Seit einiger Zeit scheint das Glückliche Land seinen Namen nicht mehr verdient zu haben. Unzufrieden und streitsüchtig sind seine Bewohner geworden. Die gute Königin ist sich sicher, das kann nur daran liegen, dass der Hoffnungsvogel verschwunden ist. Sein Gesang hatte immer für Fröhlichkeit und
Freundlichkeit gesorgt und den Trauernden Trost gebracht. Um ihr Land vor Zorn und Zwietracht zu…mehrSeit einiger Zeit scheint das Glückliche Land seinen Namen nicht mehr verdient zu haben. Unzufrieden und streitsüchtig sind seine Bewohner geworden. Die gute Königin ist sich sicher, das kann nur daran liegen, dass der Hoffnungsvogel verschwunden ist. Sein Gesang hatte immer für Fröhlichkeit und Freundlichkeit gesorgt und den Trauernden Trost gebracht. Um ihr Land vor Zorn und Zwietracht zu schützen, schickt die gute Königin ihren Sohn, den freundlichen Prinzen Jabu, los, den Hoffnungsvogel zu finden. Jabu ist zuerst nicht so überzeugt von dieser Aufgabe. Schließlich ist er noch ein Kind und ein Schwert will ihm seine Mutter auch nicht mitgeben. Aber zum Glück erklärt sich Alva, die Tochter der Leuchtturmwärterin, bereit, ihn zu begleiten. Die hat zwar auch kein Schwert, aber Mut und viele Ideen. Und außerdem sind schwere Aufgaben ja eh leichter, wenn man sie nicht alleine bewältigen muss. Wie schwer die Aufgaben dann tatsächlich werden, hätten sich die beiden allerdings auch nicht träumen lassen…
Auch wenn meine Kindheit seit ein oder zwei Jahren vorbei ist, lese ich Kirsten Boie immer wieder gerne. Mich beeindruckt, wie viele Genres und Altersklassen sie umspannt, und dabei immer ganz unverwechselbar bleibt. Und wie sie wichtige Themen aufgreift, die viele Kinder betreffen, in der Kinderliteratur aber eher stiefmütterlich behandelt werden. Aber vor allem liebe ich, dass sie das Talent hat, diese Atmosphäre zu schaffen, die ich hier mal aus Mangel eines besseren Begriffs den Bullerbü-Faktor nennen will. Eine Welt zu kreieren, die, ohne Probleme zu ignorieren, die schönste Zeit der Kindheit heraufbeschwören kann. Dieses Gefühl von Freiheit, Sommerferien, Abenteuer und Sorglosigkeit.
Als Vielschreiberin hat Boie aber auch den kleinen Nachteil, dass ihre Bücher in Konkurrenz zueinander stehen. Und in diesem Kontext habe ich “Der Hoffnungsvogel” - ungefähr mein 57. Buch von ihr - eher im Mittelfeld gesehen. Das liegt vor allem an meinem ganz persönlichen Geschmack. Ich konnte noch nie allzu viel mit Märchen und Abenteuergeschichten anfangen, und “Der Hoffungsvogel” ist beides zu großen Anteilen. Es mag an dieser Grundeinstellung gelegen haben, dass ich die Geschichte öfter unausgegoren bis unlogisch fand und mich nicht richtig hineinfühlen konnte.
Was mir davon abgesehen ins Auge gesprungen ist, ist die “politische Korrektheit” des Buches, die sich vor allem in einer Vielzahl an Hautfarben und Frauen in typischen Männerberufen niedergeschlagen, sich für mich aber nicht immer komplett natürlich angefühlt hat. Was durchaus daran liegen kann, dass in meiner Kindheit kulturelle Vielfalt und Emanzipation eher seltener Eingang in Kinderbücher fanden. Sehr gut gefallen hat mir, dass diese Themen gar nicht thematisiert werden, sondern einfach sind. Die Vorstellung, dass heutige und zukünftige Generationen mit Büchern aufwachsen, in denen die Dinge einfach so sind, wie sie sein sollten, ohne dass man sie diskutieren müsste, finde ich eigentlich sehr schön. Mein besonderes Highlight war diesbezüglich die Stelle (unwesentlicher Minispoiler), an der Alva Jabu ihre schweren Sachen tragen lässt, eben WEIL sie niemandem etwas beweisen muss. Da ist Boie der Realität schon ein Stück voraus. In die richtige Richtung.
Auf keinen Fall sollten die wunderbaren Bilder von Katrin Engelking unterschlagen werden. Sie hat zwar nicht alle, aber so viele Bücher von Boie großartig illustriert, dass für mich die Werke beider Frauen untrennbar zusammengehören.. Und ihre Bilder für den “Hoffnungsvogel sind so schön, dass ich einige Zeit damit verbracht habe, in sie hineinzuzoomen und mich an den Details zu erfreuen. Ehrlich gesagt würde ich sie mir auch gerahmt an die Wand hängen.
Zusammengefasst war “Der Hoffnungsvogel” also nicht das Boie-Buch, das mir als erstes einfallen würde, wenn ich eins empfehlen sollte, aber es ist ein echter Boie und somit schon lesenswert genug. Es macht Spaß, wie sie sich immer wieder direkt an ihren Leser wendet (auch wenn ich mich ein oder zweimal gefragt habe, ob sich das angesprochene Kind nicht eventuell ausgeschlossen fühlen könnte, wenn ihm Kenntnisse oder Erlebnisse unterstellt werden, die es eventuell gar nicht hat), und ich kann es mir gut zum Vorlesen, aber auch für Erstleser vorstellen. Was soll ich sagen, Boie ist es eigentlich immer wert.