Alle lieben die fröhliche Carmen. Die verzweifelt an ihrem störrischen Hengst, den sie seit Wochen vergeblich trainiert. Carmen will ihr Problem lösen, doch nur mit Hilfe des Stallburschen José kann Carmen ihren waghalsigen Plan verwirklichen. Georges Bizet (1838-1875) wurde bereits mit neun Jahren Schüler des Pariser Konservatoriums und schrieb seine erste Symphonie im Alter von 16 Jahren! Er komponierte zahlreiche Opern und Klavierwerke, und er war ein erstklassiger Pianist. Seine Oper "Carmen" entwickelte sich zum Welterfolg, den er leider verpasste, da er kurz nach ihrer Uraufführung 1875 an der Pariser Opéra-Comique an einem Herzanfall starb. "Hier wird jungen Menschen auf eingängige Art Zugang zur Oper verschafft." querlesen, Kinder- und Jugendmedien Bern-Freiburg
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2019Eine Lovestory aus Sevilla
Uwe Eric Laufenbergs Wiesbadener Neuinszenierung von Georges Bizets Erfolgsoper "Carmen" bleibt banal
In dem Video von Gérard Naziri, das parallel zur schmissigen Musik des "Carmen"Vorspiels zu sehen ist, wird eine Erwartung gebrochen. Ein ganz heutiger Stierkampf ist darin zu sehen, mit einer Torera als Protagonistin bei ansonsten traditionellem Ablauf. Das erweckt in der Wiesbadener Neuinszenierung von Georges Bizets Erfolgsoper nach Prosper Mérimées gleichnamiger Novelle zunächst den Eindruck einer iberischen Folklore-Nummer, die sich jedoch bald in realistisch-tödlichen Ernst wendet. Das blutige Leiden des Tieres, das da in Nahaufnahme zu verfolgen ist, könnte ein starkes Vorzeichen für das weitere Geschehen sein. Denn darin geht es, bei aller vertrauten Eingängigkeit der Musik, um Existentielles. Den Handlungskern bildet eine Dreiecksgeschichte um den Sergeanten Don José, der für Carmen alle sozialen Bindungen an Beruf und Familie kappt, ihr erst zur Flucht verhilft, dann in die Schmugglerwelt folgt, sie schließlich aber, als sie sich dem Torero Escamillo zuwendet, tötet.
Als die Filmsequenz Naziris, der mit seinem Video von einem Weltraumflug schon für den visuellen Höhepunkt in Laufenbergs Bayreuther "Parsifal"-Inszenierung 2016 gesorgt hatte, vorbei ist, passiert mit deren Motivik im Großen Haus des Staatstheaters Wiesbaden allerdings drei Aufführungsstunden lang nichts mehr. Einfach gar nichts mehr, sieht man vielleicht von der dunkelroten Arena-Anlage der Einheitsbühne ab, die Gisbert Jäkel für Laufenberg errichtet hat. Der Regie führende Wiesbadener Intendant hat darin eine kunterbunte "Carmen"-Revue plaziert, die schon in der Eröffnungsszene vor der Zigarettenfabrik in Sevilla eine Tendenz zum Stehlastigen hat. Später tänzeln leicht bekleidete Damen zu den eingängigen Rhythmen der weit subtileren Partitur Bizets auf der Stelle. Das Vorspiel zum dritten Akt degradiert Laufenberg zur Begleitmusik des Morgens nach der Liebesnacht zwischen Carmen und Don José, die zuvor der rege Einsatz der Drehbühne gerade noch verborgen hatte.
Es sind solche Versatzstücke einer belanglosen Lovestory, die das szenische Vokabular der Regie bestimmen. Beinahe peinlich wird es, wenn im dritten Akt das Volk vor der Stierkampfarena mit Luftballons schunkelt und hüpft und winkt. Dass die Menge, also die Gesellschaft, mit ihren Vorstellungen und Erwartungen erheblichen Anteil an den fatalen Entwicklungen der Oper hat, wird in keiner Weise deutlich. Wer hier ein Problem miteinander hat, geht gleich mit Waffen aufeinander los, zum Beispiel Don José und Escamillo, nachdem sie sich auf eine Zigarette zum Gespräch unter Männern getroffen haben. Permanent wird nacherzählt, selten interpretiert, kaum je verdeutlicht.
Da Laufenberg die frühe veristische Anlage der in Wiesbaden auf Französisch gesungenen und in den Dialogen auch französisch gesprochenen Oper mit Banalität verwechselt, wäre die musikalische Seite umso mehr gefordert. Aber auch der Wiesbadener Generalmusikdirektor Patrick Lange hat zusammen mit dem Hessischen Staatsorchester wenig anzubieten, das über krachende Eindeutigkeiten hinausgehen würde. Darüber, dass Bizets 1875 in Paris uraufgeführtes Werk in der Tradition der Opéra-comique steht, wird vorwiegend deftig, in der zweiten Hälfte des Abends auch mehr und mehr unpräzise hinwegmusiziert. Zuverlässig singen Chor, Extrachor und Kinderchor; unter den Solisten kann sich am stärksten die junge südkoreanische Sopranistin Sumi Hwang profilieren. Sie bleibt in der Partie der Micaëla die Einzige, die über jene Noblesse und die vokalen Farben verfügt, die für die französische Oper des späteren 19. Jahrhunderts so wichtig sind.
Eine mit Verve gespielte und glühend, aber auch ziemlich vibratosatt gesungene Carmen bietet Lena Belkina. Und der geschmackvoll singende, bei seinem ersten Auftritt aber noch zu blass bleibende Bariton Christopher Bolduc steht als Escamillo auch insoweit in starkem Kontrast zu dem Tenor Sébastien Guèze, der bei geschliffener französischer Diktion den Don José zugleich arg unter vokalen Dauerdruck setzt.
AXEL ZIBULSKI
Nächste Vorstellungen am 22. September von 16 Uhr an sowie am 18. September, am 4., 10., 12., 20. und 26. Oktober von 19.30 Uhr an.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Uwe Eric Laufenbergs Wiesbadener Neuinszenierung von Georges Bizets Erfolgsoper "Carmen" bleibt banal
In dem Video von Gérard Naziri, das parallel zur schmissigen Musik des "Carmen"Vorspiels zu sehen ist, wird eine Erwartung gebrochen. Ein ganz heutiger Stierkampf ist darin zu sehen, mit einer Torera als Protagonistin bei ansonsten traditionellem Ablauf. Das erweckt in der Wiesbadener Neuinszenierung von Georges Bizets Erfolgsoper nach Prosper Mérimées gleichnamiger Novelle zunächst den Eindruck einer iberischen Folklore-Nummer, die sich jedoch bald in realistisch-tödlichen Ernst wendet. Das blutige Leiden des Tieres, das da in Nahaufnahme zu verfolgen ist, könnte ein starkes Vorzeichen für das weitere Geschehen sein. Denn darin geht es, bei aller vertrauten Eingängigkeit der Musik, um Existentielles. Den Handlungskern bildet eine Dreiecksgeschichte um den Sergeanten Don José, der für Carmen alle sozialen Bindungen an Beruf und Familie kappt, ihr erst zur Flucht verhilft, dann in die Schmugglerwelt folgt, sie schließlich aber, als sie sich dem Torero Escamillo zuwendet, tötet.
Als die Filmsequenz Naziris, der mit seinem Video von einem Weltraumflug schon für den visuellen Höhepunkt in Laufenbergs Bayreuther "Parsifal"-Inszenierung 2016 gesorgt hatte, vorbei ist, passiert mit deren Motivik im Großen Haus des Staatstheaters Wiesbaden allerdings drei Aufführungsstunden lang nichts mehr. Einfach gar nichts mehr, sieht man vielleicht von der dunkelroten Arena-Anlage der Einheitsbühne ab, die Gisbert Jäkel für Laufenberg errichtet hat. Der Regie führende Wiesbadener Intendant hat darin eine kunterbunte "Carmen"-Revue plaziert, die schon in der Eröffnungsszene vor der Zigarettenfabrik in Sevilla eine Tendenz zum Stehlastigen hat. Später tänzeln leicht bekleidete Damen zu den eingängigen Rhythmen der weit subtileren Partitur Bizets auf der Stelle. Das Vorspiel zum dritten Akt degradiert Laufenberg zur Begleitmusik des Morgens nach der Liebesnacht zwischen Carmen und Don José, die zuvor der rege Einsatz der Drehbühne gerade noch verborgen hatte.
Es sind solche Versatzstücke einer belanglosen Lovestory, die das szenische Vokabular der Regie bestimmen. Beinahe peinlich wird es, wenn im dritten Akt das Volk vor der Stierkampfarena mit Luftballons schunkelt und hüpft und winkt. Dass die Menge, also die Gesellschaft, mit ihren Vorstellungen und Erwartungen erheblichen Anteil an den fatalen Entwicklungen der Oper hat, wird in keiner Weise deutlich. Wer hier ein Problem miteinander hat, geht gleich mit Waffen aufeinander los, zum Beispiel Don José und Escamillo, nachdem sie sich auf eine Zigarette zum Gespräch unter Männern getroffen haben. Permanent wird nacherzählt, selten interpretiert, kaum je verdeutlicht.
Da Laufenberg die frühe veristische Anlage der in Wiesbaden auf Französisch gesungenen und in den Dialogen auch französisch gesprochenen Oper mit Banalität verwechselt, wäre die musikalische Seite umso mehr gefordert. Aber auch der Wiesbadener Generalmusikdirektor Patrick Lange hat zusammen mit dem Hessischen Staatsorchester wenig anzubieten, das über krachende Eindeutigkeiten hinausgehen würde. Darüber, dass Bizets 1875 in Paris uraufgeführtes Werk in der Tradition der Opéra-comique steht, wird vorwiegend deftig, in der zweiten Hälfte des Abends auch mehr und mehr unpräzise hinwegmusiziert. Zuverlässig singen Chor, Extrachor und Kinderchor; unter den Solisten kann sich am stärksten die junge südkoreanische Sopranistin Sumi Hwang profilieren. Sie bleibt in der Partie der Micaëla die Einzige, die über jene Noblesse und die vokalen Farben verfügt, die für die französische Oper des späteren 19. Jahrhunderts so wichtig sind.
Eine mit Verve gespielte und glühend, aber auch ziemlich vibratosatt gesungene Carmen bietet Lena Belkina. Und der geschmackvoll singende, bei seinem ersten Auftritt aber noch zu blass bleibende Bariton Christopher Bolduc steht als Escamillo auch insoweit in starkem Kontrast zu dem Tenor Sébastien Guèze, der bei geschliffener französischer Diktion den Don José zugleich arg unter vokalen Dauerdruck setzt.
AXEL ZIBULSKI
Nächste Vorstellungen am 22. September von 16 Uhr an sowie am 18. September, am 4., 10., 12., 20. und 26. Oktober von 19.30 Uhr an.
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