Der Roman handelt davon, wie nach den ersten Tagen seiner Pensionierung ein bernischer Polizeikommissar alle seine Verbrecher aufsucht, die er im Verlauf seiner langen Tätigkeit aus Humanität und Wissen um das Ungenügen menschlicher Gerechtigkeit hatte entkommen lassen. Fragment von Friedrich Dürrenmatt bearbeitet und mit einem Schluss versehen sowie Regie: Urs Widmer (mit freundlicher Genehmigung des Verlags der Autoren, Frankfurt). Friedrich Dürrenmatt: Der Pensionierte © 1997 Diogenes Verlag AG, Zürich
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.1996Noch ein Mord
Dürrenmatts Fragment "Der Pensionierte" Von Bernhard Schlink
Ein Buch wie ein Familienfest. Es sind die da, die schon beim letzten Mal da waren. Wir kennen ihre Gesichter und Geschichten und wissen, wie sie sich fühlen und verhalten. Wir freuen uns, daß sie sind, wie sie beim letzten Mal waren - die, die wir mögen, und auch die, die wir nicht mögen. Daß Base Menzel jetzt Wiesen heißt, weil sie noch mal geheiratet hat, und Onkel Karl-Wilhelm sich Willi statt Kalle nennt, irritiert nur ein bißchen.
Der Kommissär heißt nicht mehr Bärlach, wie in "Der Richter und sein Henker" und "Der Verdacht", sondern Höchstettler, der Polizeikommandant Wanzenried statt Dr. Lutz und der Regierungsrat Gümmliger statt von Schwendi. Aber es sind dieselben Gestalten, es ist dasselbe Bern mit seinem Um- und Oberland, und der zeitliche Hintergrund der späten siebziger Jahre unterscheidet sich von dem der späten vierziger nur durch den Jahrgang des Bordeaux, der getrunken wird. Der Kommissär wird auch nicht erst in "Der Pensionierte" pensioniert, sondern begegnet schon in "Der Verdacht" kurz nach der Pensionierung. Er ist als Bärlach Junggeselle und als Höchstettler gerade geschieden. Aber seine sieben Ehen und Scheidungen zählen wie keine. "Ich habe wahrscheinlich so viele Frauen verbraucht, weil sie in meinem Leben keine Rolle spielten."
Wie wir beim Familienfest nicht Überraschendes suchen, sondern Vertrautes, ist auch bei einem Kriminalroman, dessen Gestalten wir schon kennen und lieben, die Handlung mit ihren Wendungen und Überraschungen nicht das Entscheidende. Was in Erinnerung bleibt, sind die Gestalten und bestimmte Problem- und Konfliktkonstellationen: Wachtmeister Studer und die Angst in dichten sozialen Gefügen, Hercule Poirot und das Verbrechen im Salon, Maigret und die Heillosigkeit menschlicher Beziehungen. Die Handlungen verschwimmen daneben.
Wo die Handlung nicht das Entscheidende ist, ist auch nicht entscheidend, ob sie zu Ende geführt wird. So verspricht auch das Fragment eines Kriminalromans von Dürrenmatt dem, der seine Kriminalromane liebt, kaum weniger Leselust als ein weiterer vollendeter Kriminalroman. Es war richtig, es zu publizieren - auch mit den Faksimiles des Manuskripts und des korrigierten Typoskripts, die mit Dürrenmatts holpriger, zugleich kindlicher und weiser Druckbuchstabenhandschrift bekanntmachen. So wird die Lektüre des Buchs eine Begegnung mit Dürrenmatts Schaffensweise.
Konzipiert hatte er zunächst einen Roman, der "davon handelt, wie in den ersten Tagen nach seiner Pensionierung ein Polizeiinspektor alle jene Verbrecher besucht, die er im Verlaufe seiner langen Tätigkeit aus Humanität und aus Wissen um das Ungenügen der menschlichen Gesetze straflos springen ließ". Im Fragment kommt es zu einem solchen Besuch und zu einem Einbruch, den der Kommissär mit den besuchten Einbrechern macht. Außerdem droht ein Skandal um einen Politiker, den der Kommissär schätzt und dessen strafbare homosexuelle Beziehung er unterschlagen hat. Es sollten, schrieb Dürrenmatt später, "noch ein Mord und ein Selbstmord vorkommen" - der Selbstmord des Politikers deutet sich am Ende des Fragments ebenso an wie das mörderische Potential bürgerlicher Anständigkeit und Ehrbarkeit. Offen bleibt, wie die beiden Handlungsstränge und auch die beiden Welten, die der Gauner und die der Bürger, sich treffen und schürzen sollten. Die Ehre der Gauner gegen die Heuchelei der Bürger? Dazwischen der pensionierte Kommissär, der mit dem Gegensatz spielt, ihn ausspielt und benutzt, um Gerechtigkeit zu verwirklichen? Welche Gerechtigkeit?
Urs Widmer, dem wir, im Supplement der "Weltwoche" veröffentlicht, einen Schluß zu Dürrenmatts Fragment verdanken, macht es ganz anders. Er läßt viele Jahre vergehen, den Kommissär mit Clair, einer von denen, die er hatte straflos springen lassen, glücklich werden, sie begraben und dann noch mal mit denen zum Einbruch aufbrechen, mit denen er auch damals eingebrochen war und fünfundzwanzig Franken erbeutet hatte. Nach dem Einbruch im Weinkeller des Schriftstellers Dürrenmatt endet es mit an Recht und Unrecht verzweifelten, vom Rotwein beseligten, weinenden Polizisten und dem Kommissär und dem Schriftsteller, die "den Gartenweg hinunter (gingen), durchs Tor und, sich in der Mitte der Straße haltend, dem Glanz der immer noch verborgenen Sonne entgegen. Mit jedem Schritt sahen sie sich ähnlicher. Sprachen sie miteinander, oder schwiegen sie? Dröhnend stieg der Sonnenball aus dem Horizont hoch und verwandelte sie in Schattenrisse. Bald war das Licht des Himmels so hell, daß sie in ihm verschwanden."
Ein schöner Schluß. Liebevoll komponiert Widmer die Ereignisse, angenehm läßt er Dürrenmatts Sprache bei Vermeidung von Imitation anklingen und mitschwingen, feinsinnig benutzt er das aus "Das Versprechen", "Justiz" und dem Fragment selbst vertraute Dürrenmattsche Motiv des in die Handlung gezogenen Schriftstellers, um diesen zu ehren. Ein heiterer Schluß. Seine Leichtigkeit fügt sich so gut zu Dürrenmatts Fragment, daß auch dieses sich als leicht offenbart. Nur auf den ersten Blick ist Höchstettler noch der alte Bärlach. Er ist lakonisch und einsam wie dieser, spricht und trinkt wie er, und manchmal zeigt er eine ähnliche Erbitterung über den Gang der Dinge und das Versagen der Gerechtigkeit. Aber eben nur eine ähnliche. Er brennt nicht mehr für die Gerechtigkeit, ist kein Besessener mehr, kein Verzweifelter. Er spielt seine kleinen Spielchen und hat seine kleinen Späßchen. Der pensionierte Bärlach geht ins Krankenbett bei Dr. Emmenberger, um diesen zu überführen - ein Spiel um Leben und Tod. Der pensionierte Höchstettler geht mit Clair ins Bett.
Widmers Schluß paßt zu Dürrenmatts Fragment. Und weil er paßt, weil auch Dürrenmatt hätte so weiter- und zu Ende schreiben können, hat er selbst nicht weiter- und zu Ende geschrieben. Im heiteren, leichten Schluß offenbart sich die Heiterkeit und Leichtigkeit nicht nur des Fragments, sondern der im Fragment angelegten Geschichte. Ein heiteres, leichtes Geschichtchen hätte es werden können. Aber nicht der Kriminalroman, den Dürrenmatt noch mal zu schreiben angesetzt hatte.
Denn der Kriminalroman ist eine ernste Angelegenheit - und niemand weiß das besser als der Autor von "Der Richter und sein Henker" und "Der Verdacht". Eine Sache auf Leben und Tod, um Wahrheit und Gerechtigkeit. Nicht um die offizielle Wahrheit und nicht um die Gerechtigkeit, die von staatlichen Agenturen verwaltet wird. Leben und Tod haben einen anderen, elementareren, atavistischeren Wert als den Nennwert, zu dem sie gehandelt werden. Der Held des Kriminalromans, ob Kommissär wie Bärlach oder Private Eye wie Marlowe, ist in der vergesellschafteten Welt ein einsamer Wolf, in der funktionalisierten Welt ein Romantiker, er ist ein Moralist, für den sich das Moralische noch von selbst versteht, und er ist Anarchist. So ist auch sein und des Kriminalromans Bild von Gerechtigkeit. Im Kriminalroman werden die allgemein anerkannten, staatlich verwalteten Gerechtigkeitsvorstellungen und die ihnen zugehörige ordentliche bürgerliche Welt gebrochen - oder auch so gebrochen präsentiert, wie sie sind. Eine weitere Brechung durch das Medium des Heiteren, Komischen verträgt der Kriminalroman nicht. Eine Brechung enthüllt eine Wahrheit. Die doppelte Brechung hinterläßt nur Scherben.
Ein Buch wie ein Familienfest. Wir freuen uns übers Wiedersehen. Aber nach einer Weile merken wir, daß Base Menzel sich nicht nur insofern verändert hat, als sie noch mal geheiratet hat und jetzt Wiesen heißt, sondern daß sie auch ein bißchen wunderlich geworden ist, viel gickelt und kichert und daß Onkel Karl-Wilhelm ständig nach der Kellnerin grapscht. Wir fragen uns: Ist das so, wenn man älter wird? Geht es uns auch bald so? Nach einer weiteren Weile merken wir, daß der Jubilar, den die Familie feiert, daß der Schriftsteller alles als erster durchschaut hat. Er ist schon längst gegangen.
Friedrich Dürrenmatt: "Der Pensionierte". Fragment eines Kriminalromans. Diogenes Verlag, Zürich 1995. 192 S., geb., 49,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dürrenmatts Fragment "Der Pensionierte" Von Bernhard Schlink
Ein Buch wie ein Familienfest. Es sind die da, die schon beim letzten Mal da waren. Wir kennen ihre Gesichter und Geschichten und wissen, wie sie sich fühlen und verhalten. Wir freuen uns, daß sie sind, wie sie beim letzten Mal waren - die, die wir mögen, und auch die, die wir nicht mögen. Daß Base Menzel jetzt Wiesen heißt, weil sie noch mal geheiratet hat, und Onkel Karl-Wilhelm sich Willi statt Kalle nennt, irritiert nur ein bißchen.
Der Kommissär heißt nicht mehr Bärlach, wie in "Der Richter und sein Henker" und "Der Verdacht", sondern Höchstettler, der Polizeikommandant Wanzenried statt Dr. Lutz und der Regierungsrat Gümmliger statt von Schwendi. Aber es sind dieselben Gestalten, es ist dasselbe Bern mit seinem Um- und Oberland, und der zeitliche Hintergrund der späten siebziger Jahre unterscheidet sich von dem der späten vierziger nur durch den Jahrgang des Bordeaux, der getrunken wird. Der Kommissär wird auch nicht erst in "Der Pensionierte" pensioniert, sondern begegnet schon in "Der Verdacht" kurz nach der Pensionierung. Er ist als Bärlach Junggeselle und als Höchstettler gerade geschieden. Aber seine sieben Ehen und Scheidungen zählen wie keine. "Ich habe wahrscheinlich so viele Frauen verbraucht, weil sie in meinem Leben keine Rolle spielten."
Wie wir beim Familienfest nicht Überraschendes suchen, sondern Vertrautes, ist auch bei einem Kriminalroman, dessen Gestalten wir schon kennen und lieben, die Handlung mit ihren Wendungen und Überraschungen nicht das Entscheidende. Was in Erinnerung bleibt, sind die Gestalten und bestimmte Problem- und Konfliktkonstellationen: Wachtmeister Studer und die Angst in dichten sozialen Gefügen, Hercule Poirot und das Verbrechen im Salon, Maigret und die Heillosigkeit menschlicher Beziehungen. Die Handlungen verschwimmen daneben.
Wo die Handlung nicht das Entscheidende ist, ist auch nicht entscheidend, ob sie zu Ende geführt wird. So verspricht auch das Fragment eines Kriminalromans von Dürrenmatt dem, der seine Kriminalromane liebt, kaum weniger Leselust als ein weiterer vollendeter Kriminalroman. Es war richtig, es zu publizieren - auch mit den Faksimiles des Manuskripts und des korrigierten Typoskripts, die mit Dürrenmatts holpriger, zugleich kindlicher und weiser Druckbuchstabenhandschrift bekanntmachen. So wird die Lektüre des Buchs eine Begegnung mit Dürrenmatts Schaffensweise.
Konzipiert hatte er zunächst einen Roman, der "davon handelt, wie in den ersten Tagen nach seiner Pensionierung ein Polizeiinspektor alle jene Verbrecher besucht, die er im Verlaufe seiner langen Tätigkeit aus Humanität und aus Wissen um das Ungenügen der menschlichen Gesetze straflos springen ließ". Im Fragment kommt es zu einem solchen Besuch und zu einem Einbruch, den der Kommissär mit den besuchten Einbrechern macht. Außerdem droht ein Skandal um einen Politiker, den der Kommissär schätzt und dessen strafbare homosexuelle Beziehung er unterschlagen hat. Es sollten, schrieb Dürrenmatt später, "noch ein Mord und ein Selbstmord vorkommen" - der Selbstmord des Politikers deutet sich am Ende des Fragments ebenso an wie das mörderische Potential bürgerlicher Anständigkeit und Ehrbarkeit. Offen bleibt, wie die beiden Handlungsstränge und auch die beiden Welten, die der Gauner und die der Bürger, sich treffen und schürzen sollten. Die Ehre der Gauner gegen die Heuchelei der Bürger? Dazwischen der pensionierte Kommissär, der mit dem Gegensatz spielt, ihn ausspielt und benutzt, um Gerechtigkeit zu verwirklichen? Welche Gerechtigkeit?
Urs Widmer, dem wir, im Supplement der "Weltwoche" veröffentlicht, einen Schluß zu Dürrenmatts Fragment verdanken, macht es ganz anders. Er läßt viele Jahre vergehen, den Kommissär mit Clair, einer von denen, die er hatte straflos springen lassen, glücklich werden, sie begraben und dann noch mal mit denen zum Einbruch aufbrechen, mit denen er auch damals eingebrochen war und fünfundzwanzig Franken erbeutet hatte. Nach dem Einbruch im Weinkeller des Schriftstellers Dürrenmatt endet es mit an Recht und Unrecht verzweifelten, vom Rotwein beseligten, weinenden Polizisten und dem Kommissär und dem Schriftsteller, die "den Gartenweg hinunter (gingen), durchs Tor und, sich in der Mitte der Straße haltend, dem Glanz der immer noch verborgenen Sonne entgegen. Mit jedem Schritt sahen sie sich ähnlicher. Sprachen sie miteinander, oder schwiegen sie? Dröhnend stieg der Sonnenball aus dem Horizont hoch und verwandelte sie in Schattenrisse. Bald war das Licht des Himmels so hell, daß sie in ihm verschwanden."
Ein schöner Schluß. Liebevoll komponiert Widmer die Ereignisse, angenehm läßt er Dürrenmatts Sprache bei Vermeidung von Imitation anklingen und mitschwingen, feinsinnig benutzt er das aus "Das Versprechen", "Justiz" und dem Fragment selbst vertraute Dürrenmattsche Motiv des in die Handlung gezogenen Schriftstellers, um diesen zu ehren. Ein heiterer Schluß. Seine Leichtigkeit fügt sich so gut zu Dürrenmatts Fragment, daß auch dieses sich als leicht offenbart. Nur auf den ersten Blick ist Höchstettler noch der alte Bärlach. Er ist lakonisch und einsam wie dieser, spricht und trinkt wie er, und manchmal zeigt er eine ähnliche Erbitterung über den Gang der Dinge und das Versagen der Gerechtigkeit. Aber eben nur eine ähnliche. Er brennt nicht mehr für die Gerechtigkeit, ist kein Besessener mehr, kein Verzweifelter. Er spielt seine kleinen Spielchen und hat seine kleinen Späßchen. Der pensionierte Bärlach geht ins Krankenbett bei Dr. Emmenberger, um diesen zu überführen - ein Spiel um Leben und Tod. Der pensionierte Höchstettler geht mit Clair ins Bett.
Widmers Schluß paßt zu Dürrenmatts Fragment. Und weil er paßt, weil auch Dürrenmatt hätte so weiter- und zu Ende schreiben können, hat er selbst nicht weiter- und zu Ende geschrieben. Im heiteren, leichten Schluß offenbart sich die Heiterkeit und Leichtigkeit nicht nur des Fragments, sondern der im Fragment angelegten Geschichte. Ein heiteres, leichtes Geschichtchen hätte es werden können. Aber nicht der Kriminalroman, den Dürrenmatt noch mal zu schreiben angesetzt hatte.
Denn der Kriminalroman ist eine ernste Angelegenheit - und niemand weiß das besser als der Autor von "Der Richter und sein Henker" und "Der Verdacht". Eine Sache auf Leben und Tod, um Wahrheit und Gerechtigkeit. Nicht um die offizielle Wahrheit und nicht um die Gerechtigkeit, die von staatlichen Agenturen verwaltet wird. Leben und Tod haben einen anderen, elementareren, atavistischeren Wert als den Nennwert, zu dem sie gehandelt werden. Der Held des Kriminalromans, ob Kommissär wie Bärlach oder Private Eye wie Marlowe, ist in der vergesellschafteten Welt ein einsamer Wolf, in der funktionalisierten Welt ein Romantiker, er ist ein Moralist, für den sich das Moralische noch von selbst versteht, und er ist Anarchist. So ist auch sein und des Kriminalromans Bild von Gerechtigkeit. Im Kriminalroman werden die allgemein anerkannten, staatlich verwalteten Gerechtigkeitsvorstellungen und die ihnen zugehörige ordentliche bürgerliche Welt gebrochen - oder auch so gebrochen präsentiert, wie sie sind. Eine weitere Brechung durch das Medium des Heiteren, Komischen verträgt der Kriminalroman nicht. Eine Brechung enthüllt eine Wahrheit. Die doppelte Brechung hinterläßt nur Scherben.
Ein Buch wie ein Familienfest. Wir freuen uns übers Wiedersehen. Aber nach einer Weile merken wir, daß Base Menzel sich nicht nur insofern verändert hat, als sie noch mal geheiratet hat und jetzt Wiesen heißt, sondern daß sie auch ein bißchen wunderlich geworden ist, viel gickelt und kichert und daß Onkel Karl-Wilhelm ständig nach der Kellnerin grapscht. Wir fragen uns: Ist das so, wenn man älter wird? Geht es uns auch bald so? Nach einer weiteren Weile merken wir, daß der Jubilar, den die Familie feiert, daß der Schriftsteller alles als erster durchschaut hat. Er ist schon längst gegangen.
Friedrich Dürrenmatt: "Der Pensionierte". Fragment eines Kriminalromans. Diogenes Verlag, Zürich 1995. 192 S., geb., 49,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Der Dialog mit Friedrich Dürrenmatt ist nicht zu Ende - er beginnt erst, und wir werden Mühe haben, in Friedrich Dürrenmatts mächtigem Schatten, ihn zu bestehen.« Walter Jens