Die Geschichte ist klassisch aufgebaut. Mia erlebt Schreckliches in ihrer Kindheit, sie verliert Mutter und Vater und findet beim Antiquitätenhändler Mercurio ein neues Zuhause. Dieser bildet sie für eine Zukunft im Assassinenorden die „Rote Kirche“ aus, damit sie sich ihren sehnlichsten Wunsch
erfüllen kann, nämlich ihre Familie zu rächen und die Schuldigen am Tod ihres Vaters zu töten. Sie…mehrDie Geschichte ist klassisch aufgebaut. Mia erlebt Schreckliches in ihrer Kindheit, sie verliert Mutter und Vater und findet beim Antiquitätenhändler Mercurio ein neues Zuhause. Dieser bildet sie für eine Zukunft im Assassinenorden die „Rote Kirche“ aus, damit sie sich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen kann, nämlich ihre Familie zu rächen und die Schuldigen am Tod ihres Vaters zu töten. Sie begibt sich auf die Reise, begegnet Herausforderungen und Gefahren, knüpft Freundschaften und muss am Ende eine Aufnahmeprüfung ablegen. Ich liebe Heldengeschichten dieser Art, ich fiebere mit, ich leide mit und freue mich am Ende mit den Protagonisten über errungene Siege.
Erzählt wird „Nevernight“ von einem Erzähler, der nicht nur Situationen, Gespräche und Emotionen schildert, sondern der sich selbst häufig mit seiner Meinung einschaltet. Dies geschieht in Form von Fußnoten, was ich an sich sehr spannend finde, allerdings brachte mich dies hier immer wieder extrem aus dem Lesefluss. Nach einigen Seiten überflog ich sie nur noch, nach dem ersten Drittel las ich sie gar nicht mehr. Das ist ganz sicher Geschmackssache, mich störte es. Ebenfalls Geschmackssache sind der Schreibstil und der Humor. Letzterer gefiel mir grundsätzlich gut (der Wortwitz, der Sarkasmus!), doch er stellte sich mir zu sehr in den Vordergrund. Dadurch bekam ich das Gefühl, der Erzähler wolle sich und seine Charaktere darstellen und allzu oft lag mir ein genervtes „Ich habe es verstanden, ihr seid alle unglaublich witzig“ auf der Zunge.
IT’S QUITE A THING, TO WATCH A PERSON SLIP FROM THE POTENTIAL OF LIFE INTO THE FINALITY OF DEATH. IT’S ANOTHER THING ENTIRELY TO BE THE ONE WHO PUSHED. (SEITE 21)
Einen Kontrast zu Wortspiel und Co. bilden die Kampfszenen, die es in „Nevernight“ zur Genüge gibt. Blutig, brutal, erbarmungslos, direkt und dreckig. Ich bin nicht die härteste im Nehmen und mir wurde es zu unangenehm. Ich bin folglich nicht bad ass genug, um Kämpfe dieser Art gut oder spannend zu finden. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Ausgleich fehlte. Zwar knüpft Mia Kontakte, Freundschaften entstehen, sogar an Liebe wird flüchtig gedacht, doch diese Entwicklungen werden wenig emotional beschrieben. Ähnlich dem Mangel an Emotionen bleiben die weiteren Charaktere eher Statisten, als Menschen mit einer Vergangenheit, mit Gefühlen und Gedanken. Insgesamt ist die Welt im Assassinenorden keine Welt, in der Freundschaft und Liebe unbeeinträchtigt existieren können. Logisch. Aber nichts für mich.
IRON OR GLASS? THEY’D ASKED. MIA CLENCHED HER JAW. SHOOK HER HEAD. SHE WAS NEITHER. SHE WAS STEEL. (SEITE 207)
Positiv ist aber die Welt, die sich Jay Kristoff erdacht hat. Angelehnt an das alte Rom, erlebt der Leser eine Gesellschaft, die beachtliche politische Probleme hat. Die Entstehung der Stadt Godsgrave, die Götter, die Sonnen und magische Kräfte machten „Nevernight“ trotz aller Kritik noch zu einer angenehmen und auch spannenden Lektüre. Es war faszinierend herauszufinden, woran die Menschen glauben, was sie erlebten, was ihre Ziele sind, und ich bin mir sicher, dass in den kommenden Bänden noch ganz viel ans Licht gebracht wird. Band 2 ist auf Englisch bereits erschienen, ich werde jedoch nicht weiterlesen.
Fazit
„Nevernight“ von Jay Kristoff trifft sicherlich den Nerv vieler Leser, vor allem der Leser, die Werke von Sarah J. Maas sowie „Illuminae“ mochten. Meinen Nerv hat Kristoff leider nicht getroffen, dazu fehlten mir unter anderem die Tiefe bei den Charakteren und ein Ausgleich zu den oft sehr brutalen Kampfszenen. Zwar sind Gefühle im Spiel, diese werden jedoch nur am Rande gestrichen. Der Weltentwurf gefiel mir nichtsdestotrotz sehr gut und ich fand es aufregend, in diese Welt einzutauschen. Für ein Weiterlesen reicht dies jedoch nicht.