Julle ist 14 und zum ersten Mal verliebt, in Axel, den Neuen in der Klasse. Die beiden werden sofort beste Freunde, aber ohne dass sich Julle ihm gegenüber outet. Sie erleben Abenteuer, wie sie nur Vierzehnjährige erleben können, denn Axel sieht in der Welt Dinge, die sonst niemand bemerkt und die
von außerordentlicher Empathie und Beobachtungsgabe zeugen. Eine ausgebrannte Hütte am Waldrand wird…mehrJulle ist 14 und zum ersten Mal verliebt, in Axel, den Neuen in der Klasse. Die beiden werden sofort beste Freunde, aber ohne dass sich Julle ihm gegenüber outet. Sie erleben Abenteuer, wie sie nur Vierzehnjährige erleben können, denn Axel sieht in der Welt Dinge, die sonst niemand bemerkt und die von außerordentlicher Empathie und Beobachtungsgabe zeugen. Eine ausgebrannte Hütte am Waldrand wird so für die beiden nicht nur zum Abenteuerspielplatz, sondern Axel ahnt hier ein Geheimnis, das er unbedingt lüften will. Sein Röntgenblick hat etwas erkannt, was er nur noch nicht richtig fassen kann. Doch kurz vor der Aufklärung verschwindet Axel und lässt Julle verzweifelt zurück.
Dieses Buch hat mich von der ersten Seite gefesselt, alleine schon durch seine außergewöhnlich bildhafte Sprache, mit der Stimmungen und Empfindungen förmlich greifbar werden. Stephan Lohse schreibt in kurzen Sätzen, die aber eine ungeheure Sogwirkung haben. Kleine Beobachtungen setzen sich zusammen und schaffen eine wunderbar schwebende Atmosphäre, wie ein impressionistisches Gemälde, bei dem man nur einen Schritt zurücktreten muss, um aus den Farbflecken das Ganze zu erkennen. Mit traumwandlerischer Sicherheit verwendet Lohse Metaphern, die nicht nur originell sind, sondern sofort die richtigen Bilder im Kopf erzeugen. Sie sind einfühlsam und niemals auch nur andeutungsweise kitschig, wie man das in einem First-Love-Roman möglicherweise erwarten könnte. Als Leser fühlt man Julles Zerrissenheit, sich dem Freund zu öffnen, gepaart mit seiner Angst, ihn dabei zu verlieren. Dabei wird Julles Homosexualität niemals als problematisch dargestellt und das, obwohl die Geschichte in den Siebzigern spielt, die noch nicht so tolerant waren, wie wir glauben, dass unsere Gegenwart gerade ist. Julle weiß, dass er schwul ist, seit er 11 ist, seine Schwester ist eingeweiht und für sie ist es kein Problem, genau wie für die Mutter, die es zwar offiziell nicht weiß, aber Mütter wissen so was eben. Dieser unverkrampfte Umgang mit dem Thema Homosexualität, die als eine von vielen Normalitäten dargestellt wird und die Julle eben keine Probleme beschert, die ein Hetero-Jugendlicher nicht auch haben könnte, macht das Buch so ungeheuer positiv und das, obwohl es viele tragische Elemente enthält. So hat Axel kürzlich seine Mutter verloren, ein Motiv, das übrigens in vielen Lohse-Romanen eine Rolle spielt, und dieses Ereignis hat seinen Vater (und auch Axel) aus der Bahn geworfen. Aber auch hier bekommt die Tragik einen versöhnlichen Unterton, sie ist nie endgültig.
„Das Summen unter der Haut“ ist ein Buch, das man immer wieder lesen kann. Es ist für Jugendliche genauso fesselnd, wie für Erwachsene. Es ist sprachlich einfach überragend und mir fiele kein anderer schwuler Coming-of-Age-Roman ein, der derart präzise geschrieben ist. Vielleicht noch „Call Me by Your Name“, aber Lohse ist dann literarisch doch noch eine eigene Kategorie. Truman Capote hat mal auf die Bemerkung, „Frühstück für Tiffany“ sei ja für einen Roman ein bisschen kurz geraten, geantwortet: „Ja, es hätte kein Wort länger sein dürfen“. Genauso verhält es sich mit „Das Summen unter der Haut“.
Und der letzte Satz, am Ende des Buches, der gehört meiner Meinung nach in die Ruhmeshalle der Literatur.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)