„Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ ist das Jugendbuch-Debüt von Laura Creedle. Darin geht es um ADHS, Legasthenie, Asperger, Liebe, Familie, Schule und Freundschaft. Eine ungeheure Bandbreite und doch hängen all diese Themen ganz eng miteinander zusammen. Lily hat ADHS und Legasthenie. Abelard
leidet an Asperger. Für beide sind der Schul- und Familienalltag eine Herausforderung, Lily belastet…mehr„Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ ist das Jugendbuch-Debüt von Laura Creedle. Darin geht es um ADHS, Legasthenie, Asperger, Liebe, Familie, Schule und Freundschaft. Eine ungeheure Bandbreite und doch hängen all diese Themen ganz eng miteinander zusammen. Lily hat ADHS und Legasthenie. Abelard leidet an Asperger. Für beide sind der Schul- und Familienalltag eine Herausforderung, Lily belastet zusätzlich die Trennung ihrer Eltern. Trotz allem bemüht sie sich, die erforderlichen Leistungen für die Schule zu erbringen und scheitert doch immer wieder. Die Medikamente helfen, doch sie lassen die Welt stumpf erscheinen, sie hat keinen Appetit mehr, weder auf Essen, noch auf das Leben an sich. So kämpft sie Tag für Tag – mit sich, ihren fliegenden Gedanken, ihrer Impulsivität, ihrem Drang, wegzulaufen vor allem, was sie belastet. Bis sie sich dazu entschließt, die Medikamente abzusetzen und sich ausgerechnet in Abelard verliebt, der in fast jeglicher Hinsicht ganz anders ist als sie.
Erzählt wird aus der Perspektive von Lily, als Leser:in ist man also nah dran an ihren Empfindungen und Gedanken. Man erlebt ihre Konflikte mit Lehrern, die oft wenig Verständnis für ihr Aufmerksamkeitsdefizit oder ihre Impulsivität haben, hautnah mit. Auch der Druck, den die Mutter auf Lily ausübt, indem sie geeignete Therapien sucht und das Leben für ihre Tochter leichter gestalten möchte, spürt man stark. Zudem vermisst sie ihren Vater, der den Kontakt abgebrochen hat, und von dem sie sich verspricht, dass bei ihm alles besser sein würde. Gleichzeitig teilt man die Angst, dass Medikamente und Therapien Lily so sehr verändern, dass sie nicht mehr sie selbst ist. Eine wahre Zerreißprobe. Dass nun auch noch die Liebe hinzukommt, bringt das Fass letztendlich zum Überlaufen. Ich fand es bemerkenswert, wie es der Autorin gelingt, all diese Themen mit der nötigen Aufmerksamkeit zu betrachten, ohne sich in zu vielen Details zu verlieren. Ich konnte der Geschichte extrem gut folgen und mich hervorragend in die Protagonisten einfühlen.
Neben Lily und Abelard sind auch die Nebenfiguren sehr gelungen. Die Mutter von Lily, die das Beste für Lily möchte und als Alleinerziehende ihre eigenen Baustellen hat. Ihre fleißige kleine Schwester, die möglichst wenig „Umstände“ bereiten möchte. Der abwesende Vater, der ein nicht greifbarer Hoffnungsschimmer ist. Die beste Freundin, die Lily scheinbar akzeptiert, wie sie ist, aber doch ihre eigene Sicht auf die Dinge hat. Die Eltern von Abelard, die ihn in allem unterstützen und gleichzeitig hilflos sind. Sie alle bereichern die Geschichte ungemein.
Geschrieben ist „Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ trotz all der schweren Themen mit großer Leichtigkeit. Auch ein wundervoller Humor blitzt immer wieder durch. Das machte den Roman zu einer sehr angenehmen Lektüre. Hinzu kommen die literarischen Bezüge zu „Liebesbriefe“ von Abaelard und Heloïse, die für auflockernde Abwechslung sorgen.
Insgesamt ist dies ein feinfühliger Own-Voice Roman über das Leben mit ADHS und eine ungewöhnliche Liebe. Wie kann eine Beziehung unter diesen Voraussetzungen gelingen? Welche Bedürfnisse hat mein Gegenüber? Wie verliert man die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht aus dem Blick? All diese Themen behandelt die Autorin mit einer angenehmen Leichtigkeit, mit einer gesunden Prise Humor und voller Herzlichkeit. Ein gelungenes Jugendbuch, das ich gerne empfehle.