Ausgezwitschert
Dieses Buch könnte das kürzeste der Welt sein. Im ersten Satz (S.9) wird das ganze Buch erzählt: „An einem Junisonntag am frühen Nachmittag wollte mein Vater meine Mutter umbringen.“
Ab Seite 14 geht es dann mehr um das Jahr 1952 als um die Szene selbst. Wenn Kritiker in diesem
Buch ein davor und danach sehen wollen, dann frage ich, ob die Scham nach dem Ereignis nicht auch…mehrAusgezwitschert
Dieses Buch könnte das kürzeste der Welt sein. Im ersten Satz (S.9) wird das ganze Buch erzählt: „An einem Junisonntag am frühen Nachmittag wollte mein Vater meine Mutter umbringen.“
Ab Seite 14 geht es dann mehr um das Jahr 1952 als um die Szene selbst. Wenn Kritiker in diesem Buch ein davor und danach sehen wollen, dann frage ich, ob die Scham nach dem Ereignis nicht auch wegen des Ende der Kindheit der 12jährigen Annie einsetzt. Das ist aber nie ein Thema. Die Ich-Erzählerin wünscht sich zwar immer endlich einen Busen zu bekommen, aber ihren ersten Orgasmus erlebt sie erst zwei Jahre später, wie sie uns freimütig im letzten Satz mitteilt.
Lange Zeit verbringt das Buch im Jahr 1952 und ich als Leser frage mich, warum mich dieses Jahr so interessieren soll, nur weil die Hauptperson ein einschneidendes Erlebnis in dem Jahr hatte.
Mich wundert, dass Thea Dorn durch dieses Buch zum Ernaux-Fan geworden ist. Ich fand ihre ersten Bücher spannender. Aber wer nur autobiografisch erzählt, dem müssen irgendwann die Themen ausgehen. So fragte ich mich auch, ob dies Ereignis wirklich geschehen ist, aber letztlich ist das egal. Ich weiß auch, dass Ernauxs Bücher neu ins Deutsche übersetzt wurden und älter sind.
Erst gegen Ende des Buches bekam ich ein vergnügliches Leseerlebnis, als die Familie ihre erste Sommerreise macht und über ihre Verhältnisse lebt, ja sich im reicheren Milieu nicht auskennt.
Anders als Frau Dorn vergebe ich mit 3 Sternen die schlechteste Note, die ich je für ein Ernaux-Buch verteilt habe.