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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Apokalyptischer wird's nicht: Jakob Thomä versammelt die größten Risiken für die Menschheit
Aus der medialen Berichterstattung ist das Wort "Krise" nicht wegzudenken. Manche sehen in den fortlaufenden Krisenmeldungen keinen Grund zur Sorge, andere mahnen zu weit mehr Aufmerksamkeit für die akuten Gefahren, die sich der Menschheit böten. Letztere meinen, dass ihre Appelle als Kassandrarufe verhallten, der Untergang der Welt gar bald bevorstünde.
In dieser Debatte ist eine nüchterne Einschätzung der Situation viel wert. Jakob Thomä möchte diese Einschätzung mit seinem "Kleinen Buch der großen Risiken" vorlegen. Von den Gefahren einer Atombombe bis zu der Wahrscheinlichkeit einer Zombieapokalypse arbeitet sich Thomä in alphabetischer Reihenfolge an Krisenszenarien ab, die nicht immer zum Ende der Menschheit führen würden, aber zumindest eine Katastrophe kolossalen Ausmaßes darstellten.
Thomä beginnt jedes Kapitel mit der Zusammenfassung des behandelten Risikos in einem Satz, es folgt eine kurze Antwort auf die Frage, ob sich der Mensch ernsthaft Sorgen machen solle, zum Schluss gibt es eine mehrseitige Erläuterung der potentiellen Katastrophe. Einige Risiken sind in aller Munde, etwa die Verselbständigung Künstlicher Intelligenz oder die Gefahren von Antibiotikaresistenzen, andere wiederum dürften manchen Leser überraschen.
Beispielsweise befasst sich Thomä mit den Gefahren von Quantencomputing. Ein Quantencomputer ist bis zu eine Trillion mal schneller als gewöhnliche Laptops. Während Letztere mit Bits arbeiten, nutzen Quantencomputer sogenannte Qubits, "die zur gleichen Zeit mehrere Zustände einnehmen können". Schnellere Rechner bergen allerdings kaum zu unterschätzende Folgen für die Verschlüsselung von Nachrichten, wie sie auch bei herkömmlichen Messengerdiensten vorgenommen wird. Denn welche Verschlüsselung ist vor einem Rechner sicher, der alle Möglichkeiten der Kodifizierung sofort berechnen könnte? An diesen Befund schließt sich eine für Thomäs Buch typische Relativierung des Risikos an. Bis die "Quantenüberlegenheit" erreicht sei, gehe noch Zeit ins Land. Außerdem könne die Technik auch für Positives genutzt werden, möglicherweise für eine neue, sicherere Art der Verschlüsselung.
Und dann sind da noch jene Risiken, die wir gar nicht wirklich vor Augen haben. Der Autor erinnert an den Ausbruch des Tambora in Indonesien 1815. Das darauffolgende Jahr ging, auch in Europa, als "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte ein. Spezialisten zufolge sank die globale Temperatur damals um ein Grad Celsius, und Europa erlebte die schlimmste Hungersnot des neunzehnten Jahrhunderts. "Die Wahrscheinlichkeit eines ähnlichen Ausbruchs noch in diesem Jahrhundert liegt bei etwa 20 Prozent", so Thomä. Der Ausbruch des Tambora erreichte im Vulkanexplosivitätsindex den Wert sieben, würde der Wert acht erreicht werden, wäre die Explosion zehn Mal stärker. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in diesem Jahrhundert dazu kommt, liegt immerhin bei knapp einem Prozent.
Thomä nimmt seinen Stoff aus naheliegenden Gründen nicht allzu ernst, das Buch ist humorvoll, streckenweise auch klamaukig ("Meine Lektorin ist ein Genie! Oder ich bin inzwischen selbst schon ein Zombie geworden. Muahahhahaa!") und stets unterhaltsam. Zuweilen wünscht sich der Leser tiefergehende Erklärungen, beispielsweise wenn der Autor über die Gefahren von Sonnenstürmen für unsere Elektrizität schreibt, aber nicht über die physikalische Wirkweise dieser Stürme auf Stromkreise aufklärt. Etwas über die Ursachen einer Katastrophe zu erfahren ist mindestens so interessant wie Informationen zu ihrer Wahrscheinlichkeit. HENDRIK BUCHHOLZ
Jakob Thomä: "Das kleine Buch der großen Risiken". Von Atombombe bis Zombieapokalypse.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2024.
224 S., Abb., geb., 22,- Euro.
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