Der isländische Uhrmacher Jón Sívertsen setzt sich in den Kopf, die Uhr des bekannten Uhrenkünstlers Habrecht zu reparieren, welche im Kopenhagener Königspalast sein zerstörtes Dasein fristet. Womit er nicht rechnet, ist, dass er dabei plötzlich von König Christian VII. heimgesucht wird. Dieser
wünscht, Jóns Familiengeschichte zu erfahren, denn dessen Vater hat in Island ein tragisches Ende…mehrDer isländische Uhrmacher Jón Sívertsen setzt sich in den Kopf, die Uhr des bekannten Uhrenkünstlers Habrecht zu reparieren, welche im Kopenhagener Königspalast sein zerstörtes Dasein fristet. Womit er nicht rechnet, ist, dass er dabei plötzlich von König Christian VII. heimgesucht wird. Dieser wünscht, Jóns Familiengeschichte zu erfahren, denn dessen Vater hat in Island ein tragisches Ende gefunden, woran des Königs Vater seine Mitschuld trug. Zwischen den ungleichen Männern entsteht eine besondere Form der Freundschaft und Jón erzählt in ausführlicher Weise die tragischen Ereignisse aus den isländischen Westfjorden, was den Palast in große Aufruhr versetzt...
Nachdem ich ein großer Fan von Arnaldur Indridasons Krimis - vor allem der Erlendur-Reihe - bin, war ich schon sehr gespannt auf diesen historischen Roman aus seiner Feder. Und auch die Lektüre von "Der König und der Uhrmacher" hat wieder große Lesefreude bereitet. Zwar war mir anfänglich die Figur des Königs Christian VII etwas suspekt - er ist mir mit seinem hochmütigen Gehabe ziemlich auf die Nerven gegangen - aber im Laufe der Geschichte(n) wurden auch diese Vorbehalte beseitigt. Indridason schafft es eine ganz eigene Freundschaft dieser beiden ungleichen Männer sprießen zu lassen, bei der sich erstaunlicherweise immer wieder eine gewisse Augenhöhe einstellt. Die kurzen Kapitel wechseln sich ab: einmal wird über Jón, den König und ihre Interaktion berichtet, das andere Mal erzählt Jón die Geschichte seines Vaters in den isländischen Westfjorden. Besonders in den Island-Kapiteln erzeugt Indridason diese ihm ganz eigene, minimalistische Atmosphäre, die mich emotional direkt in die isländische Landschaft versetzt und mich die Figuren wie eine beobachtende Fliege miterleben lässt. Obwohl man von Anfang an weiß, wie die erzählte Geschichte enden wird, fiebert man bis zum Schluss mit und hofft, dass sie doch noch ein anderes Ende nehmen wird. Aber auch die Szenen in Kopenhagen sind sehr eindringlich und das Kopfkino wird lebendig angeregt. Obwohl nicht viel preisgegeben wird von der Kopenhagener Welt, konnte ich mir doch die Habrechtsuhr, Jóns Werkstatt und einige andere Schauplätze sehr gut vorstellen. Die ganze Geschichte hat trotz einiger Tragik auch ihre humorvollen Seiten. Indridasons Stil empfinde ich eher als kühl und distanziert, so als würde er sich an die Landschaften seiner Erzählung anpassen.
Mein Fazit: "Der König und der Uhrmacher" ist ein großartiger historischer Roman mit ganz eigener Atmosphäre, ohne Pathos und Kitsch, dafür mit viel Glaubhaftigkeit. Der kühle, distanzierte und doch eindringliche Stil ist sicher nicht jedermann's/jederfrau's Geschmack, für mich als Liebhaberin nordischer Literatur ist er Seelenbalsam und Erzeuger von lebhaftem Kopfkino. Kleiner Tipp: um die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten, ist ratsam, sich vorab NICHT mit der Biographie König Christian VII. auseinanderzusetzen, das ist im Anschluss viel erhellender!