Wie kann man verregnete Ferien besser verbringen? Man denkt sich ein eigenes Spiel aus, für das nichts weiter gebraucht wird als die Muttersprache! Wenn man Glück hat, gefallen solche Spiele auch kleinen Männchen aus dem Radio, die natürlich schon immer mit der "Sprache, ihrer Geschichte und Geschichten" Umgang pflegten, da sie uralt sind und "durch die Zeiten" gereist sind - eine wirkliche Bereicherung! Wer sonst kennt Wörter mit 16-e, wie "Schneeseerehkleefeetee..." - schon mal gehört?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2005Sprachgespenstchen im Regen
Franz Fühmanns berühmtes Wort- und Reimspielbuch
Als "Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel" von Franz Fühmann zuerst 1978 in der DDR erschien, erregte es dort hohes Aufsehen, ist doch das Labyrinth der Abecedarien, Palindrome und Reimspiele vom sozialistischen Realismus sternenweit entfernt. Auch läßt der Autor ironisch die Tücken des sozialistischen Alltags mitspielen: die bürokratisch-verschrobenen Wortungetüme und anmaßenden Stilblüten-Lehrsätze, die Unsinnspoesie maroder Leuchtreklamen oder den verordneten Nutzen von Gedichten "für die Produktion". Vieles davon verstehen heute selbst ostdeutsche junge Leser nicht mehr, daher enthält die jetzt erschienene, sonst kaum veränderte Neuauflage ein Glossar von "Dialektik" bis "volkseigen".
Das Buch wurde auch im Westen schnell bekannt. Jürgen Spohn mixte seit den sechziger Jahren traditionelle Kinderverse mit Verfahren der Konkreten Poesie; Hans Manz und das "Sprachbastelbuch" (1975) führten diese Linien fort. Fühmann, am "Erbe" orientiert, entfaltet Formen des Sprachspiels vom Altertum bis zur Moderne, vom Wettstreit zwischen Homer und Hesiod, dem er den ersten Teil des barocken Titels entnommen hat, bis zu Rimbaud und Brecht. Sein Buch ist eine reichhaltige Anthologie der Sprachspiele, außerdem eine Einführung in Sprachgeschichte und -philosophie mit Texten von Herder, Humboldt und Marx. Umrahmt werden all diese Ausflüge ins Reich der Sprache von einer Kinder-Feriengeschichte.
So anregend das literarisch-philosophische Kompendium ist, so langweilig sind die Dialoge der fünf Kinder, die sich während einer Reihe öder Regentage unter Anleitung eines orientalischen Sprachgeistes mit Wortspielen unterhalten. Der Schulmeisterton, den der Autor und sein Sprachgespenstchen häufig anschlagen, fügt sich nicht gut zu den tiefgründigen und anmutigen Sprachspielen, und die Jahre, die seit der Erstpublikation verstrichen sind, haben ihn nicht genießbarer gemacht. Dennoch - in der schön ausgestatteten Leinenausgabe mit den vielen hintersinnigen Zeichnungen von Egbert Herfurth ist dieses Werk noch immer eine reiche Fundgrube, ein Hausbuch für Familie und Schule.
GUNDEL MATTENKLOTT
Franz Fühmann: "Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel". Ein Sprachspielbuch mit Bildern von Egbert Herfurth. Verlag Hinstorff, Rostock 2005. 358 S., geb., 19,90 [Euro]. Für jedes Alter.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Franz Fühmanns berühmtes Wort- und Reimspielbuch
Als "Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel" von Franz Fühmann zuerst 1978 in der DDR erschien, erregte es dort hohes Aufsehen, ist doch das Labyrinth der Abecedarien, Palindrome und Reimspiele vom sozialistischen Realismus sternenweit entfernt. Auch läßt der Autor ironisch die Tücken des sozialistischen Alltags mitspielen: die bürokratisch-verschrobenen Wortungetüme und anmaßenden Stilblüten-Lehrsätze, die Unsinnspoesie maroder Leuchtreklamen oder den verordneten Nutzen von Gedichten "für die Produktion". Vieles davon verstehen heute selbst ostdeutsche junge Leser nicht mehr, daher enthält die jetzt erschienene, sonst kaum veränderte Neuauflage ein Glossar von "Dialektik" bis "volkseigen".
Das Buch wurde auch im Westen schnell bekannt. Jürgen Spohn mixte seit den sechziger Jahren traditionelle Kinderverse mit Verfahren der Konkreten Poesie; Hans Manz und das "Sprachbastelbuch" (1975) führten diese Linien fort. Fühmann, am "Erbe" orientiert, entfaltet Formen des Sprachspiels vom Altertum bis zur Moderne, vom Wettstreit zwischen Homer und Hesiod, dem er den ersten Teil des barocken Titels entnommen hat, bis zu Rimbaud und Brecht. Sein Buch ist eine reichhaltige Anthologie der Sprachspiele, außerdem eine Einführung in Sprachgeschichte und -philosophie mit Texten von Herder, Humboldt und Marx. Umrahmt werden all diese Ausflüge ins Reich der Sprache von einer Kinder-Feriengeschichte.
So anregend das literarisch-philosophische Kompendium ist, so langweilig sind die Dialoge der fünf Kinder, die sich während einer Reihe öder Regentage unter Anleitung eines orientalischen Sprachgeistes mit Wortspielen unterhalten. Der Schulmeisterton, den der Autor und sein Sprachgespenstchen häufig anschlagen, fügt sich nicht gut zu den tiefgründigen und anmutigen Sprachspielen, und die Jahre, die seit der Erstpublikation verstrichen sind, haben ihn nicht genießbarer gemacht. Dennoch - in der schön ausgestatteten Leinenausgabe mit den vielen hintersinnigen Zeichnungen von Egbert Herfurth ist dieses Werk noch immer eine reiche Fundgrube, ein Hausbuch für Familie und Schule.
GUNDEL MATTENKLOTT
Franz Fühmann: "Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel". Ein Sprachspielbuch mit Bildern von Egbert Herfurth. Verlag Hinstorff, Rostock 2005. 358 S., geb., 19,90 [Euro]. Für jedes Alter.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Gundel Mattenklott zollt diesem wieder aufgelegten Buch von 1978 zwar den schuldigen Respekt und nennt die "reichhaltige" Sammlung von Sprachspielen und Einführung in die Sprachphilosophie ein anregendes "literarisch-philosophisches Kompendium". Besonders die "bürokratisch-verschrobenen Wortungetüme" aus dem sozialistischen Alltag (samt Glossar für den Leser von heute) haben der Rezensentin Spaß gemacht. Trotzdem findet sie das Buch insgesamt etwas sperrig und nicht ohne weiteres genießbar. Es stört sie der Schulmeisterton des Autors ebenso wie die langweiligen Dialoge von fünf Kindern, die sich unter Anleitung eines Sprach-Dschinnis in Wortspielen unterhalten. Uneingeschränkt gute Noten bekommt das Werk aber für seine Ausstattung und die "hintersinnigen Zeichnungen" von Egbert Herfurth.
© Perlentaucher Medien GmbH
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