21 September 1683. London. Ein Kaffeehaus in dem Obediah Chalon seinen morgendlichen Kaffee genießt Obediah ist ein ungewöhnlicher Held, keineswegs makellos und in jeder Hinsicht moralisch überlegen. Er ist ein Naturphilosoph, ein Virtuoso von etwa 27 Jahren, von dicklicher Statur, da er eher mit
dem Kopf als mit den Händen zu arbeiten gewohnt ist. Das Lesen naturphilosophischer Traktate und das…mehr21 September 1683. London. Ein Kaffeehaus in dem Obediah Chalon seinen morgendlichen Kaffee genießt Obediah ist ein ungewöhnlicher Held, keineswegs makellos und in jeder Hinsicht moralisch überlegen. Er ist ein Naturphilosoph, ein Virtuoso von etwa 27 Jahren, von dicklicher Statur, da er eher mit dem Kopf als mit den Händen zu arbeiten gewohnt ist. Das Lesen naturphilosophischer Traktate und das Experimentieren ist alles, wofür er sich interessiert. So manches, vor allem die Geschichte seiner Familie, die viele Katholiken in der englischen Provinz zu diesen Zeiten geteilt haben, hat ihn u.a. dazu getrieben, in London auf der Börse zu spekulieren (wie dies damals funktionierte wird auch eingängig dargestellt) und die gefälschten Wertpapiere als Sicherheit zu hinterlegen. Als eine Wette platzt, muss er aus London fliehen und sich in Amsterdam einen sichereren Unterschlupf suchen. Bloß da kommt er vom Regen in die Taufe. Vom mächtigen wie skrupellosen Konsortium VOC wird er auserkoren, Diebstahl von etwas unermesslich Kostbarem zu organisieren und durchzuführen. Die finanziellen Mittel werden gestellt.
Etwa die Hälfte des Buches beschreibt die Vorbereitungen und der Rest ist eine Reise voller Abenteuer in die Türkei, Hafen von Smyrna, von dort aus ins Landesinnere zum Berg, wo der Schatz Tag und Nacht bewacht wird, mit kurzem Zwischenaufenthalt in Neapel zu Karneval, und zurück nach Holland.
Besonders in der zweiten Hälfte wird es spannend. Konflikt auf Schritt und Tritt gibt es im gesamten Verlauf zw. allen Figuren, aber auf der Reise sind sie ergreifender.
Die Figuren sind schon sehr unterschiedlich. Dies betrifft sowohl Obediahs Mannschaft, die recht vielfältig und international ausfällt: eine junge, schöne Italienerin als Schauspielerin und Verwandlungskünstlerin, ein italienischer General reifen Alters, der in der Türkei einige Zeit verbracht hat und sowohl der Sprache als auch der Mentalität und der Kultur mächtig ist, als Pendant zu ihm ein französischer Jüngling. Dazu kommen der französische Meisterdieb des königlichen Geblüts, den man erst aus dem Knast befreien muss, ein dänischer Schiffskapitän und der kleinadelige Engländer Obediah, der Kopf der Unternehmung. Es gibt später auch Wandler, i.e. jemand, der anders ist, als er zu sein scheint. Zum Schluss trifft man auch den französischen König Louis XIV und seine Höflinge, wohnt dem Bäckeraufstand in Paris bei, usw.
Für die Figuren konnte ich mich absolut begeistern. Sie kamen mir so lebendig und zum Greifen nah vor: jede hatte seine Vorgeschichte, eigenen Charakter, eigene Ziele. Sie agierten so authentisch, dass ich sie auch Tage nach dem Ende des Romans vor meinem geistigen Auge herumwandern sah.
Abenteuer, die sich in mehreren Ländern abspielen, bereiten besonders den Fans von historischen Romanen einige vergnügte Lesestunden.
Fundierte Geschichtskenntnisse, sowohl vom Orient als auch vom Okzident, waren erforderlich, um diese beachtliche Menge an Details, die das Leben in Europa und in der Türkei von 1683-1686 vor Augen der Leser lebendig werden lassen. Die Atmosphäre mit den Realien der damaligen Zeit kommt gut zur Geltung, und erst recht die politische Lage mit all den Interessenvertretern und deren Intrigen.
Es gibt auch einige Überraschungen zum Schluss.
Was mich weniger begeistern konnte:
Vieles ist zwar clever eingefädelt: Man sieht, dass der Autor sich um bessere Darbietung Gedanken gemacht hat. Dennoch ist mir manches zu konstruiert vorgekommen.
Die Vorbereitungen in der ersten Hälfte waren mir stellenweise zu breit erzählt.
Obwohl es auch um die Liebe geht, ist es kein Liebesroman, eher ein Abenteuer vor historisch-politischer Kulisse.
Fazit: Ein guter Roman, auf jeden Fall solide Arbeit, eine enorme intellektuelle Leistung, die mir einige erfüllte Lesestunden bereitet hat. Ich vergebe gerne vier Sterne und eine Leseempfehlung für Fans historischer Abenteurerromane.