Vor drei Jahren erschien im Münchner Hörverlag eine repräsentative Hörbuch-Box (19 Audio-CDs) mit Hörspielfassungen von Thomas Manns wichtigsten Romanen („Buddenbrooks“, „Zauberberg“ und „Tod in Venedig“). Nun hat der Verlag in ähnlicher Aufmachung eine Hörbuch-Box mit den Lesungen von fünf großen
Erzählungen des Nobelpreisträgers herausgebracht. Es sind historische Aufnahmen aus den Jahren 1979,…mehrVor drei Jahren erschien im Münchner Hörverlag eine repräsentative Hörbuch-Box (19 Audio-CDs) mit Hörspielfassungen von Thomas Manns wichtigsten Romanen („Buddenbrooks“, „Zauberberg“ und „Tod in Venedig“). Nun hat der Verlag in ähnlicher Aufmachung eine Hörbuch-Box mit den Lesungen von fünf großen Erzählungen des Nobelpreisträgers herausgebracht. Es sind historische Aufnahmen aus den Jahren 1979, 1981, 1982 und 1983 und mit keinem Geringeren als Gert Westphal, dem „König der Vorleser“. Die 14 Audio-CDs haben eine Laufzeit von knapp 14 Stunden und bringen wichtige Werke der Weltliteratur zu Gehör.
Die Novelle „Tristan“, die in einem Sanatorium spielt, wurde erstmals 1903 veröffentlicht. Hauptfiguren sind eine tuberkulosekranke Frau und ein eigenbrötlerischer Schriftsteller, der die geschwächte Frau zum Klavierspiel überredet, obwohl die Ärzte ihr diese Anstrengung strikt untersagt haben. Meisterhaft hat Thomas Man in „Tristan" die Kunst mit dem Kränklichen verbunden, vergleicht die Künstlernatur mit der bürgerlichen, erfolgreichen Existenz.
Die Novelle „Tod in Venedig“ (1912) ist das tragische Gegenstück des späteren Zauberberg-Romans. Ein alternder Schriftsteller reist nach Venedig und verfällt dort der Schönheit eines Jünglings. Gleichzeitig legt sich eine Seuche über die Stadt. Die novellistischen Erzählung „Mario und der Zauberer“ (1930) schildert die Erlebnisse eines Familienvaters während eines Urlaubs in einem norditalienischen Badeort in den 20er Jahren. Mann hat hier die Stimmung des faschistischen Italien eingefangen und so wurde das Werk, obwohl das der Autor nie ausdrücklich bestätigte, oft als Mahnung vor dem Nationalsozialismus in Deutschland angesehen.
Die indische Legende „Die vertauschten Köpfe“ (1940) ist eine ironische Parodie und zugleich eine gruselige Dreiecksgeschichte, in der eine schöne Inderin sich nicht zwischen zwei Männern, der eine klug und der andere muskulös, entscheiden kann. Durch das Austauschen der Köpfe, von einer Göttin erlaubt, will sie sich schließlich ihren Idealmann erschaffen. Den Abschluss bildet die Erzählung „Das Gesetz“ (1944), in der Thomas Mann den Auszug der Israeliten aus dem ägyptischen Exil literarisch verarbeitete. Es stellt seine Deutung des biblischen Moses dar.
Hier über die Vortragskunst von Gert Westphal zu rezensieren, wäre Eulen nach Athen tragen. Mit der Lesung der fünf Thomas-Mann-Erzählungen lieferte er jedenfalls gültige Interpretationen ab, die auch heute noch den Hörer in den Bann ziehen.
Noch ein paar Worte zur exzellenten Hörbuch-Box. Alle 14 Audio-CDs sind in separaten Papp-Schutzhüllen, die auf der Vorderseite fünf verschiedene Thomas-Mann-Porträts zeigen und auf der Rückseite Zitate von Gert Westphal tragen. Das 40seitige Booklet bringt kurze Informationen zum Autor und zum Sprecher, sowie einige Textbeiträge (u.a. von Golo Mann) zu dessen Vortragskunst. Die fünf Erzählungen werden ebenfalls kurz vorgestellt. Um den Wiedereinstieg beim Hören zu erleichtern, wurde auf den CDs alle fünf Minuten ein Track gesetzt. Wirklich ein Hörbuch der Extraklasse!