Der Journalist Johann Hari, der selbst viele Jahre unter Depressionen litt, schildert in diesem Buch seine Rechercheergebnisse zu diesem Thema, zu dem er eine Vielzahl interessanter Projekte, Studien und Ansätze zusammengetragen hat. In Journalistenmanier hat er diese komplexe Thematik für ein
breites Publikum verständlich aufbereitet und bietet auch die Möglichkeit, sich die Aufzeichnungen seiner…mehrDer Journalist Johann Hari, der selbst viele Jahre unter Depressionen litt, schildert in diesem Buch seine Rechercheergebnisse zu diesem Thema, zu dem er eine Vielzahl interessanter Projekte, Studien und Ansätze zusammengetragen hat. In Journalistenmanier hat er diese komplexe Thematik für ein breites Publikum verständlich aufbereitet und bietet auch die Möglichkeit, sich die Aufzeichnungen seiner Gespräche mit verschiedenen Fachleuten auf der Buchwebsite anzuhören.
Was mich an diesem Buch gefreut hat, war, dass ich das Gefühl hatte, dass Menschen mit Depressionen ihre Würde zurückgegeben wird. Hari, dem lange etwas anderes eingeredet wurde, sieht eine Depression nun als eine durchaus rationale und gesunde Reaktion auf schlimme Erlebnisse oder Situationen, so wie körperlicher Schmerz ein wichtiges Signal ist, dass etwas nicht stimmt (sehr schön fand ich in diesem Zusammenhang das Zitat auf S.°243 des indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti: „Es ist kein Maßstab für Gesundheit, wenn man an eine kranke Gesellschaft angepasst ist“). Mir gefällt diese Betrachtungsweise, nicht die Depression und die oft mit dieser verbundenen Angststörung, sondern deren Ursache als Krankheit anzusehen und die Behandlung folglich auf diese Ursache bzw. den Umgang mit dieser Ursache zu konzentrieren.
Antidepressiva werden, so schließt Hari aus seinen Recherchen, maßlos überschätzt, dennoch betont er zweimal in seinem Buch, dass er niemanden davon abhalten möchte, Antidepressiva einzunehmen, denn: „Einige glaubwürdige Wissenschaftler haben festgestellt, dass sie [Antidepressiva] einer kleineren Zahl von Patienten vorübergehend Linderung verschaffen, und das sollte man nicht leugnen.“ (S. 388)
Er schlägt aber vor allem sieben andere mögliche Lösungswege vor, die er „soziale und psychische Antidepressiva“ nennt und sehr vorsichtig als „erste tastende Schritte, die auf vorläufigen ersten Untersuchungen beruhen“ (S. 251) bezeichnet. Diese sind so vielfältig wie die Ursachen und Ausprägungen von Depressionen, er selbst hat beispielsweise für sich entdeckt, dass es ihm am besten hilft, wenn er anderen hilft.
Besonders interessant und überzeugend jedoch finde ich seine These, dass Depressionen nicht allein durch individuelle Schritte geheilt werden können, weil die meisten Menschen eben nicht so einfach ihren Arbeitsplatz wechseln oder ihr Leben auf andere Weise neu gestalten können (zumal depressiven Menschen dazu auch oft die Kraft zu solch großen Schritten fehlt).
Deshalb schlägt er Änderungen auf der kollektiven Ebene vor, wie er es bei Kambodschanern beobachten konnte: „Ein geeignetes Mittel bestand für sie darin, dass die Gemeinschaft den depressiven Menschen mit vereinten Kräften in die Lage versetzte, sein Leben zu ändern“ (S. 248). Nachahmenswert finde ich vor allem den von Hari geschilderte Ansatz von Sam Everington, der in seiner Arztpraxis seinen Patienten gemeinnützige Projekte „verordnet“ – sinnvolle, durch einen Koordinator begleitete Tätigkeiten in kleinen Gruppen von Patienten, die diesen helfen, positive Erlebnisse zu sammeln, Selbstvertrauen und bei der Projektarbeit auch wieder Kontakt zu anderen Menschen zu finden (als Beispiel wird therapeutisches Gärtnern genannt). Aber Hari hat auch die Gesellschaft als Ganzes im Blick, für die es wichtig wäre, den Menschen überhaupt erst die Möglichkeit zu geben, ein glückliches Leben führen zu können. Auch hier nennt er konkrete Ansätze, die mir jedoch schwer durchzusetzen scheinen. Überhaupt sind in dieser Hinsicht natürlich wir alle gefragt und nicht nur Betroffene.
Mir macht das Buch Mut und zeigt ein paar Wege auf, die ich gehen könnte, damit aus meinen aktuellen Ängsten und Sorgen gar nicht erst wieder eine Depression entsteht – und vor allem hoffe ich, dass ich nun auch Menschen in meiner Umgebung, die akut an einer Depression leiden und denen es dadurch an Kraft und Mut fehlt, besser helfen kann.