnten der deutschen Kleinstaatereien und großen Revolutionen mit ihren Arbitragegeschäften und Schmuggeleien für das preußische Heer ein Vermögen von vorübergehend 900 000 Kurantmark zusammengetragen, ging es mit dem Einsetzen der Romanhandlung im Jahr 1835 langsam bergab. Sie residierten in Lübeck, einer Stadt, die dem Binnenmarkt des Deutschen Zollvereins ferngeblieben war, nach der französischen Fremdherrschaft 1816 die alte Verfassung wiedereingeführt, die Gewerbefreiheit aufgehoben und die mittelalterlich anmutenden zünftlerischen Zustände wiederbelebt hatte. Die Welt von gestern. Einer ihrer Pfeiler waren die Buddenbrooks. Doch der Pfeiler wankte. Nach dem Tod des alten Konsuls Jean schrieb Thomas Mann 1855 zwar noch 750 000 Kurantmark in die Kasse seiner Helden. Davon aber stammten 300 000 Mark aus einer als außerordentliche Einnahme zu verbuchenden Erbschaft. Das operative Geschäft lief schlecht. In den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten war aus dem Getreidehandel ein Gewinn von lediglich 90 000 Mark verzeichnet worden. Sald,iert mit den Bremer Verlusten von 1851 blieben unter dem Strich 10 000 Kurantmark übrig.
Auch wenn die Vermögensaufstellung von einer dreiviertel Million Mark noch mit Erbteilverpflichtungen gegenüber Verwandten belastet sein sollte, gab dieser Kapitalstock dem neuen Inhaber der Firma eine solide Basis für alles Weitere. Mit der Übernahme des Geschäfts durch Thomas Buddenbrook schien auch ein frischer Wind durch das Haus zu wehen. Mann hatte seinem Protagonisten eine gute Ausbildung zuteil werden lassen, hatte ihn gewinnbringend, aber ohne Liebe verheiratet und stellt ihn den bisherigen Firmenprokuristen Marcus als Teilhaber an die Seite. Ein Mann ohne Schwung. Aus der Familienfirma wurde eine Partnerschaft. Sie zahlte sich nicht aus.
Denn die seit einer Generation in Lübeck ansässige Konkurrenz von Strunck & Hagenström schnappte den Buddenbrooks einen lukrativen Handel nach dem anderen weg. Die Hagenströms waren clever, klug und rücksichtslos; sie hatten Kredit und konnten auf erhebliche Kapitalien zurückgreifen. Eine historische Wende. Das Hagenströmsche Export-Import-Geschäft wird von Thomas Mann als "wachsend", den Kommissionshandel der Buddenbrooks als ein Pfenniggeschäft beschrieben. Die Buddenbrooks hatten den Anschluss verpasst.
Seit dem Terminhandel von Pöppenrade ging es bergab. Das verhagelte Geschäft kostete sie nicht nur viel Geld, sondern auch Kraft und den Willen zum Erfolg. "In einer Zeit, da alles sich frisch und siegesfroh regte, da seit dem Eintritt der Stadt in den Zollverband kleine Krämergeschäfte imstande waren, sich binnen weniger Jahre zu angesehenen Großhandlungen zu entwickeln, jetzt ruhte die Firma Johann Buddenbrook, ohne irgendeinen Vorteil aus den Errungenschaften der Zeit zu ziehen", schrieb Mann im Roman.
Die Hagenströms strebten nach oben, die Buddenbrooks zog es nach unten. Ihre Firma war zum Wandel nicht mehr fähig. Für den profitablen Handel bis nach Schottland oder Russland fehlte der große Kredit. An frisches Kapital durch neue Aktionäre war nicht zu denken. Eine Aufteilung der partnerschaftlich geführten Firma in angestellte Manager und besitzende Anteilseigner, wie sie in England seit den Tagen der Ostindischen Gesellschaft gepflegt und im Deutschland des kapitalintensiven Eisenbahnzeitalters üblich wurde, war in weiten Teilen des oligopolistischen und familiengeprägten Handels des hanseatischen Patriziats verpönt.
Schlussstrich und Bilanz
Thomas Buddenbrook war klug genug, das zu sehen, aber zu schwach, um dagegen anzugehen. Daher hatte er in seinem Testament die Liquidierung verfügt. Niemand war da, der das Haus übernehmen, der die Firma kontrollieren und die Familie führen konnte. Sein Sohn Hanno war klein und schwach, sein Bruder alt und nutzlos, die Frauen spielten nie eine tragende Rolle. Ein Schlussstrich war gezogen.
Im Gegensatz zu den ersten Vermögensübersichten der Buddenbrooks fächert Mann nach den Worten seines literarischen Buchhalters Georg Potempa das Ergebnis der finalen Abrechnung nicht mehr detailliert auf. "Über wichtige Einzelposten werden wir nur noch verbal, ohne Angaben von Zahlen unterrichtet." Eine im Roman genannte Summe von 650 000 Mark erweist sich als zwielichtig. Einblick geben nach den Worten Potempas die in Zürich archivierten Notizzettel Manns.
Dort hielt er in der Schlussrechnung für das Haus Buddenbrook einen Betrag von 432 000 Kurantmark fest. Anders als bei den anderen Generationen umfasste die Summe den Grundbesitz, die Häuser, die Speicher und das Lager. Diese Ergänzung liefert nach den Worten von Potempa den rechnerischen Schlüssel für den erhöhten Vermögensausweis. "Besonders die Einbeziehung auch des Lagers in den Wertzuschlag verstärkt den Verdacht, dass das kaufmännische Prinzip der Bilanzkontinuität und der möglichen niedrigen Bewertung verstoßen wurde." Buddenbrook ein Buchfälscher? Nichts ist unmöglich!
Wie sehr die Wertansätze seines Hauses überhöht waren, sollte sich nach den Schilderungen zur Eröffnung des Testaments herausstellen. Während der Liquidierung der Firma wurde der Kapitalstock überstürzt und unvorteilhaft verkauft. Lager, Speicher, Villen. Die Abschlusssumme ließ Mann ungenannt. Doch die Bilanz war klar: So, wie Thomas Buddenbrook entschlossen gewesen sei, "seine Hinfälligkeit mit allen Mitteln zu verstecken", so bestand das Vermögen der Familie nur noch "auf dem Papier". Die Firma war Geschichte, die Familie ohne Zukunft.
Noch Jahre nach der Veröffentlichung des Buches im Herbst 1901 wird Kurt Tucholsky in einem Brief schreiben: "Was so erstaunlich bleibt - und das Buch wird nicht alt -, ist, daß das Lübeckische und das Persönliche so zum Allgemein-Menschlichen vertieft ist, daß es alle angeht." Rainer Maria Rilke erklärte: "Thomas Mann fühlte ganz richtig, daß er, um die Geschichte der Buddenbrooks zu erzählen, Chronist werden müsse." Ein Chronist von Soll und Haben.
Der Berliner Essayist Samuel Lublinski hatte in einer der ersten Rezensionen des Werkes die prophetische Worte geschrieben: Dieser Roman sei ein "unzerstörbares Buch. Er wird wachsen mit der Zeit und noch von vielen Generationen gelesen werden: eines jener Kunstwerke, die wirklich über den Tag und das Zeitalter erhaben sind."
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit den "Buddenbrooks" hat Thomas Mann nicht nur ein Jahrhundertwerk geschrieben, er legte auch ein Buch vor, das eine Bilanz, Warnung und Offenbarung zugleich ist.
Von Stephan Finsterbusch
Er wusste, was er tat, und wollte den Verfall nicht stoppen. Nicht den der Familie und auch nicht den der Firma. Zehn Jahre nachdem die alte Lübecker Getreidehandlung seiner Väter 1891 aufgelöst worden war, ließ der junge Thomas Mann sie in seinem Jugendwerk "Buddenbrooks. Verfall einer Familie" noch einmal auferstehen. Er ließ sie sprießen, erblühen und wieder verwelken. Zeit- und Realitätsverschoben, ins Symbolische gewendet, gleichnishaft. Die Pleite der einen sei das Ende der anderen, schrieb die Literaturwissenschaftlerin Yvonne Holbeche. Eine Chronik von Firma und Familie.
Der einstige Oldenburger Banker Georg Potempa zeichnete mit seinem Aufsatz "Geld - Blüte des Bösen?" die dünn in die Handlung eingeflochtenen Berichte über die Bilanzen der Romanfamilie nach. Der Buchhalter der Buddenbrooks, ein Mann von Soll und Haben. Daniel Terberger, in vierter Generation an der Spitze der familiengeführten deutschen Katag AG, eine der großen Gruppen im Textilhandel, hatte seine Promotion über "Konfliktmanagement in Familienunternehmen" geschrieben. Er sagte einmal in seinem Bielefelder Büro: "Familienfirmen sind auf die Unendlichkeit ausgelegt. Ein Ende ist immer auch ein Scheitern."
Mann hatte seine Buddenbrooks sang- und klanglos scheitern lassen. Ein absehbares Ende, ein Verfall auf Raten. Was sie in zwei Aufsteigergenerationen gewonnen hatten, ging in zwei weiteren Generationen verloren. Das Neue fegte das Alte hinweg. Kapital ist immer in Bewegung. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter soll das Buch gelesen, der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway soll es geliebt haben. Siebzig Jahre später bezeichnete David Kang den negativen Einfluss verschiedener Familiengenerationen auf den Zustand ihrer Firmen als "Buddenbrooks Effekt". Christoph Deutschmann wird die Finanzkrise von 2008 vor dem Hintergrund des "Buddenbrooks Syndroms" analysiert haben.
Mit seinem Debütroman sollte Thomas Mann mit 26 Jahren nicht nur das Bild der verflossenen Gründerzeit entwerfen, er landete auch einen großen literarischen Wurf. Er schrieb einen deutschen Klassiker von Weltformat, schilderte über vier Generationen, hundert Jahre und fast tausend Seiten hinweg den Aufstieg und Untergang eines hanseatischen Patrizierhauses. Als er im Sommer 1899 gut die Hälfte seines Werkes zu Papier gebracht hatte, machte er den Kontrapunkt: Die Handlung kippte, der Verfall begann, Untergangsstimmung breitete sich aus.
Mann setzte die Handlung seiner wirtschaftlich alles entscheidenden Szene ins Jahr 1868 und legte sie in das neue Lübecker Haus des jungen Konsul Thomas Buddenbrooks. Drinnen feierte die Familie das hundertjährige Bestehen ihrer Firma; draußen kollerten schwarze Wolkenfässer vor die helle grelle Julisonne; drinnen begann das rauschende Fest, draußen klirrten ein paar verirrte Hagelschläge die Katastrophe an die dünnen Fensterscheiben. Die Zimmer waren geschmückt, die Honoratioren der Stadt versammelt, das Personal angetreten. Die Kapelle schepperte ein Potpourri an Dankes- und Lobliedern. Ein großer Tag für eine große Firma. Der Hausherr aber war gestresst, kaputt, genervt. Er brauchte Abstand und Ruhe. Als ihm ein Lehrling die Depesche überreichte, brach seine Welt zusammen. Ein Donnerschlag.
Der Anfang vom Ende
Drüben bei Rostock war das Unwetter über die Felder getobt und hatte die anstehende Ernte vom Halm geschlagen. Totalverlust; 40 000 Kurantmark; acht Prozent des Familienvermögens einfach weg. Buddenbrook zog es den Boden unter den Füßen weg. War doch das mit viel Bedacht, aber wenig Vorsicht eingefädelte Geschäft seine letzte leise Hoffnung gewesen, den Anschluss an die Konkurrenz noch einmal zu schaffen. So hatte er keine acht Wochen zuvor die Ernte des tief in Spielschulden steckenden Gutsbesitzers von Pöppenrade gekauft, lang bevor sie einzubringen war. Ohne Rückversicherung, ohne Verlustminimierung, ohne absichernde Gegenposition. Der Anfang vom Ende.
Mit diesem Warentermingeschäft war er nach langem Zaudern und Zögern ein Risiko eingegangen, das ihm als Getreidegroßhändler, der auf Vorschusszahlungen und Kommission setzte, eigentlich nicht angestanden hatte. Weder sein Vater Jean noch sein Großvater Johann, noch der in den Untiefen der Romangeschichte bleibende Gründer und Urgroßvater waren solche Risiken je eingegangen. Sie hatten sich als ehrbare Kaufleute verstanden, die zwar von den Wirren, Kriegen und Revolutionen ihrer Zeit profitierten, doch tagsüber nur solche Geschäfte machten, die sie nachts auch ruhig schlafen ließen. Thomas Buddenbrook aber schlief schon lange nicht mehr ruhig.
Sicher, Mann hatte im Buch seine Buddenbrooks schon höhere Einbußen wegstecken lassen. Damals, 1851, als mit dem Bankrott des Bremer Handelshauses Westfahl 80 000 Kurantmark verlorengegangen waren; und 15 Jahre später, als im fernen Frankfurt die Preußen einmarschierten, einer der Handelspartner pleiteging und sie 50 000 Kurantmark abschreiben mussten. Dazu kamen Auszahlungen von Mitgiften und Erbteilen. Die Familie war kostspielig; die Firma musste zahlen: Mehr als eine halbe Million Kurantmark in zwei Generationen. Die Waage des Schicksals neigte sich. Die Vermögens- und Ertragsbilanzsumme des Hauses wurden halbiert, das alte Geschäftsmodell war kaputt, für ein neues fehlte die Kraft. So wie die Buddenbrooks sich einst an die Stelle der alteingesessenen Lübecker Unternehmung Ratenkamp & Comp gesetzt hatten, finden sie sich nun vom Exporthaus Strunck & Hagenström verdrängt. Die Ehepläne der Töchter und Söhne der Familie hatten einst die Kurse an den Börsen bewegt, Freundschaften waren fein säuberlich abgezirkelt, Beziehungen auf ihr Gewinn-und-Verlust-Potential hin geprüft worden. Hundert Jahre später wird der amerikanische Philosoph Michael Sandel es den Wandel von der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft nennen. Alles hat einen Preis, aber keinen Wert. Die Wirtschaft ist das Schicksal. Für Mann war sie das Tableau seines erfolgreichen Romans.
Als ihn Mitte November 1929 die Nachricht ereilte, für sein fast dreißig Jahre zuvor geschriebenes Buch den Literaturnobelpreis zu erhalten, erreichte die Auflage des Werkes die Marke von 185 000 Stück; der Verlag S. Fischer bereitete eine Volksausgabe vor, die den Verkauf binnen dreier Jahre die Millionengrenze überschreiten lassen wird; Mann war mit 20 Prozent an allen Einnahmen beteiligt; ein gutes Geschäft in schlechten Zeiten.
Die Welt war in Aufruhr. In New York ging die Börse unter, in Deutschland der Mittelstand. "Wo wäre nicht Krise", schrieb Mann an den Literaten Charles du Bos. Die Buddenbrooks waren das Buch der Stunde. Mann wird es ein "Stück Seelengeschichte des europäischen Bürgertums" nennen. Der Wirtschaftshistoriker Eric Hobsbawm beschrieb es in seinem Tagebuch als wegweisendes Meisterwerk. Ein Buch für alle Zeiten. Mann war früh an die Arbeit gegangen.
Drei Jahrzehnte zuvor hatte er seiner Heimatstadt Lübeck den Rücken gekehrt, war der Mutter nach München gefolgt, lebte von seinem Erbteil aus der mit 400 000 Mark liquidierten Familienfirma, volontierte in einer Feuerversicherungsbank, arbeitete für ein Satiremagazin, reiste nach Italien und machte sich in Rom daran, aus einer Novelle das faustdicke Manuskript seines frühen Meisterwerks erwachsen zu lassen. Dafür hatte er sich von seinem späteren Verleger Samuel Fischer ermuntern, vom halb vergilbten Kontobuch des Großvaters, den Familienpapieren der Mutter und den nordischen Kaufmannssagen Jonas Lies inspirieren lassen. Während des Schreibens stand die Büste Turgenjews und ein Bild Napoleons auf seinem Pult. Vor ihm lagen Berge von Notizen. Neben den Skizzen zu Handlung, Stammbäumen und gelungenen Pointen legte er sich eine heute im Züricher Thomas-Mann-Archiv befindliche Sammlung von hundert Zetteln an, auf denen er unter anderem das Vermögen der Buddenbrooks entwarf. Namen und Zahlen, Gewinne und Verluste, Zuflüsse und Abgänge.
Höheres Abschreiben
Hans Bünring und Peter de Mendelssohn, welche die Vermögen der Familie Mann und der Buddenbrooks verglichen, stellten zwischen Realität und Fiktion einige Diskrepanzen der Summen fest. Beide Familien waren wohlhabend, beide waren angesehen, doch die Buddenbrooks waren zehnmal reicher als die Manns: Aus zehntausend Kurantmark wurden hunderttausend, aus fünfzigtausend fünfhunderttausend. Solche Zuspitzung wird Mann die "Beseelung des Gefundenen" nennen; in einem Brief an Theodor Adorno schreibt er ein halbes Jahrhundert später von einer "Art des höheren Abschreibens".
Ähnlich wie zuvor Émile Zola in "Das Geld" und später Tom Wolf in "Fegefeuer der Eitelkeiten" entwarf Mann in den Buddenbrooks aus nüchternen Zahlenkolonnen eine wortgewaltige Hochliteratur, gab eine unterschwellig wirkende Umschreibung des dahinschmelzenden Vermögens der Protagonisten und ihres sozialen Abstiegs. Dafür hatte er auf seine Mitschrift aus den Vorlesungen des Nationalökonomen Max Haushofers an der Technischen Hochschule München von 1895, auf das fünfzig Jahre alte Geschäftsbuch seines Großvaters Johann Siegmund Mann junior und auf den an ihn 1897 gerichteten fünfseitigen Brief des väterlichen Vetters Konsul Wilhelm Marty aus Lübeck zurückgegriffen. Mann lernte, was ein Wechsel und was ein Kredit ist, wie ein Termingeschäft funktioniert, wo die Fallstricke liegen, wann ein Warenlager zu kontrollieren und zu bilanzieren ist, wie die Werte in einer Vermögensaufstellung hoch- und wieder runtergerechnet werden können. Eine Schule fürs Leben. Seine spätere Schwiegermutter Hedwig Pringsheim wird ihn aufgrund seiner Geld-, Wertpapier- und Immobiliengeschäfte einen "Pekuniäristen" nennen. Ein Mann von Geld und Welt. Von seinem Roman "Königliche Hoheit" über den "Zauberberg" bis zur Joseph-Tetralogie griff er in seinen Werken immer wieder Themen der Wirtschaft auf. Die Buddenbrooks waren der Anfang.
Hatten die ersten beiden Generationen der Romanfamilie in den Jahrzehnten der deutschen Kleinstaatereien und großen Revolutionen mit ihren Arbitragegeschäften und Schmuggeleien für das preußische Heer ein Vermögen von vorübergehend 900 000 Kurantmark zusammengetragen, ging es mit dem Einsetzen der Romanhandlung im Jahr 1835 langsam bergab. Sie residierten in Lübeck, einer Stadt, die dem Binnenmarkt des Deutschen Zollvereins ferngeblieben war, nach der französischen Fremdherrschaft 1816 die alte Verfassung wiedereingeführt, die Gewerbefreiheit aufgehoben und die mittelalterlich anmutenden zünftlerischen Zustände wiederbelebt hatte. Die Welt von gestern. Einer ihrer Pfeiler waren die Buddenbrooks. Doch der Pfeiler wankte. Nach dem Tod des alten Konsuls Jean schrieb Thomas Mann 1855 zwar noch 750 000 Kurantmark in die Kasse seiner Helden. Davon aber stammten 300 000 Mark aus einer als außerordentliche Einnahme zu verbuchenden Erbschaft. Das operative Geschäft lief schlecht. In den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten war aus dem Getreidehandel ein Gewinn von lediglich 90 000 Mark verzeichnet worden. Sald,iert mit den Bremer Verlusten von 1851 blieben unter dem Strich 10 000 Kurantmark übrig.
Auch wenn die Vermögensaufstellung von einer dreiviertel Million Mark noch mit Erbteilverpflichtungen gegenüber Verwandten belastet sein sollte, gab dieser Kapitalstock dem neuen Inhaber der Firma eine solide Basis für alles Weitere. Mit der Übernahme des Geschäfts durch Thomas Buddenbrook schien auch ein frischer Wind durch das Haus zu wehen. Mann hatte seinem Protagonisten eine gute Ausbildung zuteil werden lassen, hatte ihn gewinnbringend, aber ohne Liebe verheiratet und stellt ihn den bisherigen Firmenprokuristen Marcus als Teilhaber an die Seite. Ein Mann ohne Schwung. Aus der Familienfirma wurde eine Partnerschaft. Sie zahlte sich nicht aus.
Denn die seit einer Generation in Lübeck ansässige Konkurrenz von Strunck & Hagenström schnappte den Buddenbrooks einen lukrativen Handel nach dem anderen weg. Die Hagenströms waren clever, klug und rücksichtslos; sie hatten Kredit und konnten auf erhebliche Kapitalien zurückgreifen. Eine historische Wende. Das Hagenströmsche Export-Import-Geschäft wird von Thomas Mann als "wachsend", den Kommissionshandel der Buddenbrooks als ein Pfenniggeschäft beschrieben. Die Buddenbrooks hatten den Anschluss verpasst.
Seit dem Terminhandel von Pöppenrade ging es bergab. Das verhagelte Geschäft kostete sie nicht nur viel Geld, sondern auch Kraft und den Willen zum Erfolg. "In einer Zeit, da alles sich frisch und siegesfroh regte, da seit dem Eintritt der Stadt in den Zollverband kleine Krämergeschäfte imstande waren, sich binnen weniger Jahre zu angesehenen Großhandlungen zu entwickeln, jetzt ruhte die Firma Johann Buddenbrook, ohne irgendeinen Vorteil aus den Errungenschaften der Zeit zu ziehen", schrieb Mann im Roman.
Die Hagenströms strebten nach oben, die Buddenbrooks zog es nach unten. Ihre Firma war zum Wandel nicht mehr fähig. Für den profitablen Handel bis nach Schottland oder Russland fehlte der große Kredit. An frisches Kapital durch neue Aktionäre war nicht zu denken. Eine Aufteilung der partnerschaftlich geführten Firma in angestellte Manager und besitzende Anteilseigner, wie sie in England seit den Tagen der Ostindischen Gesellschaft gepflegt und im Deutschland des kapitalintensiven Eisenbahnzeitalters üblich wurde, war in weiten Teilen des oligopolistischen und familiengeprägten Handels des hanseatischen Patriziats verpönt.
Schlussstrich und Bilanz
Thomas Buddenbrook war klug genug, das zu sehen, aber zu schwach, um dagegen anzugehen. Daher hatte er in seinem Testament die Liquidierung verfügt. Niemand war da, der das Haus übernehmen, der die Firma kontrollieren und die Familie führen konnte. Sein Sohn Hanno war klein und schwach, sein Bruder alt und nutzlos, die Frauen spielten nie eine tragende Rolle. Ein Schlussstrich war gezogen.
Im Gegensatz zu den ersten Vermögensübersichten der Buddenbrooks fächert Mann nach den Worten seines literarischen Buchhalters Georg Potempa das Ergebnis der finalen Abrechnung nicht mehr detailliert auf. "Über wichtige Einzelposten werden wir nur noch verbal, ohne Angaben von Zahlen unterrichtet." Eine im Roman genannte Summe von 650 000 Mark erweist sich als zwielichtig. Einblick geben nach den Worten Potempas die in Zürich archivierten Notizzettel Manns.
Dort hielt er in der Schlussrechnung für das Haus Buddenbrook einen Betrag von 432 000 Kurantmark fest. Anders als bei den anderen Generationen umfasste die Summe den Grundbesitz, die Häuser, die Speicher und das Lager. Diese Ergänzung liefert nach den Worten von Potempa den rechnerischen Schlüssel für den erhöhten Vermögensausweis. "Besonders die Einbeziehung auch des Lagers in den Wertzuschlag verstärkt den Verdacht, dass das kaufmännische Prinzip der Bilanzkontinuität und der möglichen niedrigen Bewertung verstoßen wurde." Buddenbrook ein Buchfälscher? Nichts ist unmöglich!
Wie sehr die Wertansätze seines Hauses überhöht waren, sollte sich nach den Schilderungen zur Eröffnung des Testaments herausstellen. Während der Liquidierung der Firma wurde der Kapitalstock überstürzt und unvorteilhaft verkauft. Lager, Speicher, Villen. Die Abschlusssumme ließ Mann ungenannt. Doch die Bilanz war klar: So, wie Thomas Buddenbrook entschlossen gewesen sei, "seine Hinfälligkeit mit allen Mitteln zu verstecken", so bestand das Vermögen der Familie nur noch "auf dem Papier". Die Firma war Geschichte, die Familie ohne Zukunft.
Noch Jahre nach der Veröffentlichung des Buches im Herbst 1901 wird Kurt Tucholsky in einem Brief schreiben: "Was so erstaunlich bleibt - und das Buch wird nicht alt -, ist, daß das Lübeckische und das Persönliche so zum Allgemein-Menschlichen vertieft ist, daß es alle angeht." Rainer Maria Rilke erklärte: "Thomas Mann fühlte ganz richtig, daß er, um die Geschichte der Buddenbrooks zu erzählen, Chronist werden müsse." Ein Chronist von Soll und Haben.
Der Berliner Essayist Samuel Lublinski hatte in einer der ersten Rezensionen des Werkes die prophetische Worte geschrieben: Dieser Roman sei ein "unzerstörbares Buch. Er wird wachsen mit der Zeit und noch von vielen Generationen gelesen werden: eines jener Kunstwerke, die wirklich über den Tag und das Zeitalter erhaben sind."
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