„1916 in der Apotheke des Badeortes Torquay an der Westküste Englands: Eine frisch verheiratete junge Dame aus den besten Kreisen tut hier freiwillig Dienst als Krankenschwester, wie es viele tun in den Kriegsjahren. Ihr Gatte Archibald befindet sich irgendwo in der Luft über Frankreich, er gehört
zum Königlichen Fliegercorps. Die junge Dame langweilt sich - und schmiedet einen finsteren Plan:…mehr„1916 in der Apotheke des Badeortes Torquay an der Westküste Englands: Eine frisch verheiratete junge Dame aus den besten Kreisen tut hier freiwillig Dienst als Krankenschwester, wie es viele tun in den Kriegsjahren. Ihr Gatte Archibald befindet sich irgendwo in der Luft über Frankreich, er gehört zum Königlichen Fliegercorps. Die junge Dame langweilt sich - und schmiedet einen finsteren Plan: "Auf den Regalen rund um mich standen Gifte, und so war es vielleicht nur natürlich, dass ich einen Giftmord ins Auge fasste!"
So begann der Hörbeitrag des Kalenderblattes von Bayern 2 am 21. Januar 2014. Das Kalenderblatt ist eine Art “akustischer Abreißkalender“, der täglich um fünf vor zehn Uhr morgens zu hören ist. Ilse Neubauer, die den Text des Autors Christian Feldmann vorlas, war dann weiter zu hören: „Zum Glück verübt die mordlüsterne Apothekenhelferin ihre Freveltat nur auf dem Papier. Sie erfindet einen eitlen, geschwätzigen, aber genialen Detektiv, der einen Giftmord zu klären hat. Spätestens jetzt wissen wir natürlich, dass es sich um Monsieur Hercule Poirot handelt, und wie seine Schöpferin heißt: Agatha Christie.“
Noch im Auto machte ich mir die gedankliche Notiz, den alten Band aus dem Scherz Verlag aus meinem Bücherregal zu nehmen und wieder zu lesen. Auf den Tag genau hundert Jahre zuvor, war in England Agatha Christies erster Krimi erschienen. “Das fehlende Glied in der Kette”, von der Kritik seinerzeit nur mäßig aufgenommen, markierte den Beginn einer einzigartigen Karriere. Insgesamt 65 Romane hat die “große Dame des britisches Krimis” ihrem Erstling folgen lassen. Ihre Detektivfiguren wie Hercule Poirot und Miss Marple sind bis heute ebenso bekannt wie beliebt.
Im Radio wurde der Inhalt des Buches recht launig skizziert: “Es geht um den grässlichen Tod der Gutsbesitzerin Emily Inglethorp auf Gut Styles, die an einer Prise Strychnin gestorben ist, und um den nicht minder grässlichen Verdacht gegen ihren Gatten Alfred, der laut Zeugenaussagen in der Dorfapotheke Strychnin gekauft hat. Zum Glück haben die Inglethorps den belgischen Superdetektiv Poirot zu Besuch. Der findet heraus, dass der Strychnin-Käufer dem Hausherrn nur ähnlich gesehen hat. Die Handschellen klicken nicht, und der bereits mit einem Haftbefehl vor der Tür stehende Scotland-Yard-Inspektor muss verärgert abziehen.“ Zunächst!
Natürlich lauerte das Unheil doch direkt im Umfeld der englischen Lady, die sich mit ihrer großzügigen aber herablassenden Art zu Lebzeiten wenig Freunde gemacht hat. Als Täter kommen nicht nur ihr wesentlich jüngerer zweiter Gatte Alfred, sondern auch die beiden Stiefsöhne John und Lawrence in Frage, die finanziell von ihr abhängig waren. Eine weitere Verdächtige ist die Nichte Cynthia, die in der Krankenhausapotheke Freiwilligendienst leistet und damit freien Zugang zum Giftschrank des Hospitals hat. Selbst die Ehefrau von John, die stolze und schöne Mary, ist verdächtig weil sie zufällig einen heftigen Streit mitbekommen hat, der (bei Bekanntwerden) für ihren Mann ein Skandal gewesen wäre.
Besonders dieser letzte Verdacht will dem Ich-Erzähler gar nicht gefallen. Die Verdächtige ist schließlich ein reizendes weibliches Wesen das ihm sehr gefällt. Wie auch in einigen späteren Werken, in denen der belgische Detektiv ermittelt, wird die Geschichte von Arthur Hastings erzählt. Der junge Lieutenant, der kriegsversehrt nach England zurückkehrt und von seinem Freund John Inglethorp nach Styles zur Erholung eingeladen wird, kennt Poirot von früher und ist mit ihm befreundet. Gemeinsam gehen sie auf Mörderjagd, wobei der offene und ehrliche junge Mann, die Rolle des berichtenden Beobachters übernimmt. Ähnlich wie Dr. Watson bei Sherlock Holmes.
Hier wie dort haben wir es mit einem genialen Geist zu tun, der die scheinbar kleinsten Hinweise deuten kann. Diese altmodische Art einem Verbrechen auf den Grund zu gehen, hat auch nach hundert Jahren nichts von ihrem Charme verloren!