Ist unsere Demokratie noch zu retten? Das System steckt in der Krise. Liegt der Ausweg in mehr direkter Demokratie? Oder ist das Volk zu dumm, um in wesentlichen Fragen selbst zu entscheiden? Lässt es sich zu leicht manipulieren und geht rechten Populisten auf den Leim? Wenn Außenseiter bei Wahlen erfolgreich sind, heißt es oft, die Bürger hätten falsch abgestimmt. Aber wer entscheidet, was richtig ist? In Deutschland gibt es freie Wahlen für alle erst seit gut hundert Jahren. Doch reichen Abstimmungen über die Zusammensetzung eines Parlamentes aus, um ein demokratisches System zu schaffen und eine Oligarchie, also eine Herrschaft der Reichen, zu verhindern? Oder gibt es vielleicht noch weitere, ganz andere wichtige Voraussetzungen für eine Demokratie, die bislang nicht erfüllt sind - weder in Deutschland noch anderswo?
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2018Vergilbtes Vorbild
Wie steht es um die Demokratie?
Schlecht, lauten unisono die Analysen.
Was folgt daraus? Ein Überblick
VON CHRISTOPH DORNER
Ob Oswald Spengler wirklich eine Vorstellung von Donald Trump hatte? Im Jahr 1918 veröffentlichte der deutsche Philosoph den ersten Band seines Hauptwerks „Untergang des Abendlandes“. Darin prophezeite Spengler, dass auf die Demokratie, in der er eine Herrschaft des Geldes sah, aus einer historischen Zwangsläufigkeit heraus wieder der Cäsarismus folgen müsse: die autoritäre Herrschaft eines Einzelnen. Es kam dann bald Hitler, und die Weimarer Republik rollte ihm den roten Teppich aus.
100 Jahre nach Spenglers Versuch, die Geschichte vorauszubestimmen, wähnen Beobachter westliche Demokratien wieder auf dem Krankenbett. In halb Europa haben extremistische Kräfte Zugewinne erreicht, die auch gezielt gegen demokratische Institutionen vorgehen. Und dann ist da noch Trump, ein Fall für sich. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass sich Sachbücher diesen Schockwellen auf dem Parkett der Weltpolitik widmen. Eines haben sie gemeinsam: Sie stellen der demokratischen Praxis der Gegenwart kein gutes Zeugnis aus.
Die Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt analysieren in ihrer zeithistorischen Studie „Wie Demokratien sterben“, wie sich demokratisch verfasste in autoritär regierte Staaten verwandeln. In der Phase des Kalten Krieges brauchte es hierzu noch Waffengewalt. Seitdem sind es gewählte Regierungen, die das Prinzip der Gewaltenteilung untergraben, indem sie Gegner kaufen, Schiedsrichter gleichschalten, die Verfassung ändern. Es ist immer ein ähnliches Muster, die Autoren legen es anhand zahlreicher Beispiele aus Ländern wie Peru, Ungarn oder Russland frei. Wie anfällig aber ist die amerikanische Demokratie für einen Niedergang? Wird sie Trump überstehen, wie sie Bürgerkrieg, Weltwirtschaftskrise, Watergate überstanden hat?
Die USA hatten bislang eine weitgehend stabile Demokratie, weil ihr politisches System auf zwei ungeschriebenen Normen fußte, analysieren die Politologen: „Die Führer der beiden großen Parteien akzeptierten sich gegenseitig als legitime Vertreter des Volkes und widerstanden der Versuchung, ihre zeitweilige Macht zu nutzen, um die Vorteile für ihre eigene Partei zu maximieren.“ Das macht die beiden großen Parteien zu Hütern der Demokratie. Sie bekamen die implizite Aufgabe, Demagogen den Weg ins Oval Office zu versperren.
Wie konnte Trump dann ohne die Unterstützung des Establishments Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden? Levitsky und Ziblatt sehen die fatale Wechselwirkung zwischen dem polarisierenden Kandidaten, unermüdlich berichtender Presse und maßgeschneiderter Propaganda als Grund für dessen Aufstieg. Sie machen aber auch eine moralisch entkernte Republikanische Partei verantwortlich, die ihre Wächterrolle unter dem Einfluss von Großspendern und rechter Medien wie Fox News in den 80er-Jahren aufgab und in eine Blockade des parlamentarischen Systems transformierte, die Trump erst möglich machte.
Während dieser nun nach dem Betriebshandbuch für Autokraten regiert, was die Autoren mit einem Lackmustest nachweisen, der in die Lehrbücher vergleichender Regierungslehre eingehen sollte, empfehlen Levitsky und Ziblatt den Demokraten, den Präsidenten nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen zu wollen. Stattdessen sollten die Gegner Trumps eine breite prodemokratische Koalition bilden, die versucht, die Spaltung des Landes durch eine Sachpolitik zu überwinden, die sich der Ungleichheit annimmt. Es bleibt ein frommer Wunsch zum Abschluss eines lesenswerten Buches.
Der amerikanische Literaturprofessor Michael Hardt und der italienische Philosoph Antonio Negri hatten im Jahr 2000 „Empire“ vorgelegt, eine rege diskutierte Theorie des globalisierten Kapitalismus, die sich in der These, dass sich Demokratien gleichsam ins Kommunitäre und ins Suprastaatliche auflösen, als weitsichtig herausstellte. In ihrer Streitschrift „Assembly. Die neue demokratische Ordnung“ widmen sie sich erneut dem linken Großprojekt: der Kritik und der Veränderung der Machtverhältnisse von unten.
Hierfür wurden soziale Bewegungen stets als Motor gesehen. Ihr Protest gegen Missstände wurde von den Parteien in die Parlamente getragen. Oder eben nicht. Bislang seien die Bewegungen aber nicht imstande gewesen, eine demokratischere Gesellschaft zu erschaffen, weil sie keinen Führungsanspruch reklamiert hätten, konstatieren die Autoren. Das habe mit ihren Wurzeln in den 60er-Jahren zu tun, mit der Ablehnung politischer Repräsentation und dem Fehlen charismatischer Führer. Doch mit Tugend allein ist Macht nicht zu erlangen.
Für eine progressive Linke schlagen die Autoren deshalb einen Strategiewechsel vor, wobei sie sich an Klassikern der politischen Theorie orientieren: Dem Beharrungsvermögen souveräner staatlicher Institutionen setzen sie die utopistische Figur eines „neuen Fürsten“ entgegen. Der Begriff ist eine Anlehnung an Machiavellis Buch über die Mechanik von Herrschaft. Ihr Fürst soll aber kein Bernie Sanders sein und auch keine sonstige Führungsinstanz.
Stattdessen schwebt Hardt und Negri ein Schwarm „maschinischer Subjektivitäten“ vor, die eine Digitalisierung der Arbeit ohnehin hervorgebracht habe. Ihre Versammlung müsste nur organisiert werden: in kooperativen Kreisläufen und sich ausdehnenden Netzwerken. Dann sei gemeinsames politisches Handeln möglich. Als Beispiele müssen „Occupy Wall Street“ und „Black Lives Matter“ herhalten, denen es gelungen ist, einen Straßenprotest in eine Art transnationale Bewusstseinspolitik zu überführen.
Für ihren aktivistischen Ansatz haben Hardt und Negri viel Kritik einstecken müssen. Mit einigem Recht. Man muss nur Andreas Recknitz’ viel beachtetes Buch „Gesellschaft der Singularitäten“ lesen, in dem der Soziologe in einer schlüssigen Kulturtheorie darlegt, dass eher mit einem weiteren Zerfall politischer Öffentlichkeit zu rechnen ist denn mit einer Demokratie als Open-Source-Projekt. So bleibt von dem Buch nicht mehr als eine theorieschwere Vorlage für die Salonlinke.
Einen dezidierten Blick auf Demokratiedefizite in Deutschland wirft Paul Schreyer in „Die Angst der Eliten“. Der ostdeutsche Journalist zeichnet das Bild eines Landes, das von einer Vertrauenskrise in die nächste schlittert. Als Ursache hat er die etablierten Machtstrukturen der Bundesrepublik ausgemacht: Da ist eine global operierende Geldelite, die sich der Kontrolle durch das Parlament entzieht. Da ist der Konzern Bertelsmann, der über seine Stiftung die Gestaltung der Agenda 2010 beeinflussen konnte. Da ist ein Armutsbericht der Bundesregierung, dessen unrühmliche Analyse vom Bundeskanzleramt zusammengestrichen wurde.
Schreyer vertritt linke Positionen, doch bei ihm ist die Sache etwas vertrackter. Denn er stellt vor allem die Narrative infrage, mit denen politische Entscheidungen in einer repräsentativen Demokratie begründet werden. Er reagiert allergisch auf Denkverbote, etwa bei der Debatte um Volksentscheide auf Bundesebene. Ein überparteilicher Konsens, den er im linksliberalen Lager ausgemacht hat, stößt ihm besonders auf: „Demokratie ist toll – solange nicht die Falschen gewählt werden.“
Bei dem Journalisten, der als Experte keine Berührungsängste zu fragwürdigen Alternativmedien hat, wollen die Mahnungen vor der AfD deshalb nicht verfangen. Die Populismus-Vorwürfe gegenüber der Partei dienen vor allem dem Schutz der Eliten, weil im Dauerstreit um Leitkultur und Islam keine Debatte über die Ungleichverteilung der Vermögen zustande komme, glaubt Schreyer. In jedem Fall richtig ist ein Satz auf den hinteren Seiten eines unbequemen, aber auch recht raunenden Buchs: „Demokratie bedeutet vor allem eines: Bereitschaft zur Debatte.“
Donald Trump regiert
mit dem Betriebshandbuch
für Autokraten
Eine global operierende Geldelite
sieht der Autor Paul Schreyer
als Hauptproblem
Steven Levitsky,
Daniel Ziblatt:
Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. DVA München 2018.
320 Seiten, 22 Euro.
E-Book: 18,99 Euro.
Michael Hardt,
Antonio Negri:
Assembly. Die neue demokratische Ordnung. Aus dem Englischen von Thomas Atzert und Andreas Wirthensohn. Campus Frankfurt 2018, 411 Seiten, 34,95 Euro.
E-Book: 29,99 Euro.
Paul Schreyer:
Die Angst der Eliten.
Wer fürchtet die Demokratie? Westend-Verlag Frankfurt 2018, 224 Seiten,
18 Euro. E-Book: 13,99 Euro.
George Washington und Donald Trump. Der erste und der 45. Präsident der USA
haben recht unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie. Das Porträt Washingtons stammt
von Rembrandt Peale und hängt im Oval Office. Foto: Alex Edelman/Bloomberg
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Wie steht es um die Demokratie?
Schlecht, lauten unisono die Analysen.
Was folgt daraus? Ein Überblick
VON CHRISTOPH DORNER
Ob Oswald Spengler wirklich eine Vorstellung von Donald Trump hatte? Im Jahr 1918 veröffentlichte der deutsche Philosoph den ersten Band seines Hauptwerks „Untergang des Abendlandes“. Darin prophezeite Spengler, dass auf die Demokratie, in der er eine Herrschaft des Geldes sah, aus einer historischen Zwangsläufigkeit heraus wieder der Cäsarismus folgen müsse: die autoritäre Herrschaft eines Einzelnen. Es kam dann bald Hitler, und die Weimarer Republik rollte ihm den roten Teppich aus.
100 Jahre nach Spenglers Versuch, die Geschichte vorauszubestimmen, wähnen Beobachter westliche Demokratien wieder auf dem Krankenbett. In halb Europa haben extremistische Kräfte Zugewinne erreicht, die auch gezielt gegen demokratische Institutionen vorgehen. Und dann ist da noch Trump, ein Fall für sich. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass sich Sachbücher diesen Schockwellen auf dem Parkett der Weltpolitik widmen. Eines haben sie gemeinsam: Sie stellen der demokratischen Praxis der Gegenwart kein gutes Zeugnis aus.
Die Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt analysieren in ihrer zeithistorischen Studie „Wie Demokratien sterben“, wie sich demokratisch verfasste in autoritär regierte Staaten verwandeln. In der Phase des Kalten Krieges brauchte es hierzu noch Waffengewalt. Seitdem sind es gewählte Regierungen, die das Prinzip der Gewaltenteilung untergraben, indem sie Gegner kaufen, Schiedsrichter gleichschalten, die Verfassung ändern. Es ist immer ein ähnliches Muster, die Autoren legen es anhand zahlreicher Beispiele aus Ländern wie Peru, Ungarn oder Russland frei. Wie anfällig aber ist die amerikanische Demokratie für einen Niedergang? Wird sie Trump überstehen, wie sie Bürgerkrieg, Weltwirtschaftskrise, Watergate überstanden hat?
Die USA hatten bislang eine weitgehend stabile Demokratie, weil ihr politisches System auf zwei ungeschriebenen Normen fußte, analysieren die Politologen: „Die Führer der beiden großen Parteien akzeptierten sich gegenseitig als legitime Vertreter des Volkes und widerstanden der Versuchung, ihre zeitweilige Macht zu nutzen, um die Vorteile für ihre eigene Partei zu maximieren.“ Das macht die beiden großen Parteien zu Hütern der Demokratie. Sie bekamen die implizite Aufgabe, Demagogen den Weg ins Oval Office zu versperren.
Wie konnte Trump dann ohne die Unterstützung des Establishments Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden? Levitsky und Ziblatt sehen die fatale Wechselwirkung zwischen dem polarisierenden Kandidaten, unermüdlich berichtender Presse und maßgeschneiderter Propaganda als Grund für dessen Aufstieg. Sie machen aber auch eine moralisch entkernte Republikanische Partei verantwortlich, die ihre Wächterrolle unter dem Einfluss von Großspendern und rechter Medien wie Fox News in den 80er-Jahren aufgab und in eine Blockade des parlamentarischen Systems transformierte, die Trump erst möglich machte.
Während dieser nun nach dem Betriebshandbuch für Autokraten regiert, was die Autoren mit einem Lackmustest nachweisen, der in die Lehrbücher vergleichender Regierungslehre eingehen sollte, empfehlen Levitsky und Ziblatt den Demokraten, den Präsidenten nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen zu wollen. Stattdessen sollten die Gegner Trumps eine breite prodemokratische Koalition bilden, die versucht, die Spaltung des Landes durch eine Sachpolitik zu überwinden, die sich der Ungleichheit annimmt. Es bleibt ein frommer Wunsch zum Abschluss eines lesenswerten Buches.
Der amerikanische Literaturprofessor Michael Hardt und der italienische Philosoph Antonio Negri hatten im Jahr 2000 „Empire“ vorgelegt, eine rege diskutierte Theorie des globalisierten Kapitalismus, die sich in der These, dass sich Demokratien gleichsam ins Kommunitäre und ins Suprastaatliche auflösen, als weitsichtig herausstellte. In ihrer Streitschrift „Assembly. Die neue demokratische Ordnung“ widmen sie sich erneut dem linken Großprojekt: der Kritik und der Veränderung der Machtverhältnisse von unten.
Hierfür wurden soziale Bewegungen stets als Motor gesehen. Ihr Protest gegen Missstände wurde von den Parteien in die Parlamente getragen. Oder eben nicht. Bislang seien die Bewegungen aber nicht imstande gewesen, eine demokratischere Gesellschaft zu erschaffen, weil sie keinen Führungsanspruch reklamiert hätten, konstatieren die Autoren. Das habe mit ihren Wurzeln in den 60er-Jahren zu tun, mit der Ablehnung politischer Repräsentation und dem Fehlen charismatischer Führer. Doch mit Tugend allein ist Macht nicht zu erlangen.
Für eine progressive Linke schlagen die Autoren deshalb einen Strategiewechsel vor, wobei sie sich an Klassikern der politischen Theorie orientieren: Dem Beharrungsvermögen souveräner staatlicher Institutionen setzen sie die utopistische Figur eines „neuen Fürsten“ entgegen. Der Begriff ist eine Anlehnung an Machiavellis Buch über die Mechanik von Herrschaft. Ihr Fürst soll aber kein Bernie Sanders sein und auch keine sonstige Führungsinstanz.
Stattdessen schwebt Hardt und Negri ein Schwarm „maschinischer Subjektivitäten“ vor, die eine Digitalisierung der Arbeit ohnehin hervorgebracht habe. Ihre Versammlung müsste nur organisiert werden: in kooperativen Kreisläufen und sich ausdehnenden Netzwerken. Dann sei gemeinsames politisches Handeln möglich. Als Beispiele müssen „Occupy Wall Street“ und „Black Lives Matter“ herhalten, denen es gelungen ist, einen Straßenprotest in eine Art transnationale Bewusstseinspolitik zu überführen.
Für ihren aktivistischen Ansatz haben Hardt und Negri viel Kritik einstecken müssen. Mit einigem Recht. Man muss nur Andreas Recknitz’ viel beachtetes Buch „Gesellschaft der Singularitäten“ lesen, in dem der Soziologe in einer schlüssigen Kulturtheorie darlegt, dass eher mit einem weiteren Zerfall politischer Öffentlichkeit zu rechnen ist denn mit einer Demokratie als Open-Source-Projekt. So bleibt von dem Buch nicht mehr als eine theorieschwere Vorlage für die Salonlinke.
Einen dezidierten Blick auf Demokratiedefizite in Deutschland wirft Paul Schreyer in „Die Angst der Eliten“. Der ostdeutsche Journalist zeichnet das Bild eines Landes, das von einer Vertrauenskrise in die nächste schlittert. Als Ursache hat er die etablierten Machtstrukturen der Bundesrepublik ausgemacht: Da ist eine global operierende Geldelite, die sich der Kontrolle durch das Parlament entzieht. Da ist der Konzern Bertelsmann, der über seine Stiftung die Gestaltung der Agenda 2010 beeinflussen konnte. Da ist ein Armutsbericht der Bundesregierung, dessen unrühmliche Analyse vom Bundeskanzleramt zusammengestrichen wurde.
Schreyer vertritt linke Positionen, doch bei ihm ist die Sache etwas vertrackter. Denn er stellt vor allem die Narrative infrage, mit denen politische Entscheidungen in einer repräsentativen Demokratie begründet werden. Er reagiert allergisch auf Denkverbote, etwa bei der Debatte um Volksentscheide auf Bundesebene. Ein überparteilicher Konsens, den er im linksliberalen Lager ausgemacht hat, stößt ihm besonders auf: „Demokratie ist toll – solange nicht die Falschen gewählt werden.“
Bei dem Journalisten, der als Experte keine Berührungsängste zu fragwürdigen Alternativmedien hat, wollen die Mahnungen vor der AfD deshalb nicht verfangen. Die Populismus-Vorwürfe gegenüber der Partei dienen vor allem dem Schutz der Eliten, weil im Dauerstreit um Leitkultur und Islam keine Debatte über die Ungleichverteilung der Vermögen zustande komme, glaubt Schreyer. In jedem Fall richtig ist ein Satz auf den hinteren Seiten eines unbequemen, aber auch recht raunenden Buchs: „Demokratie bedeutet vor allem eines: Bereitschaft zur Debatte.“
Donald Trump regiert
mit dem Betriebshandbuch
für Autokraten
Eine global operierende Geldelite
sieht der Autor Paul Schreyer
als Hauptproblem
Steven Levitsky,
Daniel Ziblatt:
Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. DVA München 2018.
320 Seiten, 22 Euro.
E-Book: 18,99 Euro.
Michael Hardt,
Antonio Negri:
Assembly. Die neue demokratische Ordnung. Aus dem Englischen von Thomas Atzert und Andreas Wirthensohn. Campus Frankfurt 2018, 411 Seiten, 34,95 Euro.
E-Book: 29,99 Euro.
Paul Schreyer:
Die Angst der Eliten.
Wer fürchtet die Demokratie? Westend-Verlag Frankfurt 2018, 224 Seiten,
18 Euro. E-Book: 13,99 Euro.
George Washington und Donald Trump. Der erste und der 45. Präsident der USA
haben recht unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie. Das Porträt Washingtons stammt
von Rembrandt Peale und hängt im Oval Office. Foto: Alex Edelman/Bloomberg
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"Paul Schreyer gibt eine kundige und engagierte Einführung in Facetten der gegenwärtigen Zerstörung demokratischer Substanz und stellt in gut lesbarer Form reiches Material zum eigenständigen Nachdenken bereit." Prof. Rainer Mausfeld "Schreyer stellt faktenreich dar, wie sich in einer Gesellschaft, wo sich Erfolg immer stärker an der Größe des privaten Vermögens bemisst, politischer Einfluss - etwa über mächtige Stiftungen - entwickelt. Schreyer spricht von einer 'Krise der Repräsentation' und hinterfragt die Scheu vor mehr direkter Demokratie. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt!" Jens Burmeister, Ostsee-Zeitung "Ein wichtiges Buch." Dr. Walter van Rossum, WDR "Sachlich, mit Umsicht und Bedacht argumentierend, klug, kritisch." Prof. Michael Meyen, medienblog.hypotheses.org "Paul Schreyer will mit seinem aktuellen Buch mehr Demokratie wagen. Er versucht in 'Die Angst der Eliten' äußerst geschickt, Licht ins leicht unübersichtliche System elitärer Einflüsse auf unsere Demokratie zu bringen. ... Das Buch entdeckt eine zunehmend neue, generelle Angst vor Demokratie. Dieser überaus wichtige Gedanke sollte dringend Eingang in bundesdeutsche Politik finden." Anna Ernst, ZDF "Das literarische Quartett" "Wer mitreden will, wie es um die Demokratie in diesem Land bestellt ist, muss dieses Buch lesen. Neben brisanten investigativen Elementen (Manipulation von wissenschaftlichen Gutachten durch die Regierung) findet man darin eine außerordentlich kluge Analyse des politischen Geschehens in Deutschland in den letzten Jahren. Angenehm ist die unaufgeregte und sachliche Art, mit der der Autor argumentiert. Insgesamt ein wichtiger und ungewöhnlich reflektierter Beitrag zur politischen Debatte." Dr. Alexander Unzicker, Physiker und Autor "Warum Demokratie und Reichtumskonzentration nicht zusammenpassen - Ideologiekritik auf hohem Niveau." Dr. Uwe Krüger, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Universität Leipzig