Sie ist reizbar, rätselhaft und viel älter als er und sie wird seine erste Leidenschaft. Sie hütet verzweifelt ein Geheimnis. Eines Tages ist sie spurlos verschwunden. Erst Jahre später sieht er sie wieder. Die fast kriminalistische Erforschung einer sonderbaren Liebe und bedrängenden Vergangenheit. "
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"Bernhard Schlinks Vorleser ist neben der Blechtrommel von Günter Grass wahrscheinlich der international erfolgreichste Roman eines lebenden deutschen Schriftstellers. Eine unaufdringliche Metapher für deutsche Verstrickungen, wie überhaupt Schlink es meisterhaft versteht, das bewußtlose Schweigen der Deutschen in den fünfziger und sechziger Jahren durch seine atmosphärisch dichte Prosa zum Reden zu bringen. Das Buch ist gescheit, geschickt gebaut und sensibel für unausgesprochene Gefühle: eine im Deutschen seltene Verbindung." (Der Tagesspiegel) "Dieser Höhenflug ist einzigartig: Hanna Schmitz und Michael Berg - wer hätte gedacht, daß die beiden einmal zu den berühmten Liebespaaren der Weltliteratur zählen würden? Bernhard Schlinks Der Vorleser markiert für die deutsche Literatur eine Zäsur. Erstmals seit der Blechtrommel und Siegfried Lenz' Deutschstunde gibt es wieder einen Weltbestseller made in Germany, ein Buch also, aus dem Amerikaner und Japaner, Franzosen und Inder ihr Deutschlandbild beziehen." (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2009Heller Schleim
"Die blaßblaue, geblümte Kittelschürze, unter der sie keine Wäsche trug, klebte in der heißen, feuchten Luft an ihrem schwitzenden Körper. Sie erregte mich sehr. Als wir uns liebten, hatte ich das Gefühl, sie wolle mich zu Empfindungen jenseits alles bisher Empfundenen treiben, dahin, wo ich's nicht mehr aushalten konnte. Auch ihre Hingabe war einzig. Nicht rückhaltlos; ihren Rückhalt hat sie nie preisgegeben. Aber es war, als wolle sie mit mir zusammen ertrinken."
Seite 77 der Schullektüre, zu der "Lektürehilfen" bei Klett vorliegen, ein "Lektüreschlüssel" bei Reclam, "Oldenbourg Interpretationen", ein "LiteraNova"-Heft von Cornelsen, eine "Interpretationshilfe Deutsch" und ein Heft der unverwüstlichen "Königs Erläuterungen". In diesen Materialien fehlen wohl Hinweise zur Intertextualität zwischen Bernhard Schlinks Roman und den Heftchen, die der Romanheld, ein Heidelberger Professorensohn, in den fünfziger Jahren natürlich nicht gelesen hat. Seine Jungmännerphantasien hatten andere Vorlagen: "Ich nahm an der Beziehung von Julien Sorel zu Madame de Rênal mehr Anteil als an der zu Mathilde de la Mole." Bleibt zu Seite 77 für den Unterricht nur die Frage: Gibt es das eigentlich, Ertrinkenwollen mit Rückhalt?
Man hat dem Buch vorgeworfen, der Ich-Erzähler nehme Anteil am Schicksal der KZ-Wächterin, die es angeblich nur deshalb zur SS verschlug, weil sie ihren Analphabetismus tarnen wollte. Michael Berg versetzt sich aber gerade nicht in Hanna Schwarz hinein. Der Jurist verweigert seiner zu lebenslanger Haft verurteilten ehemaligen Geliebten die elementaren Akte der Mitmenschlichkeit, den Besuch und den Brief. Sie ist für ihn nur ein Objekt seiner narzisstischen Spekulationen - wie ihre Opfer. Als Beobachter des Auschwitz-Prozesses meint der Student, dieselbe "Betäubung" zu verspüren wie der um des Überlebens willen unterempfindliche KZ-Häftling. Er grübelt darüber, ob sie ihn wohl ebenso ins Gas geschickt hätte wie die Mädchen, die ihr im Lager vorgelesen hatten. Den von ihm besprochenen Tonkassetten, die er ihr ins Gefängnis schickt, entsprechen in dieser onanistischen Figuration seine inneren Bilder von ihr, die er sich rein bewahrt.
Das Professorenbürschchen hat Glück bei den Mädchen, denn "die Frau" hat ihn zum Mann gemacht, schon beim zweiten Besuch. "Fast grob" hatte sie ihn angefasst, als sich bei der ersten Begegnung ein anderer Körpersaft aus ihm ergossen hatte. "Dann stützte ich mich an die Hauswand, sah auf das Erbrochene zu meinen Füßen und würgte hellen Schleim." Ein Buch wie eine Kotztüte. Man weiß, was kommt.
PATRICK BAHNERS
Bernhard Schlink: "Der Vorleser". Diogenes, 8,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Die blaßblaue, geblümte Kittelschürze, unter der sie keine Wäsche trug, klebte in der heißen, feuchten Luft an ihrem schwitzenden Körper. Sie erregte mich sehr. Als wir uns liebten, hatte ich das Gefühl, sie wolle mich zu Empfindungen jenseits alles bisher Empfundenen treiben, dahin, wo ich's nicht mehr aushalten konnte. Auch ihre Hingabe war einzig. Nicht rückhaltlos; ihren Rückhalt hat sie nie preisgegeben. Aber es war, als wolle sie mit mir zusammen ertrinken."
Seite 77 der Schullektüre, zu der "Lektürehilfen" bei Klett vorliegen, ein "Lektüreschlüssel" bei Reclam, "Oldenbourg Interpretationen", ein "LiteraNova"-Heft von Cornelsen, eine "Interpretationshilfe Deutsch" und ein Heft der unverwüstlichen "Königs Erläuterungen". In diesen Materialien fehlen wohl Hinweise zur Intertextualität zwischen Bernhard Schlinks Roman und den Heftchen, die der Romanheld, ein Heidelberger Professorensohn, in den fünfziger Jahren natürlich nicht gelesen hat. Seine Jungmännerphantasien hatten andere Vorlagen: "Ich nahm an der Beziehung von Julien Sorel zu Madame de Rênal mehr Anteil als an der zu Mathilde de la Mole." Bleibt zu Seite 77 für den Unterricht nur die Frage: Gibt es das eigentlich, Ertrinkenwollen mit Rückhalt?
Man hat dem Buch vorgeworfen, der Ich-Erzähler nehme Anteil am Schicksal der KZ-Wächterin, die es angeblich nur deshalb zur SS verschlug, weil sie ihren Analphabetismus tarnen wollte. Michael Berg versetzt sich aber gerade nicht in Hanna Schwarz hinein. Der Jurist verweigert seiner zu lebenslanger Haft verurteilten ehemaligen Geliebten die elementaren Akte der Mitmenschlichkeit, den Besuch und den Brief. Sie ist für ihn nur ein Objekt seiner narzisstischen Spekulationen - wie ihre Opfer. Als Beobachter des Auschwitz-Prozesses meint der Student, dieselbe "Betäubung" zu verspüren wie der um des Überlebens willen unterempfindliche KZ-Häftling. Er grübelt darüber, ob sie ihn wohl ebenso ins Gas geschickt hätte wie die Mädchen, die ihr im Lager vorgelesen hatten. Den von ihm besprochenen Tonkassetten, die er ihr ins Gefängnis schickt, entsprechen in dieser onanistischen Figuration seine inneren Bilder von ihr, die er sich rein bewahrt.
Das Professorenbürschchen hat Glück bei den Mädchen, denn "die Frau" hat ihn zum Mann gemacht, schon beim zweiten Besuch. "Fast grob" hatte sie ihn angefasst, als sich bei der ersten Begegnung ein anderer Körpersaft aus ihm ergossen hatte. "Dann stützte ich mich an die Hauswand, sah auf das Erbrochene zu meinen Füßen und würgte hellen Schleim." Ein Buch wie eine Kotztüte. Man weiß, was kommt.
PATRICK BAHNERS
Bernhard Schlink: "Der Vorleser". Diogenes, 8,90 Euro
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