Die Geschichte eines Tages im Leben des Finanzjongleurs Eric Packer als Allegorie auf die zerstörerische Kraft des Kapitalismus. New York an einem Tag im April 2000. Eric Packer, erfolgreicher und steinreicher Vermögensverwalter, fährt in seiner Stretchlimosine durch die Stadt. Er hat, wie meistens, nicht geschlafen, das Leben langweilt ihn. Auf der Fahrt durch Manhattan steckt er ständig im Stau: der Präsident ist in der Stadt, der Beerdigungszug eines Rappers verstopft die Straßen, Globalisierungskämpfer liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Weltweit geraten die Finanzmärkte ins Trudeln. Auch Eric Packers Leben gerät aus der Bahn...
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.06.2012NEUE TASCHENBÜCHER
Das Weiße ist lebenswichtig für
die Seele – „Cosmopolis“
Occupy, Börsenwahn, Spekulationsblasen . . . Es ist alles schon drin in diesem Buch, erkennt man heute, „Cosmopolis“ von Don DeLillo, 2003 erschienen, vor dem Start der Krise, nun wieder aufgelegt, zum Start des Films, den David Cronenberg nach dem Buch drehte, der Meister des modernen Leib- und Seelenverfalls (am 5. Juli). Die Finanzkrise, erzählt ganz von innen heraus, aus einer der protzigen weißen Stretchlimousinen, die gepanzert ist und proustisiert – mit Kork schallgeschützt! Denn der Insasse dieser Luxuszelle ist ein Sensibler, Eric Michael Packer, Ende zwanzig, im Film verkörpert in aller Unschuld von Robert Pattinson. Ich bin mir selbst zum Rätsel geworden, sagt er, ein Augustinus von Wall Street. Der Junge hat alles, weiß alles, will alles. Aber was kann man wollen, wenn alles möglich ist. Sein Reich bröckelt.
Ein Frühlingstag im Jahr 2000, Packer will einmal quer durch New York, trifft ein paar Frauen, seinen alten Friseur. Studiert den anarchischen Karneval auf den Straßen, die verstopft sind – der Präsident ist in der Stadt. In der Nacht wird Eric erleben, was es bedeutet, den Tod zu bringen, am Ende wird er selber tot sein.
Ein wildes, aggressives Buch, über das Amerika, das in seinem Wahn sich in der Krise vollendete. Immer wieder erliegt DeLillo dem eigenen Erzählfuror, und doch gibt es die zärtlichsten rettenden Momente: „Er stand in der Lyriknische vom Gotham Book Mart und blätterte in Gedichtbänden. Er schmökerte immer in dünnen Büchern, einen halben Finger breit oder weniger, und wählte Gedichte zum Lesen nach Länge und Breite aus. Er suchte nach Gedichten von vier, fünf, sechs Zeilen. Er analysierte solche Gedichte genau, dachte sich in jede Andeutung hinein und seine Gefühle schienen in dem weißen Raum um die Zeilen herumzuschweben. Es gab Zeichen auf den Seiten, und es gab die Seite selber. Das Weiße war lebenswichtig für die Seele des Gedichts.“ Weil er sich nicht sinnvoll im Raum bewegen kann, will der Junge Räume kaufen, um jeden Preis.
Fritz Göttler
Don DeLillo:
Cosmopolis. Roman. Aus dem Englischen von Frank Heibert. KiWi, Köln 2012.
205 Seiten, 8,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Das Weiße ist lebenswichtig für
die Seele – „Cosmopolis“
Occupy, Börsenwahn, Spekulationsblasen . . . Es ist alles schon drin in diesem Buch, erkennt man heute, „Cosmopolis“ von Don DeLillo, 2003 erschienen, vor dem Start der Krise, nun wieder aufgelegt, zum Start des Films, den David Cronenberg nach dem Buch drehte, der Meister des modernen Leib- und Seelenverfalls (am 5. Juli). Die Finanzkrise, erzählt ganz von innen heraus, aus einer der protzigen weißen Stretchlimousinen, die gepanzert ist und proustisiert – mit Kork schallgeschützt! Denn der Insasse dieser Luxuszelle ist ein Sensibler, Eric Michael Packer, Ende zwanzig, im Film verkörpert in aller Unschuld von Robert Pattinson. Ich bin mir selbst zum Rätsel geworden, sagt er, ein Augustinus von Wall Street. Der Junge hat alles, weiß alles, will alles. Aber was kann man wollen, wenn alles möglich ist. Sein Reich bröckelt.
Ein Frühlingstag im Jahr 2000, Packer will einmal quer durch New York, trifft ein paar Frauen, seinen alten Friseur. Studiert den anarchischen Karneval auf den Straßen, die verstopft sind – der Präsident ist in der Stadt. In der Nacht wird Eric erleben, was es bedeutet, den Tod zu bringen, am Ende wird er selber tot sein.
Ein wildes, aggressives Buch, über das Amerika, das in seinem Wahn sich in der Krise vollendete. Immer wieder erliegt DeLillo dem eigenen Erzählfuror, und doch gibt es die zärtlichsten rettenden Momente: „Er stand in der Lyriknische vom Gotham Book Mart und blätterte in Gedichtbänden. Er schmökerte immer in dünnen Büchern, einen halben Finger breit oder weniger, und wählte Gedichte zum Lesen nach Länge und Breite aus. Er suchte nach Gedichten von vier, fünf, sechs Zeilen. Er analysierte solche Gedichte genau, dachte sich in jede Andeutung hinein und seine Gefühle schienen in dem weißen Raum um die Zeilen herumzuschweben. Es gab Zeichen auf den Seiten, und es gab die Seite selber. Das Weiße war lebenswichtig für die Seele des Gedichts.“ Weil er sich nicht sinnvoll im Raum bewegen kann, will der Junge Räume kaufen, um jeden Preis.
Fritz Göttler
Don DeLillo:
Cosmopolis. Roman. Aus dem Englischen von Frank Heibert. KiWi, Köln 2012.
205 Seiten, 8,99 Euro.
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» Cosmopolis, schwindelerregend intelligent geschrieben, ist ein irritierendes Buch von großer diagnostischer Qualität - ein historischer Roman aus dem Cyberspace.« Frankfurter Rundschau