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Anwälte sind anders: Alan Bennetts Erzählung "Così fan tutte"
"Always look on the bright side of life." Laß dich ans Kreuz nageln und lach drüber, sagen die Insulaner - Britanniens beste Komikertruppe um John Cleese ebenso wie "Britain's most endearing man of Letters", Alan Bennett. Bennett, dem das Magazin "Time" einst diesen Ehrentitel verlieh, ist einer der großen Könner des komischen Ernstes, der danse macabre zwischen Comedy und Kabarett, zwischen Highbrow und Lowbrow. Mit der satirischen Revue "Beyond the fringe" begann 1960 die Künstler-Karriere des Metzgersohns und Oxford-Absolventen, und seither hat er sich mit Fernseh- und Radiostücken, mit Filmdrehbüchern, Dramen und Prosa zu des Königreichs liebenswert-bissigem Homme de lettres geschrieben, der seinen Schabernack mit dem Tod treibt - und mehr noch mit den Lebenden. Zwei Todes-Streiche Alan Bennetts hat der Wagenbach-Verlag letztes Jahr in einem Quartbuch zusammengefaßt ("Vater, Vater, lichterloh"). Jetzt ist ebendort die Erzählung "The Clothes They Stood Up In" in einer Neuübersetzung unter dem Titel "Così fan tutte" erschienen.
Die Kleider, in denen Mr. und Mrs. Ransome zur Oper - "Così fan tutte" - gingen, sind das einzige, was ihnen geblieben ist. Einbrecher haben alles, aber auch alles mitgenommen, das Klopapier und das Telefonkabel, den Herd und den Braten. Das Ehepaar mittleren Alters, mittlerer Schicht und größerer Weltfremdheit (er ist Anwalt, sie Hausfrau, beide Stubenhocker) sieht sich auf einmal vor unheimliche Herausforderungen gestellt: zum Beispiel vor die, eine Telefonzelle zu suchen und sogar zu benutzen, vorübergehend mit Plastikbesteck zu hantieren und auf rasch besorgten Sitzsäcken Tee zu trinken. Alan Bennett beläßt es freilich nicht bei einer galligen Karikatur konservativ wählender, konservativ denkender Dumpfbacken. Er beläßt es nicht bei flotten Einzeilern wie ",Wir sind alle Menschen', sagte der Wachtmeister. ,Ich bin Anwalt', sagte Mr. Ransome". Sondern die charmante Opera buffa vom Einbruch verwandelt sich in eine vom Ausbruch: Rosemary Ransome muß sich ihr trautes Heim neu erschaffen und entdeckt dabei die Welt von nebenan, den asiatischen Kramladen, den göttergleichen Sänger und - das Fernsehen. Wo die Sprachpedanterie ihres Gatten sie ins Schweigen scheuchte, öffnet ihr das Geplapper der Talkshows die Augen, den Zugang zu anderen Menschen und, hübsche ironische Volte, zu sich selbst.
Es stellt sich heraus, daß der Einbruch bloß eine Verwechslungstragödie war, ein Racheakt der gekränkten Freundin des Nachbarn, die sich in der Wohnung vertan hat. Doch wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten. Mozart und Mütterlichkeit und Mrs. Ransomes neue Sprache der Gefühle bringen Mr. Ransome schließlich unter die Erde. Der Knochenmann klappert, und die Witwe ist frei.
Alan Bennetts Genrebild ist virtuos und witzig, satirisch und sanft. Es ist eine fernsehtaugliche Posse und Parodie samt Empathie für die unfreiwilligen Hanswürste, eine Posse, die den Staub bei Hempels unterm Bett kurz aufwirbelt, aber nicht kratzt und nicht bürstet. Es ist, nicht zuletzt, eine gut erzählte Geschichte. Aber ein zwingender Grund für eine zweite Übersetzung - die erste, mittlerweile vergriffene erschien 1999 als Fischer-Taschenbuch - ist es nicht.
ALEXANDRA KEDVES
Alan Bennett: "Così fan tutte". Eine Geschichte. Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Heinrich. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2003. 93 S., geb., 11,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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