"Mein Thema heute, so fürchte ich, ist fast schon beschämend aktuell." Was ist Freiheit, und was bedeutet sie uns? Begreifen wir sie nur als die Abwesenheit von Furcht und von Zwängen, oder meint Freiheit nicht vielmehr auch, sich an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, eine eigene politische Stimme zu haben, um von anderen gehört, erkannt und schließlich erinnert zu werden? Und: Haben wir diese Freiheit einfach, oder wer gibt sie uns, und kann man sie uns auch wieder wegnehmen? In diesem auf Deutsch bisher unveröffentlichten Essay zeichnet Hannah Arendt die historische Entwicklung des Freiheitsbegriffs nach. Gelesen von Sandra Schwittau. (Laufzeit: 1h 4)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2018Neubeginn für die Gemeinschaft
Erstmals übersetzt: Hannah Arendts Essay über Freiheit
Wer eines von Hannah Arendts größeren Werken kennt, etwa die Bücher "Über die Revolution" oder "Vita activa", dem wird der jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlichte, aus einem Vortrag hervorgegangene Essay "Die Freiheit, frei zu sein" nichts wesentlich Neues bringen. Einige ihrer großen Themen sind in der Verkürzung pointierter herausgearbeitet - etwa die unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Voraussetzungen, die laut Arendt für den Erfolg der Amerikanischen Revolution und das in ihren Augen totale Desaster der Französischen verantwortlich waren.
Das hat Arendts Nüchternheit im Blick auf die politischen Folgen sozialer Umstürze begründet: die "Befreiung" führe nicht zu Freiheit, weil die "soziale Revolution" unvermeidlich mit Gewalt verbunden sei und zu Terror führen könne. Ein Thema, das die Politikwissenschaft bis heute beschäftigt. Pointiert formuliert sie auch noch einmal ihre von Aristoteles entlehnte These, dass Freiheit im emphatischen Wortsinn bedeute, sich im öffentlichen Raum zu betätigen, also politisch aktiv zu sein in einer Arena, mit dem persönlichen Antrieb, sich auszuzeichnen, Ruhm und Ehre zu erringen.
Ein anderes ihrer großen Themen wird nur berührt: Die These von der Bedeutung der "Natalität", also davon, dass mit jedem neuen Leben, das in die Welt kommt, ein Neubeginn möglich sei, nicht nur für den Einzelnen, sondern letztlich auch für die politische Gemeinschaft, in der sich die Einzelnen zusammenfinden und verbünden können. Aus dieser "Verbündung" entsteht Macht - die unorthodoxe Ableitung eines Zentralbegriffs der Politik, den Arendt scharf von dem für sie vorpolitischen Mittel der Gewalt abhebt. Das heuristische Potential dieser Unterscheidung hat der lange Schatten von Max Webers Definition der Macht verdunkelt.
Thomas Meyer informiert in seinem Nachwort über die Entstehungsgeschichte dieses Essays und arbeitet Arendts Bedeutung für die politische Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert heraus. Sie gründet in An- und Einsichten, die in vielerlei Hinsicht quer zu den vorherrschenden Ideologien wie Liberalismus oder Sozialismus stehen. Obwohl Arendts persönliche Sympathie eher der politischen Linken galt, haben ihre Argumente - es fällt schwer von einer geschlossenen Theorie zu sprechen - bis in den Stil des Denkens und Schreibens hinein Berührungspunkte mit englischen Konservativen des vergangenen Jahrhunderts wie Michael Oakeshott oder Isaiah Berlin. Es ist diese Unvoreingenommenheit und die Offenheit für Interpretationen, die auch den Reiz dieses kleinen Büchleins ausmacht.
GÜNTHER NONNENMACHER.
Hannah Arendt: "Die Freiheit, frei zu sein".
Deutscher Taschenbuchverlag, München 2018. 60 S., br., 8,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erstmals übersetzt: Hannah Arendts Essay über Freiheit
Wer eines von Hannah Arendts größeren Werken kennt, etwa die Bücher "Über die Revolution" oder "Vita activa", dem wird der jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlichte, aus einem Vortrag hervorgegangene Essay "Die Freiheit, frei zu sein" nichts wesentlich Neues bringen. Einige ihrer großen Themen sind in der Verkürzung pointierter herausgearbeitet - etwa die unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Voraussetzungen, die laut Arendt für den Erfolg der Amerikanischen Revolution und das in ihren Augen totale Desaster der Französischen verantwortlich waren.
Das hat Arendts Nüchternheit im Blick auf die politischen Folgen sozialer Umstürze begründet: die "Befreiung" führe nicht zu Freiheit, weil die "soziale Revolution" unvermeidlich mit Gewalt verbunden sei und zu Terror führen könne. Ein Thema, das die Politikwissenschaft bis heute beschäftigt. Pointiert formuliert sie auch noch einmal ihre von Aristoteles entlehnte These, dass Freiheit im emphatischen Wortsinn bedeute, sich im öffentlichen Raum zu betätigen, also politisch aktiv zu sein in einer Arena, mit dem persönlichen Antrieb, sich auszuzeichnen, Ruhm und Ehre zu erringen.
Ein anderes ihrer großen Themen wird nur berührt: Die These von der Bedeutung der "Natalität", also davon, dass mit jedem neuen Leben, das in die Welt kommt, ein Neubeginn möglich sei, nicht nur für den Einzelnen, sondern letztlich auch für die politische Gemeinschaft, in der sich die Einzelnen zusammenfinden und verbünden können. Aus dieser "Verbündung" entsteht Macht - die unorthodoxe Ableitung eines Zentralbegriffs der Politik, den Arendt scharf von dem für sie vorpolitischen Mittel der Gewalt abhebt. Das heuristische Potential dieser Unterscheidung hat der lange Schatten von Max Webers Definition der Macht verdunkelt.
Thomas Meyer informiert in seinem Nachwort über die Entstehungsgeschichte dieses Essays und arbeitet Arendts Bedeutung für die politische Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert heraus. Sie gründet in An- und Einsichten, die in vielerlei Hinsicht quer zu den vorherrschenden Ideologien wie Liberalismus oder Sozialismus stehen. Obwohl Arendts persönliche Sympathie eher der politischen Linken galt, haben ihre Argumente - es fällt schwer von einer geschlossenen Theorie zu sprechen - bis in den Stil des Denkens und Schreibens hinein Berührungspunkte mit englischen Konservativen des vergangenen Jahrhunderts wie Michael Oakeshott oder Isaiah Berlin. Es ist diese Unvoreingenommenheit und die Offenheit für Interpretationen, die auch den Reiz dieses kleinen Büchleins ausmacht.
GÜNTHER NONNENMACHER.
Hannah Arendt: "Die Freiheit, frei zu sein".
Deutscher Taschenbuchverlag, München 2018. 60 S., br., 8,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Hannah Arendt erst jetzt aus dem Nachlass publizierter Vortrag von 1967 wirft laut Gustav Seibt ein Licht auf den Zusammenhang von Freiheit und Revolution. Der geschichtsphilosophische "Riesenbogen", den Arendt spannt macht den Text für Seibt zu einem Leckerbissen, auch oder vielmehr gerade weil er sich mit Arendts früherem Buch "Über die Revolution" und ihrem Vortrag "Revolution und Freiheit" von 1961 überschneidet. Für Seibt liegt ein nicht unerheblicher Reiz darin, das Nachdenken Arendts über den Themenkomplex in seinen Veränderungen zu beobachten. Was erfährt er hier? Dass Freiheit für Arendt immer politisch ist und so unvorhersehbar wie das Leben selbst etwa. Und dass die bei Arendt vorkommende negative Freiheit des Einzelnen im Angesicht heutiger Überwachunsgszenarien neue Brisanz bekommt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ein Text, der auch heute eine Zukunft hat. Frankfurter Rundschau 20180622