Der Rose beim Blühen zuhören Wieso legen Menschen Gärten an? Für Barbara Frischmuth ist der Garten der Inbegriff von Leben überhaupt. Ihr eigener Garten hat sie gelehrt, die Vitalität der Lebensströme von Pflanzen, Tieren und Mensch, die dort zusammenfließen, zu bewundern. Ein hinreißendes Buch über die Liebe zum Garten und zum Gärtnern, gelesen von der Autorin.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2015Das Liebesleben der schönen Iris und ihrer Gefährtinnen
Barbara Frischmuth erforscht den Garten als Reich der Mythen, Theorien und Pflanzexperimente
Wenn Schriftsteller von ihrem Garten erzählen, geraten sie gern ins Schwärmen und suchen zu beweisen, dass sie Experten sind - zumindest für die eine oder die andere Pflanzenart. Barbara Frischmuth widmet allein vier Kapitel ihres neuen Gartenbuchs - es ist das fünfte - der großen Iris-Familie und speziell der Iris elegantissima. Sie und nicht die Rose ist für sie die Königin aller Blumen. Erotische und möglicherweise auch andere fast menschliche Empfindungen werden ihr nachgesagt, die Ethnobotanik legt sich da nicht genau fest.
Barbara Frischmuth hat sich auch mit dieser Richtung der Pflanzenkunde ernsthaft befasst. Die neurobotanische Forschung liefert ihr dazu interessante Fragen. Können Pflanzen Schmerzen empfinden, reagieren sie auf besondere Zuwendung? Gibt es Zweier- und Dreierbeziehungen (bei Orchideen scheint es sicher), und wie sieht überhaupt das Liebesleben der Schönen im Garten aus? Darauf gibt es erstaunliche Antworten.
So gründlich, wie sie ihre Sprachwissenschaft betreibt - Barbara Frischmuth ist diplomierte Übersetzerin für Finnougristik -, hat sie sich auch mit Gartentheorien und -mythen befasst, allerdings, ohne am Ende zu finden, was sie suchte: eine schlüssige Definition dafür, was ein Garten überhaupt ist. Für sie ist er ein Experimentierfeld, ein "Ort, an dem Pflanze, Tier und Mensch sich täglich begegnen". Wobei, wie sie vermutet, die Bewohner des Gartens besser über sie Bescheid wissen als umgekehrt. Ein Ort der Kontemplation ist er jedenfalls unbestritten, er bringt uns den Geheimnissen des Lebens näher, und die körperliche Arbeit, die er fordert, entschlackt das Gehirn. Grün tut nicht nur den Augen gut.
In den Mikrokosmos Garten kann man viel hineindeuten, auch darüber streiten, was Schönheit, auf den Garten bezogen, ist. Und da die Sprachwissenschaftlerin sich auch mit Schamanentum auskennt, bleibt es spannend und geheimnisvoll zugleich, was sie nach intensiver Lektüre und realer Beobachtung zutage fördert. Eher theoretische Kapitel wechseln ab mit Erfahrungsberichten einer passionierten Praktikerin, für die das Gärtnern auf einer ehemaligen alpinen Wiese (800 Meter hoch gelegen) eine echte Alternative zu ihrer Schriftstellerei ist. Von Erholung spricht sie nicht, dafür schmerzen Rücken und Knie zu sehr. So vieles ist ständig zu tun, zu verändern und zu pflegen. Und jede freie Ecke verlockt zu einem neuen Experiment.
Barbara Frischmuth ist hier, in Bad Aussee in der Steiermark, aufgewachsen, und hierher ist sie nach zwanzig Jahren eines bewegten Lebens heimgekehrt. Sie kümmert sich nebenbei in einem kleinen Museum um alles, was in ihrer Heimat erhaltenswert ist. Gärten gehören vermutlich dazu, auch wenn sie so vergänglich und pflegebedürftig sind. Sie weiß, dass auf ihrer ehemaligen Bergwiese nicht alles gedeiht, was in den Katalogen angepriesen wird. Und doch versucht sie immer wieder, zumindest einen Sommer lang eine empfindliche Blütenpracht zu schaffen, einiges in Töpfen geschützt und als Kostbarkeit gehätschelt. Ein Zaubergarten soll es allen Widrigkeiten zum Trotz werden. Sie hat sie doch gesehen, diese wunderbaren Rosen im Wiener Belvedere oder bei der Chelsea Flowershow in London.
Beziehungsgeschichten sind reich an Krisen und Enttäuschungen. Manchmal bleibt nach einem Jahr von einer teuren Staude nur das Etikett übrig, das Barbara Frischmuth mit leiser Wehmut mit anderen Zeugnissen vergeblicher Liebesmühe in einem Glasbehälter aufbewahrt. Botanische Gärten kennt sie in aller Welt. Sie holt sich dort gern Rat, Anregung und manchmal einen Ableger oder ein Samentütchen. Ihr Garten ist ein lebendiges, aber auch stets sich wandelndes und gefährdetes Kunstwerk. Schnecken und lästige Krabbeltiere gehören dazu, auch Kröten und Rehe, die eine Vorliebe für Rosenknospen haben. Unwiderstehlich sei ihr Garten, versichert die gelehrte Gärtnerin, und Gärtnern überhaupt die schönste aller schöpferischen Anstrengungen. Schade, dass in diesem Buch nicht wie in den Vorgängern fotografische Zeugnisse gelungener Ergebnisse dieser Kunst zu bewundern sind; dafür aber Melanie Gebkers genaue, doch auch etwas blutleere Aquarelle einzelner Pflanzen.
MARIA FRISÉ
Barbara Frischmuth: "Der unwiderstehliche Garten". Eine Beziehungsgeschichte.
Mit Illustrationen von Melanie Gebker. Aufbau Verlag, Berlin 2015. 238 S., geb., 22,20 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Barbara Frischmuth erforscht den Garten als Reich der Mythen, Theorien und Pflanzexperimente
Wenn Schriftsteller von ihrem Garten erzählen, geraten sie gern ins Schwärmen und suchen zu beweisen, dass sie Experten sind - zumindest für die eine oder die andere Pflanzenart. Barbara Frischmuth widmet allein vier Kapitel ihres neuen Gartenbuchs - es ist das fünfte - der großen Iris-Familie und speziell der Iris elegantissima. Sie und nicht die Rose ist für sie die Königin aller Blumen. Erotische und möglicherweise auch andere fast menschliche Empfindungen werden ihr nachgesagt, die Ethnobotanik legt sich da nicht genau fest.
Barbara Frischmuth hat sich auch mit dieser Richtung der Pflanzenkunde ernsthaft befasst. Die neurobotanische Forschung liefert ihr dazu interessante Fragen. Können Pflanzen Schmerzen empfinden, reagieren sie auf besondere Zuwendung? Gibt es Zweier- und Dreierbeziehungen (bei Orchideen scheint es sicher), und wie sieht überhaupt das Liebesleben der Schönen im Garten aus? Darauf gibt es erstaunliche Antworten.
So gründlich, wie sie ihre Sprachwissenschaft betreibt - Barbara Frischmuth ist diplomierte Übersetzerin für Finnougristik -, hat sie sich auch mit Gartentheorien und -mythen befasst, allerdings, ohne am Ende zu finden, was sie suchte: eine schlüssige Definition dafür, was ein Garten überhaupt ist. Für sie ist er ein Experimentierfeld, ein "Ort, an dem Pflanze, Tier und Mensch sich täglich begegnen". Wobei, wie sie vermutet, die Bewohner des Gartens besser über sie Bescheid wissen als umgekehrt. Ein Ort der Kontemplation ist er jedenfalls unbestritten, er bringt uns den Geheimnissen des Lebens näher, und die körperliche Arbeit, die er fordert, entschlackt das Gehirn. Grün tut nicht nur den Augen gut.
In den Mikrokosmos Garten kann man viel hineindeuten, auch darüber streiten, was Schönheit, auf den Garten bezogen, ist. Und da die Sprachwissenschaftlerin sich auch mit Schamanentum auskennt, bleibt es spannend und geheimnisvoll zugleich, was sie nach intensiver Lektüre und realer Beobachtung zutage fördert. Eher theoretische Kapitel wechseln ab mit Erfahrungsberichten einer passionierten Praktikerin, für die das Gärtnern auf einer ehemaligen alpinen Wiese (800 Meter hoch gelegen) eine echte Alternative zu ihrer Schriftstellerei ist. Von Erholung spricht sie nicht, dafür schmerzen Rücken und Knie zu sehr. So vieles ist ständig zu tun, zu verändern und zu pflegen. Und jede freie Ecke verlockt zu einem neuen Experiment.
Barbara Frischmuth ist hier, in Bad Aussee in der Steiermark, aufgewachsen, und hierher ist sie nach zwanzig Jahren eines bewegten Lebens heimgekehrt. Sie kümmert sich nebenbei in einem kleinen Museum um alles, was in ihrer Heimat erhaltenswert ist. Gärten gehören vermutlich dazu, auch wenn sie so vergänglich und pflegebedürftig sind. Sie weiß, dass auf ihrer ehemaligen Bergwiese nicht alles gedeiht, was in den Katalogen angepriesen wird. Und doch versucht sie immer wieder, zumindest einen Sommer lang eine empfindliche Blütenpracht zu schaffen, einiges in Töpfen geschützt und als Kostbarkeit gehätschelt. Ein Zaubergarten soll es allen Widrigkeiten zum Trotz werden. Sie hat sie doch gesehen, diese wunderbaren Rosen im Wiener Belvedere oder bei der Chelsea Flowershow in London.
Beziehungsgeschichten sind reich an Krisen und Enttäuschungen. Manchmal bleibt nach einem Jahr von einer teuren Staude nur das Etikett übrig, das Barbara Frischmuth mit leiser Wehmut mit anderen Zeugnissen vergeblicher Liebesmühe in einem Glasbehälter aufbewahrt. Botanische Gärten kennt sie in aller Welt. Sie holt sich dort gern Rat, Anregung und manchmal einen Ableger oder ein Samentütchen. Ihr Garten ist ein lebendiges, aber auch stets sich wandelndes und gefährdetes Kunstwerk. Schnecken und lästige Krabbeltiere gehören dazu, auch Kröten und Rehe, die eine Vorliebe für Rosenknospen haben. Unwiderstehlich sei ihr Garten, versichert die gelehrte Gärtnerin, und Gärtnern überhaupt die schönste aller schöpferischen Anstrengungen. Schade, dass in diesem Buch nicht wie in den Vorgängern fotografische Zeugnisse gelungener Ergebnisse dieser Kunst zu bewundern sind; dafür aber Melanie Gebkers genaue, doch auch etwas blutleere Aquarelle einzelner Pflanzen.
MARIA FRISÉ
Barbara Frischmuth: "Der unwiderstehliche Garten". Eine Beziehungsgeschichte.
Mit Illustrationen von Melanie Gebker. Aufbau Verlag, Berlin 2015. 238 S., geb., 22,20 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
» Frischmuths feine Garten-Liebesgeschichte wird von Melanie Gebker passend mit zarten Pflanzen-Illustrationen begleitet. « Mariella Moshammer Neues Volksblatt 20150603