»Ich wurde geboren, weil du gestorben warst, ich habe dich ersetzt.« August 1950. Annie spielt draußen im Garten, ihre Mutter steht am Zaun und plaudert mit der Nachbarin. Eine folgenreiche Plauderei, denn so erfährt Annie, dass ihre Eltern vor ihrer Geburt bereits eine Tochter hatten, die sechsjährig an Diphtherie gestorben ist. Ihre Eltern werden über die Schwester niemals wieder ein Wort verlieren und Annie wird auch niemals nachfragen. Doch auch dieses Schweigen formt eine Geschichte, verleiht der toten Schwester eine Gestalt, prägt Annies Persönlichkeit und Charakter. Jahrzehnte später schreibt sie einen Brief an die Schwester.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Judith von Sternburg empfiehlt Annie Erneaux' vorübergehend vergriffenes, nun wieder erhältliches Buch nicht nur als "wahrliches Novemberbuch". Es geht darin um die mit sechs Jahren verstorbene Schwester Ernaux', von der sie lange nichts wusste; verfasst ist es in Form eines Briefs an diese. Neben den Schilderungen des Schweigens der Familie, die die Kritikerin aus anderen Büchern Ernaux' bereits gut kennt, schätzt sie dieses Mal besonders die Sparsamkeit und Genauigkeit, mit der die Autorin Jahre später zu formulieren vermöge, was sie damals gegenüber ihrer Schwester empfand - weder Liebe noch Hass, sondern "höchstens ein eifersüchtiges Misstrauen", wie von Sternburg zitiert. Auch liege über dem Text "eigentlich keine Verzweiflung", stellt sie fest; trotz des Verweises auf Kafkas "Brief an den Vater". Ein beeindruckend "kühl und haargenau" geschriebenes und ebenso übersetztes Buch, in dem die Autorin ihre Eltern in den Vordergrund rückt, so von Sternburg.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Das andere Mädchen ist keine Klage, keine noch so abgeklärte Betroffenheitsliteratur. Es ist ein beobachtendes Buch, die Zusammenfassung vieler Überlegungen, die jetzt kühl und haargenau hingeschrieben (und von Sonja Finck kühl und haargenau übersetzt) werden können.« Judith von Sternburg Frankfurter Rundschau 20221113