Warum die BRD nicht ohne die DDR zu verstehen ist - und umgekehrt Ursula Weidenfeld legt eine Geschichte des doppelten Deutschland vor, wie sie so noch nicht geschrieben wurde. Bisher gibt es, zumindest in der westdeutschen Erinnerung, die Bundesrepublik (oder ganz einfach: "Deutschland") und daneben die DDR, üblicherweise als der "zweite deutsche Staat" bezeichnet. Deren Geschichte wird immer von hinten erzählt, vom Ende her - das ist die übliche Strafe für gescheiterte Staaten. Dagegen wird die Geschichte Westdeutschlands von Beginn an geschrieben, ihre Eckpunkte sind die Eckpunkte "Deutschlands" von der Staatsgründung bis heute. Diese Sichtweise aber ignoriert das Offene in der Entwicklung beider politischer Systeme. Ursula Weidenfeld macht es deshalb anders: Sie schildert eine einzigartige Parallel- und Wettbewerbssituation, in der sich zwei Staaten wie die beiden Teile eines Magneten gleichzeitig anzogen und abstießen. Diese beiden Länder einander gegenüberzustellen, sie miteinander und nebeneinander zu betrachten, ergibt eine neue deutsche Geschichte von 1949 bis heute. Gerade weil es keine oder nur wenige gemeinsame Erinnerungen gibt, ist das eine besondere Herausforderung. Ursula Weidenfeld stellt sich ihr und öffnet so einen neuen Blick auf das doppelte Deutschland. Gelesen von Jutta Seifert, die bereits die Stimme des Hörbuchs Die Kanzlerin von Ursula Weidenfeld war.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein wichtiges Thema verhandelt Ursula Weidenfelds Buch laut Rezensent Christian Hillgruber: die Geschichte des doppelten Deutschlands, der BRD und der DDR, zweier Länder, die getrennt und doch stets gegenseitig auf sich bezogen waren. Weidenfeld denkt diese Geschichte, erfahren wir, nicht vom Ende, sondern vom Anfang her. Hillgrubers Rezension erzählt in erster Linie entlang des besprochenen Buches die Geschichte dieser beiden Staaten nach, von den Gründungen in Anbindung an die Besatzungsmächte, über den Mauerbau und die 68er-Generation bis zur Wiedervereinigung. Auch die Paketsendungen zwischen den beiden Ländern analysiert Weidenfeld, legt Hillgruber dar, klar zeigte der Warenaustausch die Differenz von "Markt-und Mangewirtschaft" an. Auch der Sport spielt eine Rolle, so der Rezensent. Lobend erwähnt Hillgruber, dass Weidenfeld auch die Perspektiven weniger bekannter Zeitzeugen in ihr Buch aufnimmt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2024Deutschland - (un-)einig Vaterland
Mehr als 40 Jahre lang in zwei Staaten geteilt - und doch jeder Teil ständig auf den anderen fixiert: Deutschland zwischen 1949 und 1990.
Die Geschichte Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist zunächst eine doppelte Geschichte, die der Bundesrepublik und die der DDR, die zur gleichen Zeit, aber ganz unterschiedlich verlaufen ist, ehe daraus - unerwartet, ja unverhofft - wieder eine gemeinsame Gegenwart und mittlerweile auch schon wieder Zeitgeschichte geworden ist.
Aber auch die vierzig Jahre lang zweigeteilte Geschichte, die Geschichte von zwei deutschen Staaten, kann nicht isoliert, ohne Einbeziehung des jeweils anderen, erzählt werden; denn die "feindlichen Brüder" blieben in ihrer Koexistenz vielfältig aufeinander bezogen, ja teilweise geradezu aufeinander fixiert.
Es erscheint daher naheliegend, und die Geschichtswissenschaft hat damit begonnen, die beiden miteinander verflochtenen deutschen Nachkriegsgeschichten als zwei Teile eines Ganzen zu begreifen und die Geschichte West- und Ostdeutschlands als Parallelgeschichte zu schreiben, in der zwei Staaten in ihren antagonistischen politischen und gesellschaftlichen Systemen miteinander konkurrierten.
Die in der Eifel geborene und im Rheinland aufgewachsene, dann lange in Berlin tätige Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld stellt sich einer auch in ihrer Gegensätzlichkeit gemeinsamen Geschichte des geteilten Deutschlands. Und sie will diese Doppelgeschichte nicht von ihrem Ende her, sondern von vorn und damit in ihrer Entwicklungsoffenheit erzählen.
So schildert sie die Anfänge, die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen unter der Besatzungsherrschaft, die wirtschaftliche Starthilfe durch die Amerikaner im Westen, umfangreiche Demontagen und Ablieferungspflichten an die Sowjetunion im Osten, die Währungsreform 1948, deren durchschlagender Erfolg zu Beginn keineswegs gesichert erschien, schließlich die Gründung der Bundesrepublik und kurz danach - als Verkörperung eines vermeintlich besseren und gerechteren, weil sozialistischen Deutschland - der DDR, jeweils in enger Bindung an ihre Führungsmächte USA und Sowjetunion. Schon zuvor waren die Weichen für die Gegensätze gestellt worden, die nun bestimmend werden sollten: "Freiheit gegen Kollektiv, Wettbewerb gegen Planung, Privateigentum gegen Gemeinschaftsbesitz, parlamentarische Demokratie gegen die Einparteienherrschaft".
Der mit Hilfe der Sowjetunion niedergeschlagene Aufstand der Arbeiter am 17. Juni 1953 wurde für das DDR-Regime zum unbewältigten Trauma; in der Bundesrepublik avancierte er zum symbolträchtigen Nationalfeiertag. Weidenfeld sieht darin eine fragwürdige Aneignung des ostdeutschen Freiheits- und Einheitswillens durch die Bonner Republik.
Zur eigentlichen Geburtsstunde der DDR wird dann der zum Stopp der anhaltenden Massenflucht erfolgte Mauerbau am 13. August 1961, der ihr Sicherheit und Stabilität geben sollte. Von nun an hieß die deutschlandpolitische Frage bis auf Weiteres nicht mehr, wie die Teilung überwunden, sondern nur noch, wie man sich mit ihr arrangieren und doch einer fortschreitenden Entfremdung entgegenwirken könne. Schon 1968 steht für ganz unterschiedliche deutsche Erfahrungswelten, hier die Studentenrevolte, dort das gewaltsame Ende des Prager Frühlings. Aber die reformerische Aufbruchstimmung, das neue Lebensgefühl der jungen Generation blieben nicht auf die Bundesrepublik beschränkt, nur dass sie in der DDR alsbald wieder zurückgedrängt und erstickt wurden.
Während die Paketsendungen von West nach Ost und umgekehrt zum "Barometer für die deutsch-deutschen Beziehungen, für die Sehnsucht nach Vereinigung ebenso wie für die Unterschiede von Markt- und Mangelwirtschaft" wurden, trug man im Sport den Leistungswettbewerb aus. Auf diesem Feld gelang der DDR, was ihr in wirtschaftlicher Hinsicht nie gelingen sollte: "überholen, ohne einzuholen" (Ulbricht). Der Fußball blieb allerdings Westdomäne, das "Wunder von Bern" 1954 vereinte die Deutschen ebenso wie der WM-Titel 1990 im Sommer vor der deutschen Einheit.
Alle Bemühungen der DDR, ihren Bürgern eine eigene sozialistische Identität zu geben, scheiterten, der Versuch, sich bruchstückhaft vermeintlich fortschrittliche Aspekte der deutschen Geschichte als legitimes Erbe zu sichern, ebenfalls.
Die Bundesrepublik, deren Bürger zunehmend westeuropäisch orientiert waren und sich weniger als Deutsche identifizierten als ihre Brüder und Schwestern im Osten, versuchte die wirtschaftlich zurückfallende DDR finanziell zu stabilisieren; aber die DDR blieb fragil, weil das Regime selbst auf wohlmeinende Kritik, die nur eine "bessere DDR" erstrebte, nur mit schwerster Repression zu reagieren vermochte. Viele Ausreisen, freiwillige wie erzwungene, waren die Folge.
Mit der friedlichen Revolution von 1989 schrieben die Menschen im Osten deutsche Geschichte und gaben ihr die entscheidende Wendung. Ihr Wille zur Einheit hat diese erst möglich gemacht, auch wenn diese danach von der Bundesrepublik ins Werk gesetzt wurde. Der besondere Wert des Buches liegt in den Zeugnissen von weniger prominenten Zeitgenossen, die Weidenfeld zu Wort kommen und an deren Erinnerungen der deutschen Doppelgeschichte sie uns teilhaben lässt. Dadurch wird die deutsch-deutsche Geschichte, die auch eine Geschichte der Illusionen und Missverständnisse war, lebendig.
In der zweifachen deutschen Nachkriegsgeschichte überschrieb das neue Eigene bald das frühere Gemeinsame. Trotz aller Versäumnisse und Fehler im Einigungsprozess, in dessen Verlauf es insbesondere nicht gelungen ist, das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen durch Stolz auf die von ihnen selbst errungene Einheit in Freiheit zu stärken, besteht nun doch immerhin die Chance, dass auf längere Sicht in den nachfolgenden Generationen gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse das noch immer Trennende überwinden. CHRISTIAN HILLGRUBER
Ursula Weidenfeld: Das doppelte Deutschland. Eine Parallelgeschichte 1949 -1990.
Rowohlt Verlag, Berlin 2024. 416 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mehr als 40 Jahre lang in zwei Staaten geteilt - und doch jeder Teil ständig auf den anderen fixiert: Deutschland zwischen 1949 und 1990.
Die Geschichte Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist zunächst eine doppelte Geschichte, die der Bundesrepublik und die der DDR, die zur gleichen Zeit, aber ganz unterschiedlich verlaufen ist, ehe daraus - unerwartet, ja unverhofft - wieder eine gemeinsame Gegenwart und mittlerweile auch schon wieder Zeitgeschichte geworden ist.
Aber auch die vierzig Jahre lang zweigeteilte Geschichte, die Geschichte von zwei deutschen Staaten, kann nicht isoliert, ohne Einbeziehung des jeweils anderen, erzählt werden; denn die "feindlichen Brüder" blieben in ihrer Koexistenz vielfältig aufeinander bezogen, ja teilweise geradezu aufeinander fixiert.
Es erscheint daher naheliegend, und die Geschichtswissenschaft hat damit begonnen, die beiden miteinander verflochtenen deutschen Nachkriegsgeschichten als zwei Teile eines Ganzen zu begreifen und die Geschichte West- und Ostdeutschlands als Parallelgeschichte zu schreiben, in der zwei Staaten in ihren antagonistischen politischen und gesellschaftlichen Systemen miteinander konkurrierten.
Die in der Eifel geborene und im Rheinland aufgewachsene, dann lange in Berlin tätige Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld stellt sich einer auch in ihrer Gegensätzlichkeit gemeinsamen Geschichte des geteilten Deutschlands. Und sie will diese Doppelgeschichte nicht von ihrem Ende her, sondern von vorn und damit in ihrer Entwicklungsoffenheit erzählen.
So schildert sie die Anfänge, die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen unter der Besatzungsherrschaft, die wirtschaftliche Starthilfe durch die Amerikaner im Westen, umfangreiche Demontagen und Ablieferungspflichten an die Sowjetunion im Osten, die Währungsreform 1948, deren durchschlagender Erfolg zu Beginn keineswegs gesichert erschien, schließlich die Gründung der Bundesrepublik und kurz danach - als Verkörperung eines vermeintlich besseren und gerechteren, weil sozialistischen Deutschland - der DDR, jeweils in enger Bindung an ihre Führungsmächte USA und Sowjetunion. Schon zuvor waren die Weichen für die Gegensätze gestellt worden, die nun bestimmend werden sollten: "Freiheit gegen Kollektiv, Wettbewerb gegen Planung, Privateigentum gegen Gemeinschaftsbesitz, parlamentarische Demokratie gegen die Einparteienherrschaft".
Der mit Hilfe der Sowjetunion niedergeschlagene Aufstand der Arbeiter am 17. Juni 1953 wurde für das DDR-Regime zum unbewältigten Trauma; in der Bundesrepublik avancierte er zum symbolträchtigen Nationalfeiertag. Weidenfeld sieht darin eine fragwürdige Aneignung des ostdeutschen Freiheits- und Einheitswillens durch die Bonner Republik.
Zur eigentlichen Geburtsstunde der DDR wird dann der zum Stopp der anhaltenden Massenflucht erfolgte Mauerbau am 13. August 1961, der ihr Sicherheit und Stabilität geben sollte. Von nun an hieß die deutschlandpolitische Frage bis auf Weiteres nicht mehr, wie die Teilung überwunden, sondern nur noch, wie man sich mit ihr arrangieren und doch einer fortschreitenden Entfremdung entgegenwirken könne. Schon 1968 steht für ganz unterschiedliche deutsche Erfahrungswelten, hier die Studentenrevolte, dort das gewaltsame Ende des Prager Frühlings. Aber die reformerische Aufbruchstimmung, das neue Lebensgefühl der jungen Generation blieben nicht auf die Bundesrepublik beschränkt, nur dass sie in der DDR alsbald wieder zurückgedrängt und erstickt wurden.
Während die Paketsendungen von West nach Ost und umgekehrt zum "Barometer für die deutsch-deutschen Beziehungen, für die Sehnsucht nach Vereinigung ebenso wie für die Unterschiede von Markt- und Mangelwirtschaft" wurden, trug man im Sport den Leistungswettbewerb aus. Auf diesem Feld gelang der DDR, was ihr in wirtschaftlicher Hinsicht nie gelingen sollte: "überholen, ohne einzuholen" (Ulbricht). Der Fußball blieb allerdings Westdomäne, das "Wunder von Bern" 1954 vereinte die Deutschen ebenso wie der WM-Titel 1990 im Sommer vor der deutschen Einheit.
Alle Bemühungen der DDR, ihren Bürgern eine eigene sozialistische Identität zu geben, scheiterten, der Versuch, sich bruchstückhaft vermeintlich fortschrittliche Aspekte der deutschen Geschichte als legitimes Erbe zu sichern, ebenfalls.
Die Bundesrepublik, deren Bürger zunehmend westeuropäisch orientiert waren und sich weniger als Deutsche identifizierten als ihre Brüder und Schwestern im Osten, versuchte die wirtschaftlich zurückfallende DDR finanziell zu stabilisieren; aber die DDR blieb fragil, weil das Regime selbst auf wohlmeinende Kritik, die nur eine "bessere DDR" erstrebte, nur mit schwerster Repression zu reagieren vermochte. Viele Ausreisen, freiwillige wie erzwungene, waren die Folge.
Mit der friedlichen Revolution von 1989 schrieben die Menschen im Osten deutsche Geschichte und gaben ihr die entscheidende Wendung. Ihr Wille zur Einheit hat diese erst möglich gemacht, auch wenn diese danach von der Bundesrepublik ins Werk gesetzt wurde. Der besondere Wert des Buches liegt in den Zeugnissen von weniger prominenten Zeitgenossen, die Weidenfeld zu Wort kommen und an deren Erinnerungen der deutschen Doppelgeschichte sie uns teilhaben lässt. Dadurch wird die deutsch-deutsche Geschichte, die auch eine Geschichte der Illusionen und Missverständnisse war, lebendig.
In der zweifachen deutschen Nachkriegsgeschichte überschrieb das neue Eigene bald das frühere Gemeinsame. Trotz aller Versäumnisse und Fehler im Einigungsprozess, in dessen Verlauf es insbesondere nicht gelungen ist, das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen durch Stolz auf die von ihnen selbst errungene Einheit in Freiheit zu stärken, besteht nun doch immerhin die Chance, dass auf längere Sicht in den nachfolgenden Generationen gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse das noch immer Trennende überwinden. CHRISTIAN HILLGRUBER
Ursula Weidenfeld: Das doppelte Deutschland. Eine Parallelgeschichte 1949 -1990.
Rowohlt Verlag, Berlin 2024. 416 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ursula Weidenfeld gelingt es ..., die Geschichte der beiden Staaten spannend gegenüberzustellen, ohne sie zu verklären. Sächsische Zeitung