Der Ort ist prachtvoll, die Stimmung aufgeräumt: Renommierte Dante-Gelehrte aus aller Herren Länder tagen im altehrwürdigen Saal der Malteser auf dem römischen Aventin, mit Blick auf den Petersdom. Im Mittelpunkt steht die "Göttliche Komödie", Dantes Einblick in die Welt nach dem Tod. Einer der eifrig Debattierenden ist Gottlieb Elsheimer, Frankfurter Romanist und nach eigener Einschätzung ein Kandidat fürs Fegefeuer. Bei aller Leidenschaft für den Forschungsgegenstand scheint ihm das zunehmend ausgelassene Verhalten der Kollegen seltsamer und seltsamer. Als die Kirchenglocken das Pfingstfest einläuten, bahnt sich ein Ereignis unbegreiflicher Art an. Leichtfüßig und wortgewaltig spaziert die Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff mit uns durch Hölle und Himmel. Die Stimme von Hörbuchpreisträger Frank Arnold passt perfekt zu diesem Hörbuch.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2016Pfingstwunder
Sibylle Lewitscharoff
Sie fühlt sich am Fuße des Läuterungsberges. "Wir sind so Zwischensünder", vermutete Sibylle Lewitscharoff, als sie ihren Dante-Roman "Das Pfingstwunder" im Frankfurter Literaturhaus vorstellte. Vor einer kleinen Gemeinde im Großen Saal sprach die Büchnerpreisträgerin mit ihrer Lektorin Julia Ketterer vom Suhrkamp Verlag über den "Transit" vom Manuskript zum Buch. Dabei erfuhr man, dass etwa 50 Komplett- und 28 Teilübersetzungen von Dantes "Göttlicher Komödie" auf dem Schreibtisch der Autorin gelegen hatten, als sie ans Werk ging. Vor allem aber erlebte man eine Sprachvirtuosin und unterhaltsame Gesprächspartnerin, die so redete, wie ihr der Schnabel gewachsen war, und aus ihrem Herzen keine Mördergrube machte.
Etwa wenn sie sich über ihre Gewährsmänner ausließ: die Übersetzer. Prosaübersetzungen findet sie langweilig. Bei der bloßen Erwähnung des Namens Kurt Flasch zuckten ihre Augenbrauen angriffslustig: "Prosa-Übersetzungen - das ist eine Macke von Leuten, die nicht dichten können und das mit großem Bohei begründen." Lewitscharoff bedauerte, dass nur noch Rapper reimen. Noch aber gebe es immerhin sechs bis sieben hochpoetische Übersetzungen der "Commedia" ins Deutsche, darunter jene Johanns von Sachsen alias Philaletes und die extravagante von Rudolf Borchardt, von der sie denn auch "angefixt" worden sei. Die Autorin schwärmte von Romano Guardinis Dante-Exegesen und dankte nochmals Karlheinz Stierle, der ihr Manuskript durchgesehen habe.
Jedes Buch habe auch sein "Schmutzrändchen". Damit waren die vier Fehler gemeint, die sie nach Rat des Romanisten eliminierte. Im Literaturhaus waren besonders geglückte Passagen zu hören. Zuerst über Dantes zahlenmystische Spielereien, denen der einzige Dante-Experte nachsinnt, der die Entrückung seiner Kollegen bei einer Tagung in Rom überlebt hat und sich nun in seiner Wohnung im Frankfurter Westend betrinkt - was die Autorin zu einer fachsimpelnden Stammelsuada anregte. Dantes burleske Teufelchen hatten die deutschen Übersetzer zu schmuddeligen Sprachphantasien verführt: "Tückeschwanz, Übelkatz, Sudelbart, Schwinghupf". Die romanischen und anglophonen Übersetzer seien eher um Abstraktion bemüht, wo es um Körperliches geht, hat Lewitscharoff herausgefunden.
Mit dem "Pfingstwunder" zu Rom hat die Autorin ein phonetisches Wunder geschaffen - zwischen babylonischer Sprachverwirrung und apostolischer Glossolalie. Am Ende steht das Aleph, erster Buchstabe des hebräischen Alphabets.
c.s.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sibylle Lewitscharoff
Sie fühlt sich am Fuße des Läuterungsberges. "Wir sind so Zwischensünder", vermutete Sibylle Lewitscharoff, als sie ihren Dante-Roman "Das Pfingstwunder" im Frankfurter Literaturhaus vorstellte. Vor einer kleinen Gemeinde im Großen Saal sprach die Büchnerpreisträgerin mit ihrer Lektorin Julia Ketterer vom Suhrkamp Verlag über den "Transit" vom Manuskript zum Buch. Dabei erfuhr man, dass etwa 50 Komplett- und 28 Teilübersetzungen von Dantes "Göttlicher Komödie" auf dem Schreibtisch der Autorin gelegen hatten, als sie ans Werk ging. Vor allem aber erlebte man eine Sprachvirtuosin und unterhaltsame Gesprächspartnerin, die so redete, wie ihr der Schnabel gewachsen war, und aus ihrem Herzen keine Mördergrube machte.
Etwa wenn sie sich über ihre Gewährsmänner ausließ: die Übersetzer. Prosaübersetzungen findet sie langweilig. Bei der bloßen Erwähnung des Namens Kurt Flasch zuckten ihre Augenbrauen angriffslustig: "Prosa-Übersetzungen - das ist eine Macke von Leuten, die nicht dichten können und das mit großem Bohei begründen." Lewitscharoff bedauerte, dass nur noch Rapper reimen. Noch aber gebe es immerhin sechs bis sieben hochpoetische Übersetzungen der "Commedia" ins Deutsche, darunter jene Johanns von Sachsen alias Philaletes und die extravagante von Rudolf Borchardt, von der sie denn auch "angefixt" worden sei. Die Autorin schwärmte von Romano Guardinis Dante-Exegesen und dankte nochmals Karlheinz Stierle, der ihr Manuskript durchgesehen habe.
Jedes Buch habe auch sein "Schmutzrändchen". Damit waren die vier Fehler gemeint, die sie nach Rat des Romanisten eliminierte. Im Literaturhaus waren besonders geglückte Passagen zu hören. Zuerst über Dantes zahlenmystische Spielereien, denen der einzige Dante-Experte nachsinnt, der die Entrückung seiner Kollegen bei einer Tagung in Rom überlebt hat und sich nun in seiner Wohnung im Frankfurter Westend betrinkt - was die Autorin zu einer fachsimpelnden Stammelsuada anregte. Dantes burleske Teufelchen hatten die deutschen Übersetzer zu schmuddeligen Sprachphantasien verführt: "Tückeschwanz, Übelkatz, Sudelbart, Schwinghupf". Die romanischen und anglophonen Übersetzer seien eher um Abstraktion bemüht, wo es um Körperliches geht, hat Lewitscharoff herausgefunden.
Mit dem "Pfingstwunder" zu Rom hat die Autorin ein phonetisches Wunder geschaffen - zwischen babylonischer Sprachverwirrung und apostolischer Glossolalie. Am Ende steht das Aleph, erster Buchstabe des hebräischen Alphabets.
c.s.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Roman Bucheli wachsen Flügel beim Lesen von Sibylle Lewitscharoffs Geschichte um einen Dante-Kongress, der in die Luft geht. Erzählt vom buchstäblich am Boden gebliebenen Ich-Erzähler, entfaltet diese Begebenheit nicht nur Dante-Exegesen und allerhand Schlaues über Himmelfahrten und Purgatorien und die Gedankenwelt des Abendlandes, meint Bucheli, sondern auch eine den Leser erschütternde sinnlich-musikalische Sprachkunst. Auch ohne Dante-Vorkenntnisse lässt sich mit diesem Buch fliegen, versichert der Rezensent, auch wenn die Autorin einigen bleischweren Gesinnungsballast dranhängt, meint er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein faszinierend klug komponierter Roman, der unseren Sinn für das Wunderbare schärft, und überdies eine Werbeschrift für Dante.« Denis Scheck SWR 20160915