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Entzauberte Spione Bis heute gilt die für Spionage in der Bundesrepublik zuständige Abteilung der DDR-Staatssicherheit, die HVA, als einer der besten Auslandsgeheimdienste seiner Zeit. Von ehemaligen Mitarbeitern wird dieses Bild sorgfältig gepflegt. Unabhängig überprüfen ließ es sich bislang nicht, da fast alle einschlägigen Unterlagen vernichtet wurden. Doch nun muss die Geschichte des deutsch-deutschen Geheimdienstkrieges neu geschrieben werden. Michael Wala erhielt exklusiven, vollständigen und uneingeschränkten Zugang zum Geheimarchiv der Spionageabwehr des Bundesamts für…mehr

Produktbeschreibung
Entzauberte Spione Bis heute gilt die für Spionage in der Bundesrepublik zuständige Abteilung der DDR-Staatssicherheit, die HVA, als einer der besten Auslandsgeheimdienste seiner Zeit. Von ehemaligen Mitarbeitern wird dieses Bild sorgfältig gepflegt. Unabhängig überprüfen ließ es sich bislang nicht, da fast alle einschlägigen Unterlagen vernichtet wurden. Doch nun muss die Geschichte des deutsch-deutschen Geheimdienstkrieges neu geschrieben werden. Michael Wala erhielt exklusiven, vollständigen und uneingeschränkten Zugang zum Geheimarchiv der Spionageabwehr des Bundesamts für Verfassungsschutz. Sein Buch legt erstmals offen, mit welchen Methoden der Verfassungsschutz versuchte, DDR-Spione ausfindig zu machen, und welchen Erfolg er dabei hatte. Dabei widerlegt es zahlreiche Mythen.

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Autorenporträt
Michael Wala, geboren 1954, ist Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und einer der profiliertesten Nachrichtendiensthistoriker der Bundesrepublik. Zuletzt von ihm erschienen: '¿Keine neue Gestapö. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die NS-Vergangenheit' (zus. mit Constantin Goschler, 2015) und 'Otto John. Patriot oder Verräter: Eine deutsche Biographie' (zus. mit Benjamin Hett, 2019).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2024

Anspruch und Wirklichkeit
Wie gut war der Dienst? Geschichte der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes

Das Geständnis kam aus dem Inneren eines Bademantels: Er sei Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit, Bürger der DDR, was zu respektieren sei, wird erinnert. Diese Performance ist branchenunüblich. Für die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes jedoch ein glanzvoller Höhepunkt einer nachrichtendienstlichen Arbeit, die unter dem Akronym "Forschung CHRISTINE" firmierte. Denn am 24. April 1974 erfolgte in Bonn der Zugriff durch die Gruppe ST 2 des Bundeskriminalamtes. Die Beamten in Zivil drängten in den Flur, aus dessen erster Tür Sohn Pierre sah, aus der zweiten Tür des elterlichen Schlafzimmers Günter Guillaume, am Ende des Flurs Oma Erna Boom und aus dem Wohnzimmer dann die Gattin Christel, die wie üblich auf einem Klappbett übernachtet hatte. Eigentlich ein gewöhnlicher Tag für Christel, die sich um 7.50 Uhr auf den Weg zur Arbeit machen musste, und für Günter, der noch etwas Zeit hatte, bis er seinen ersten Arbeitstag nach dem Osterurlaub um 10 Uhr mit einer Sitzung der Geschäftsführer der SPD-Landes- und Bezirksverbände beginnen wollte. Stattdessen wurden sie verhaftet. Bis eben noch galt Günter Guillaume bei der Spionageabwehr als CHRISTINE I und seine Frau als CHRISTINE II - und als ein "bedeutender Verdachtsfall", der nun seinen Abschluss fand. Die "Affäre" bzw. der "Fall CHRISTINE", wie er auch genannt wurde, ist ein echter Erfolg in der Geschichte der bundesdeutschen Spionageabwehr; er ist Ergebnis analytischer Arbeit und erheblichen Erfahrungswissens.

Der Staat kleckerte am 24. April 1974 nicht, sondern klotzte: Vier Dutzend Beamte waren im Einsatz. Natürlich war die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes auch in dieser Phase eingebunden. Nach einer Viertelstunde wurden Christel und Günter Guillaume sowie Erna Boom von der Polizei abgeführt. Sie verabschiedeten sich vom minderjährigen Sohn. Günter Guillaume, der beim Ministerium für Staatssicherheit als "Hansen" firmierte, nahm ihn wortlos in den Arm; Mutter Christel ("Heinze") gab tröstende Worte ("Pierre, mach dir keine Sorgen"). Sie fuhren zu einem Haus des Bundeskriminalamtes, wo die Vernehmungen begannen. Der Verfassungsschutz hat über 50.000 Blatt in seinem Archiv über den bekanntesten Spionagefall in der bundesdeutschen Geschichte angelegt. Die Unterlagen der Spionageabwehr sind seit zwei Jahren deklassifiziert und werden in einer Dokumentation "Willy Brandt und der Spion, der ihn stürzte" am 2. Mai 2024 auf Arte zu sehen sein. Die Geschichte Guillaumes ist noch lange nicht auserzählt, da die Perspektive der Spionageabwehr bislang kaum wissenschaftlich erschlossen ist.

Mit wissenschaftlichen Methoden will der Historiker Michael Wala nun an die Geschichte herangehen. Er verspricht einleitend: "Es ist endlich möglich, die Geschichte der bundesdeutschen Spionageabwehr auf einer gesicherten Quellengrundlage zu erzählen und damit eine wichtige Dimension deutsch-deutscher Geschichte neu zu beleuchten. Ereignisse und Zusammenhänge können umfassender dargestellt, Gerüchte und bisherige Erzählungen korrigiert werden. Das Ergebnis ist eine Gegengeschichte, die den angeblich 'besten' Geheimdienst" - er meint das Ministerium für Staatssicherheit - "entzaubert." Das wäre am Beispiel Guillaume exemplarisch zu beschreiben. Wala führt in Sachen Guillaume aus: "Der Fall Guillaume ist allgemein bekannt und muss hier nicht im Detail ausgeführt werden." Und dann erzählt Wala auf ein paar Seiten dazu etwas und stützt sich dabei allein auf die Erinnerungen des ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Günther Nollau (1978) und einen Zeitschriftenartikel (1974). Kein Hinweis auf das Standardwerk von Eckard Michels zu Guillaume (2013) oder die Erinnerungen des Sohnes Pierre Boom (2004) geschweige denn die Selbstdarstellung Guillaumes selbst (zuletzt 1993) oder den zweiten, Guillaume betreffenden Bericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages (1975). Selbst der von der Spionageabwehr zu Guillaume angelegte Aktenvorgang IV A1-103-S-160006 wird von Wala weder beigezogen noch zitiert. Der berühmteste Fall der Spionageabwehr findet bei Wala nun eine Skizze, die in einem drastischen Missverhältnis zu seinem vollmundigen Versprechen steht. Damit ist ein erster, seine gesamte Untersuchung betreffender Befund Walas zu benennen: Eine Kenntnis des Forschungs- und Literaturstandes sowie der Aktenlage in nahezu allen Fragen der deutschen Spionage und Spionageabwehr während des Kalten Krieges ist nicht zu erkennen.

Er beschreibt streckenweise ohne Belege teils detaillierte Sachverhalte. Exemplarisch das: "So zeigt sich beispielsweise, dass es der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes gelang, Tausende DDR-Spione zu 'überwerben'. Ein großer Teil der etwa 12.000 Agenten der DDR-Dienste in der Bundesrepublik in der Zeit von 1950 bis 1990 arbeitete demnach als sogenannte Countermen gegen ihre ursprünglichen Auftraggeber, ohne dass diese davon erfuhren." An anderer Stelle heißt es: "'Quellen' und Agenten der DDR-Auslandsspionage wurden zwischen 1950 und 1990 zu Tausenden 'umgedreht' und in Gegenoperationen (GOP) gegen ihre ursprünglichen Auftraggeber eingesetzt." Starke Aussagen - ohne Beleg. Es gibt in keiner Unterlage der Spionageabwehr einen Hinweis auf die Anzahl von etwa 12.000 Agenten der DDR-Dienste in vier Jahrzehnten - und auch nicht, dass ein "großer Teil" davon in Wirklichkeit für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Ein origineller Ansatz, wobei sonderbar ist, dass Wala sich an anderer Stelle selbst widerlegt: In einer Analyse gelangte die Spionageabwehr 1994 zu dem Ergebnis, dass von den zuletzt aktiven 1553 Quellen des Auslandsnachrichtendienstes Hauptverwaltung A des MfS bis April 1993 lediglich 24 Prozent - trotz Überläufer und eigener analytischer Arbeit - überhaupt in Verdacht geraten waren, nachrichtendienstlich aktiv gewesen zu sein. Der "große Teil" an Countermen entpuppt sich dort als zu drei Viertel unbekannte Spione.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich sehr entgegenkommend gezeigt, seine nachrichtendienstliche Arbeit wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Unglücklicherweise wurde nicht die Arbeit der DDR-Nachrichtendienste entzaubert, sondern deutlich, dass die Geschichte der bundesdeutschen Spionageabwehr und der Fall Guillaume noch geschrieben werden muss. HELMUT MÜLLER-ENBERGS

Michael Wala: Der Stasi-Mythos. DDR-Auslandsspionage und der Verfassungsschutz.

Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 352 S. , 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Seinem Anspruch, den Auslandsgeheimdienst der DDR auf Grundlage umfassender Quellenstudien zu entzaubern, wird Michael Walas Buch in keiner Weise gerecht, urteilt Rezensent Helmut Müller-Enbergs. Der Rezensent legt dies am Beispiel des enttarnten Spions Günter Guillaume dar: Walas äußerst knappe Rekonstruktion des Falles lässt laut Müller-Enberg zahlreiche wichtige Quellen, unter anderem auch Guillaumes eigene Darstellung, außer Acht. An anderer Stelle werden dafür Behauptungen aufgestellt, die Walas These stützen sollen - unter anderem wird behauptet, DDR-Agenten seien zu Tausenden vom Westen abgeworben worden -, für die der Autor jedoch jeden Beleg schuldig bleibt. Am Ende seines veritablen Verrisses stellt Müller-Enberg ernüchtert fest: Auf die Geschichte der BRD-Spionageabwehr müssen wir weiter warten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2023

Ende Legende
Die Auslandsspionage der Stasi galt als eine der besten der Welt. Aber war sie das wirklich?
Historiker Michael Wala hat in die Archive geschaut und kommt zu einem anderen Urteil
VON CHRISTOPH KOOPMANN
Legendenbildung ist ein wesentlicher Teil des Spionagewesens, wo Täuschung das Geschäftsmodell ist. Legende nennt ein Geheimdienstler den erfundenen Lebenslauf, den er sich zur Tarnung gibt. Eine etwas andere Legendenbildung haben wiederum die einstigen Spione der DDR nach deren Untergang betrieben: Nämlich insofern, als sie überaus erfolgreich unter die Leute brachten, die ostdeutsche Auslandsspionage sei eine der besten der Welt gewesen. Die „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit unter Spionagechef Markus Wolf habe Quellen überall in der verfeindeten Bundesrepublik gehabt, erzählten sie gern, an allen wichtigen Schaltstellen, mit dem Referenten Günter Guillaume sogar an der Seite des Bundeskanzlers Willy Brandt.
Dieses Bild hatte auch der Historiker Michael Wala im Kopf, als er vor gut drei Jahren mit einem außergewöhnlichen Forschungsprojekt begann. „Ich hab schon gedacht, die von der HVA waren so toll, da hat der Verfassungsschutz nicht viel gegen machen können.“ Aber: „Dieses Urteil habe ich korrigiert.“ In einem bemerkenswerten Akt der geheimdienstlichen Offenheit hat der Inlandsnachrichtendienst den Historiker Wala nämlich in das Archiv seiner Spionageabwehr blicken lassen, auch in Geheimakten.
Das Ergebnis hat Wala jetzt in Buchform publiziert. Allein über die Zahl der DDR-Spione in der BRD gibt es Legenden, angeblich waren es in den 50ern und 60ern mehr als 12 000, andere Quellen des Verfassungsschutzes gingen eher von 2000 bis 3000 aus. Jedenfalls: verdammt viele. Ein großer Teil waren eingeschleuste „Illegale“ – meist DDR-Bürger, ausgestattet mit einer unverdächtig erscheinenden Legende. Erstaunlich viele gingen dem Verfassungsschutz allerdings ins Netz.
Eine der wichtigsten Gegenspionagemaßnahmen war wohl die „Operation Anmeldung“. Dem Verfassungsschutz war aufgefallen, dass die Stasi offenbar gezielt nach BRD-Bürgern suchte, die im Ausland lebten – ideale Legendenspender für die Spione. Diese meldeten sich mit angeblich im Ausland ausgestellten, aber in Wahrheit gefälschten Papieren ihrer „Spender“ in der Bundesrepublik an, zogen dann mehrfach um, um ihre Spur zu verwischen, und täuschten irgendwo in Westdeutschland ein stinknormales Familienleben vor.
Als der Verfassungsschutz das gewittert hatte, ließ er Anfang der 70er überall in der BRD die Melderegister nach diesem Muster durchforsten, immerhin gut 40 Spitzel flogen so auf. 1976 nahm das Bundeskriminalamt gleich 15 Spione an einem Tag fest – woraufhin die Stasi Dutzende weitere vorsichtshalber abzog. Sie alle waren „verbrannt“ für weitere Einsätze, weil ihre Gesichter bekannt waren – und die Auslandsspionage der DDR laut Wala um Jahre zurückgeworfen.
Der Historiker beschreibt auch, wie der Verfassungsschutz die Kuriere der Stasi erkannte, wenn sie mit der S-Bahn von Ost- nach Westberlin kamen (ein Indiz war, dass ein junger Alleinreisender als erste Amtshandlung im Westen Pornoheftchen kaufte), wie die Funkabwehr die Codes des MfS knackte – und dass es dem Verfassungsschutz offenbar gelang, Tausende enttarnte MfS-Spione zu „überwerben“, damit sie fortan als Doppelagenten arbeiteten. Allein in den Wendemonaten dienten sich nach Walas Zählung 177 DDR-Agenten den deutschen Sicherheitsbehörden an, um ihre Genossen zu verraten. Viele von ihnen waren wohl eher keine gesinnungsfesten „Botschafter des Friedens“, wie die DDR-Propaganda die Spione gern inszenierte. Sie handelten eher für Geld. Allein die Dienste der 177 Spät-Überläufer ließ sich der Verfassungsschutz mehr als 1,4 Millionen D-Mark kosten.
„Die Spionage der DDR ist beträchtlich behindert worden“, folgert Wala, der Wert darauf legt, dass das hier keine „Hofberichterstattung“ für den Verfassungsschutz sei. Ein Honorar habe er nicht bekommen, das Bundesamt habe seiner Uni in Bochum bloß Reisekosten und Lehrvertretungen bezahlt. Der Historiker spart tatsächlich nicht aus, dass es auch Schatten gab, die Fälle von Klaus Kuron und Hansjoachim Tiedge etwa. Die beiden waren ab Ende der 60er an entscheidenden Stellen in der Spionageabwehr gegen die DDR beschäftigt – und liefen in den 80ern als Doppelagenten zur Stasi über.
Und auch wenn der Verfassungsschutz Tausende Spitzel enttarnt hat: Fakt bleibt, dass die DDR Quellen an entscheidenden Stellen der BRD hatte, in Parteien, Ministerien, mit Guillaume sogar bis hoch zu Kanzler Brandt, wenngleich dieser Spitzel kaum Top-Informationen brachte. Dass sie enttarnt wurden, ist zweifelsohne ein Erfolg der Spionageabwehr. Ob das nicht viel früher hätte geschehen müssen, ist eine andere Frage.
Und am Ende stehen in der Aufarbeitung natürlich nur die Fälle, von denen der Verfassungsschutz etwas mitbekommen hat. Die akten- und faktenbasierte Sicht der HVA lässt sich nicht mehr untersuchen und dagegenstellen: Die Stasi hat die Akten ihrer Auslandsspionage größtenteils vernichtet, als ’89/’90 die DDR in sich zusammenbrach.
1976
flogen gleich
15 Spione
an einem Tag auf
Man stelle sich vor, der 1519 gestorbene Leonardo da Vinci hätte eine Karte der Insel Utopia aus dem 1516 zum ersten Mal auf Latein gedruckten Roman des englischen Humanisten Thomas Morus gezeichnet. So synthetisiert das die künstliche Intelligenz.
Foto: midjourney/Florian Gmach
Michael Wala:
Der Stasi-Mythos.
DDR-Auslandsspionage und der Verfassungsschutz. Ch. Links-Verlag, Berlin 2023.
352 Seiten, 25 Euro.
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»Klug aufgedeckt.« P.M. History 20240219