Das Baby ist tot. Die Mörderin ist die Kinderfrau. Eine Perle. Myriam, Rechtsanwältin und Mutter zweier kleiner Kinder, beschließt, wieder arbeiten zu gehen. Gemeinsam mit ihrem Mann sucht sie nach der perfekten Kinderfrau. Nach langer Suche entscheiden sie sich für Louise, eine zierliche Frau Anfang fünfzig, deren Tochter bereits erwachsen und deren Mann verstorben ist. Louise erobert auf Anhieb die Herzen der Kinder und macht sich schnell unentbehrlich: Sie ist Köchin, Haushaltshilfe, guter Geist. Was sie verheimlicht: ihre Einsamkeit, ihre Geldnot, ihre Verzweiflung. Die gegenseitige Abhängigkeit wird immer größer, bis irgendwann eine Tragödie über die Familie hereinbricht. Ungekürzt gelesen von Constanze Becker. (Laufzeit: 5h 26)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2017Warnung vor einem Roman
"Dann schlaf auch du", das neue Buch der Französin Leïla Slimani, erzählt von einem mordenden Kindermädchen und mütterlichen Schuldgefühlen. Es ist klar, es ist schmerzhaft, und es ist großartig
Vielleicht muss man vor diesem Buch warnen: Es könnte sein, dass es schockt. Dass es schmerzt. Dass man nach dieser Rezension sagt: "Auf keinen Fall lese ich das!" Das wäre sogar verständlich. Vor manchen Dingen möchte man sich lieber schützen. Trotzdem wäre es schade. Denn Leïla Slimanis neues Buch, das auf Deutsch gerade unter dem nicht ganz so grausamen Titel "Dann schlaf auch du" erschienen ist (im Französischen heißt es "Chanson Douce", wie in dem Lied "Une chanson douce que me chantait ma maman . . ."), ist wahnsinnig gut. Es geht um eine mordende Nanny, das ist schrecklich, aber der Roman ist großartig. Noch großartiger als Slimanis vorheriger, ihr allererster.
In "Dans le Jardin de l'Ogre" (der auf Deutsch voraussichtlich im kommenden Herbst erscheinen wird) ging es um eine Nymphomanin, eine Frau, die sich durch das zu enge, zu graue Paris wie durch ihr zu enges, zu graues Leben als Ehefrau und Mutter schleppte. Sie erstickte an den Konventionen, den vorgeformten Lebensentwürfen, den vorhersehbaren Gesprächen, an den abstrakten Moralvorstellungen, an der Genügsamkeit, mit der ihre Mitmenschen ihre Existenzen hinnehmen. Adèle war eine Frau, die zerbrach am Dahinplätschern des Alltags und die mit allen Mitteln versuchte, etwas Starkes zu spüren.
In "Dann schlaf auch du" ist alles ein bisschen anders. Erstens geht es nicht um Sex, sondern um Mord. Zweitens ist es hier nicht die Protagonistin, die versucht, sich aus ihrer Taubheit zu befreien, sondern Slimani, die dem Leser eine riesige Ohrfeige gibt. Gleich auf der ersten Seite, als wolle sie ihn wachrütteln, statt sich immer nur selbst weh zu tun. "Das Baby ist tot" lautet der erste Satz des Buches, ein paar Absätze weiter erfahren wir, dass auch seine Schwester, die "wie eine Wilde" (die Übersetzung trifft Slimanis sehr klare Sprache leider nicht immer gut) um ihr Leben gekämpft hat, ihren Verletzungen erliegen wird. Zwei Kinder sterben, erstochen von ihrer Nanny. Das sind die ersten drei Seiten. Danach geht Slimani in der Zeit zurück. Sie erzählt vom sehr normalen Alltag dieser sehr normalen Familie.
Paul und Myriam, die Eltern, sind "Bobos", wie man sie treffender nicht hätte beschreiben können: Sie sind beide Mitte dreißig, Paul ist Musikproduzent, Myriam Juristin, sie leben im 10. Arrondissement von Paris, in einer Wohnung, die eigentlich zu klein ist, aber was soll man tun, Paris eben. Sie haben viele schöne Prinzipien, die sich bisher kaum an der Realität messen mussten, und wenn es um ihre Familie geht, dann schmeißen sie sie auch gerne mal über Bord. Dann ist es nicht frauenfeindlich, sondern nur sinnvoll, dass die Nanny keine Kinder haben soll, weil sie sonst unflexibler ist. Die Familie steht über allem, so muss das sein.
Deshalb entschloss sich Myriam bei der Geburt ihrer Tochter Mila, zu Hause zu bleiben, um nach der Geburt des kleinen Adam festzustellen, dass diese sogenannten "einfachen Freuden" ihr nicht reichen. Die Langsamkeit dieses Daseins erdrückt sie, sie will arbeiten. Also suchen sie eine Nanny. Und finden sie. Louise ist perfekt. Sie kümmert sich um die Kinder (die sie lieben), um den Haushalt (der plötzlich nicht mehr wie ein unbesiegbares Monster erscheint), sie kocht, wäscht, putzt. Sie ist immer da, wenn man sie braucht, aber so diskret, dass sie nie stört. Myriam und Paul leben auf, es scheint, als nehme ihr Leben Fahrt auf, als würde jetzt alles schneller und heller.
Ihnen scheint das so, wir wissen längst, worauf das alles hinausläuft. Manchmal ist es, als würde man einen Horrorfilm schauen, würde sehen, wie die Frau unbekümmert das Zimmer betritt, in dem der Mörder hinter dem Vorhang lauert. Man will den Eltern zurufen: "Schmeißt sie raus!", will, dass sie die Zeichen richtig lesen, die wir als Vorboten erkennen. Aber natürlich kapieren die beiden gar nichts. Es macht sich ein Unwohlsein breit, aber sie verstehen nicht, warum, sie schauen permanent in die falsche Richtung. Sie beschäftigen sich mit Trivialitäten, sind selbstgefällig, machen sich Sorgen darüber, ob sie gute Chefs sind. Sie sind darum bemüht, die soziale Kluft zwischen ihnen und ihren Angestellten zu überdecken, so sehr, dass Myriam sogar ihre neuen Kleider versteckt, weil sie fürchtet, sie könne die Nanny durch ihren eigenen (sehr relativen) Wohlstand demütigen. Wie es wohl für diese Frau ist, den Kindern so viel Liebe zu geben, alles mit ihnen zu teilen und dabei zu wissen, dass sie irgendwann, bald, gehen muss und dann schnell vergessen sein wird - darüber macht sich Myriam keine Gedanken. Louise ist wie einer dieser Schatten, die im Theater zwischen den Akten die Requisiten hin und her schieben: Ohne sie würde es diese Bühnenwelt nicht geben, einen Platz darin, einen im Licht, wird sie trotzdem nie bekommen.
Slimani wechselt immer wieder die Perspektiven und beschreibt sehr eindringlich, wie die vielen Trennungen, dieses seltsame Intermezzo in der Intimsphäre anderer Menschen die Nanny langsam, fast unmerklich zerfressen. Irgendwann denkt Louise: "Ich kann nicht mehr lieben", und danach geht alles sehr schnell. Den Plot für ihren Roman, für den die 35-jährige Slimani im vergangenen Herbst den Prix Goncourt gewonnen hat, fand sie vor ein paar Jahren in einer Zeitung. 2012 erstach eine Nanny in der Upper East Side die beiden Kinder, auf die sie aufpasste. Einfach so, es gab kein Motiv, keinen "Grund". Sie hatte ein paar Geldprobleme und fühlte sich in eine Sackgasse gedrängt.
Leïla Slimani, die schon lange über eine Gouvernante, diese, wie sie sagt, "tragische Figur" schreiben wollte, fand die Geschichte perfekt. Ein bisschen erinnert das Prozedere an Emmanuel Carrère und seinen Non-Fiction-Roman "Amok", in dem ein Mann eines Tages seine gesamte Familie niedermetzelte, nur dass Slimani sich im Gegensatz zu ihrem Kollegen nicht breitbeinig in den Raum stellt, um zu beobachten, was dieser Horror mit ihr macht. Sie nimmt sich raus und beobachtet das Handeln und Fühlen ihrer Figuren. Natürlich tut sie das auch aus ihrer Perspektive, der einer Frau, einer Ehefrau, einer Mutter, einer Schriftstellerin. Leïla Slimanis Thema, das kann man nach zwei Romanen einfach mal behaupten, sind die Frauen. In Frankreich bringt sie gerade auch einen Essay über die weibliche Sexualität in Marokko heraus. Oder besser gesagt: Ihr Thema ist die Frage, wie man als Frau seinen Platz findet, welche Rolle man einnehmen möchte oder sich einzunehmen traut. Wie man mit den Widersprüchen, die diese Rollen ja manchmal in sich tragen, umgeht und inwieweit die (neue) Freiheit zu wählen auch einen Raum für Unzufriedenheit öffnet. Frausein, Muttersein - was bedeutet das eigentlich? Ist das immer so klar?
Für Leïla Slimani, das war auch schon in ihrem ersten Buch zu sehen, ist es das nicht. Es ist mit viel Angst, Scham, Zweifel und viel Schuld verbunden. In "Dann schlaf auch du" kreist sie um diese ewige Schuld der Frau, der Mutter. Vor Gericht heißt es irgendwann, Myriam sei eine egoistische, von Ambitionen getriebene Frau, als wäre der Mord an ihren Kindern nur eine logische Strafe für ihren unerhörten Wunsch nach einem eigenen Leben. Noch vor der Tragödie reden ihr permanent Leute, besonders Frauen, ihre Schwiegermutter, ihre Freundin, die Lehrerin, ein schlechtes Gewissen ein. Natürlich darf sie mehr wollen, scheinen sie zu sagen, gäbe sie sich aber mit weniger zufrieden, dann passierte sicher nie etwas. Nur wäre das, so viel weiß man, wenn man Slimani liest, der größte Horror überhaupt.
ANNABELLE HIRSCH
Leïla Slimani: "Dann schlaf auch du". Roman. Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Luchterhand, 224 Seiten, 20 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Dann schlaf auch du", das neue Buch der Französin Leïla Slimani, erzählt von einem mordenden Kindermädchen und mütterlichen Schuldgefühlen. Es ist klar, es ist schmerzhaft, und es ist großartig
Vielleicht muss man vor diesem Buch warnen: Es könnte sein, dass es schockt. Dass es schmerzt. Dass man nach dieser Rezension sagt: "Auf keinen Fall lese ich das!" Das wäre sogar verständlich. Vor manchen Dingen möchte man sich lieber schützen. Trotzdem wäre es schade. Denn Leïla Slimanis neues Buch, das auf Deutsch gerade unter dem nicht ganz so grausamen Titel "Dann schlaf auch du" erschienen ist (im Französischen heißt es "Chanson Douce", wie in dem Lied "Une chanson douce que me chantait ma maman . . ."), ist wahnsinnig gut. Es geht um eine mordende Nanny, das ist schrecklich, aber der Roman ist großartig. Noch großartiger als Slimanis vorheriger, ihr allererster.
In "Dans le Jardin de l'Ogre" (der auf Deutsch voraussichtlich im kommenden Herbst erscheinen wird) ging es um eine Nymphomanin, eine Frau, die sich durch das zu enge, zu graue Paris wie durch ihr zu enges, zu graues Leben als Ehefrau und Mutter schleppte. Sie erstickte an den Konventionen, den vorgeformten Lebensentwürfen, den vorhersehbaren Gesprächen, an den abstrakten Moralvorstellungen, an der Genügsamkeit, mit der ihre Mitmenschen ihre Existenzen hinnehmen. Adèle war eine Frau, die zerbrach am Dahinplätschern des Alltags und die mit allen Mitteln versuchte, etwas Starkes zu spüren.
In "Dann schlaf auch du" ist alles ein bisschen anders. Erstens geht es nicht um Sex, sondern um Mord. Zweitens ist es hier nicht die Protagonistin, die versucht, sich aus ihrer Taubheit zu befreien, sondern Slimani, die dem Leser eine riesige Ohrfeige gibt. Gleich auf der ersten Seite, als wolle sie ihn wachrütteln, statt sich immer nur selbst weh zu tun. "Das Baby ist tot" lautet der erste Satz des Buches, ein paar Absätze weiter erfahren wir, dass auch seine Schwester, die "wie eine Wilde" (die Übersetzung trifft Slimanis sehr klare Sprache leider nicht immer gut) um ihr Leben gekämpft hat, ihren Verletzungen erliegen wird. Zwei Kinder sterben, erstochen von ihrer Nanny. Das sind die ersten drei Seiten. Danach geht Slimani in der Zeit zurück. Sie erzählt vom sehr normalen Alltag dieser sehr normalen Familie.
Paul und Myriam, die Eltern, sind "Bobos", wie man sie treffender nicht hätte beschreiben können: Sie sind beide Mitte dreißig, Paul ist Musikproduzent, Myriam Juristin, sie leben im 10. Arrondissement von Paris, in einer Wohnung, die eigentlich zu klein ist, aber was soll man tun, Paris eben. Sie haben viele schöne Prinzipien, die sich bisher kaum an der Realität messen mussten, und wenn es um ihre Familie geht, dann schmeißen sie sie auch gerne mal über Bord. Dann ist es nicht frauenfeindlich, sondern nur sinnvoll, dass die Nanny keine Kinder haben soll, weil sie sonst unflexibler ist. Die Familie steht über allem, so muss das sein.
Deshalb entschloss sich Myriam bei der Geburt ihrer Tochter Mila, zu Hause zu bleiben, um nach der Geburt des kleinen Adam festzustellen, dass diese sogenannten "einfachen Freuden" ihr nicht reichen. Die Langsamkeit dieses Daseins erdrückt sie, sie will arbeiten. Also suchen sie eine Nanny. Und finden sie. Louise ist perfekt. Sie kümmert sich um die Kinder (die sie lieben), um den Haushalt (der plötzlich nicht mehr wie ein unbesiegbares Monster erscheint), sie kocht, wäscht, putzt. Sie ist immer da, wenn man sie braucht, aber so diskret, dass sie nie stört. Myriam und Paul leben auf, es scheint, als nehme ihr Leben Fahrt auf, als würde jetzt alles schneller und heller.
Ihnen scheint das so, wir wissen längst, worauf das alles hinausläuft. Manchmal ist es, als würde man einen Horrorfilm schauen, würde sehen, wie die Frau unbekümmert das Zimmer betritt, in dem der Mörder hinter dem Vorhang lauert. Man will den Eltern zurufen: "Schmeißt sie raus!", will, dass sie die Zeichen richtig lesen, die wir als Vorboten erkennen. Aber natürlich kapieren die beiden gar nichts. Es macht sich ein Unwohlsein breit, aber sie verstehen nicht, warum, sie schauen permanent in die falsche Richtung. Sie beschäftigen sich mit Trivialitäten, sind selbstgefällig, machen sich Sorgen darüber, ob sie gute Chefs sind. Sie sind darum bemüht, die soziale Kluft zwischen ihnen und ihren Angestellten zu überdecken, so sehr, dass Myriam sogar ihre neuen Kleider versteckt, weil sie fürchtet, sie könne die Nanny durch ihren eigenen (sehr relativen) Wohlstand demütigen. Wie es wohl für diese Frau ist, den Kindern so viel Liebe zu geben, alles mit ihnen zu teilen und dabei zu wissen, dass sie irgendwann, bald, gehen muss und dann schnell vergessen sein wird - darüber macht sich Myriam keine Gedanken. Louise ist wie einer dieser Schatten, die im Theater zwischen den Akten die Requisiten hin und her schieben: Ohne sie würde es diese Bühnenwelt nicht geben, einen Platz darin, einen im Licht, wird sie trotzdem nie bekommen.
Slimani wechselt immer wieder die Perspektiven und beschreibt sehr eindringlich, wie die vielen Trennungen, dieses seltsame Intermezzo in der Intimsphäre anderer Menschen die Nanny langsam, fast unmerklich zerfressen. Irgendwann denkt Louise: "Ich kann nicht mehr lieben", und danach geht alles sehr schnell. Den Plot für ihren Roman, für den die 35-jährige Slimani im vergangenen Herbst den Prix Goncourt gewonnen hat, fand sie vor ein paar Jahren in einer Zeitung. 2012 erstach eine Nanny in der Upper East Side die beiden Kinder, auf die sie aufpasste. Einfach so, es gab kein Motiv, keinen "Grund". Sie hatte ein paar Geldprobleme und fühlte sich in eine Sackgasse gedrängt.
Leïla Slimani, die schon lange über eine Gouvernante, diese, wie sie sagt, "tragische Figur" schreiben wollte, fand die Geschichte perfekt. Ein bisschen erinnert das Prozedere an Emmanuel Carrère und seinen Non-Fiction-Roman "Amok", in dem ein Mann eines Tages seine gesamte Familie niedermetzelte, nur dass Slimani sich im Gegensatz zu ihrem Kollegen nicht breitbeinig in den Raum stellt, um zu beobachten, was dieser Horror mit ihr macht. Sie nimmt sich raus und beobachtet das Handeln und Fühlen ihrer Figuren. Natürlich tut sie das auch aus ihrer Perspektive, der einer Frau, einer Ehefrau, einer Mutter, einer Schriftstellerin. Leïla Slimanis Thema, das kann man nach zwei Romanen einfach mal behaupten, sind die Frauen. In Frankreich bringt sie gerade auch einen Essay über die weibliche Sexualität in Marokko heraus. Oder besser gesagt: Ihr Thema ist die Frage, wie man als Frau seinen Platz findet, welche Rolle man einnehmen möchte oder sich einzunehmen traut. Wie man mit den Widersprüchen, die diese Rollen ja manchmal in sich tragen, umgeht und inwieweit die (neue) Freiheit zu wählen auch einen Raum für Unzufriedenheit öffnet. Frausein, Muttersein - was bedeutet das eigentlich? Ist das immer so klar?
Für Leïla Slimani, das war auch schon in ihrem ersten Buch zu sehen, ist es das nicht. Es ist mit viel Angst, Scham, Zweifel und viel Schuld verbunden. In "Dann schlaf auch du" kreist sie um diese ewige Schuld der Frau, der Mutter. Vor Gericht heißt es irgendwann, Myriam sei eine egoistische, von Ambitionen getriebene Frau, als wäre der Mord an ihren Kindern nur eine logische Strafe für ihren unerhörten Wunsch nach einem eigenen Leben. Noch vor der Tragödie reden ihr permanent Leute, besonders Frauen, ihre Schwiegermutter, ihre Freundin, die Lehrerin, ein schlechtes Gewissen ein. Natürlich darf sie mehr wollen, scheinen sie zu sagen, gäbe sie sich aber mit weniger zufrieden, dann passierte sicher nie etwas. Nur wäre das, so viel weiß man, wenn man Slimani liest, der größte Horror überhaupt.
ANNABELLE HIRSCH
Leïla Slimani: "Dann schlaf auch du". Roman. Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Luchterhand, 224 Seiten, 20 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Roman Bucheli lässt sich nicht überzeugen von Leïla Slimanis Roman. Auch wenn die Autorin mit erzählerischer Virtuosität glänzt, meint er, geht sie ihrer eigenen Story auf den Leim und bringt nicht mehr als eine simpel gestrickte Gesellschaftskritik zustande, derzufolge der Täter (in diesem Fall eine Kinder mordende Nanny) immer auch das erniedrigte und beleidigte Opfer ist. Aller Sarkasmus, mit dem die Autorin doppelte moralische Standards aufspießt, alle Präzision der Komposition halten Bucheli nicht bei der Stange. Zu genau, meint er, weiß die Autorin von Anbeginn, wo das Gute, wo das Böse zu finden ist. Die "penetrant" ausagierte Unausweichlichkeit der Tat, so Bucheli, degradiert die Figuren zu Marionetten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Virtuos inszeniert Leïla Slimani die unselige Verflechtung von unstillbaren Begierden und sozialer Not. Ein Roman von umwerfender Ambivalenz.« Meike Feßmann / Süddeutsche Zeitung
»Es ist klar, es ist schmerzhaft, es ist großartig.« Annabelle Hirsch / Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung