Nahost-Experte Michael Lüders über die USA und ihre Machtpolitik War Donald Trump bloß ein Betriebsunfall? Ein hässlicher Fleck auf einer ansonsten weißen Weste? Und ist jetzt alles wieder in bester Ordnung? Michael Lüders warnt vor transatlantischen Illusionen und zeigt, warum wir aus dem Schatten der USA heraustreten müssen.Die USA gelten als Garant für Demokratie und Menschenrechte. Doch für "Werte" einzutreten, ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen steht eine brutale Machtpolitik. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Amerikaner weltweit zahlreiche Regierungen gestürzt. Vor allem fortschrittliche, auch demokratisch gewählte. Stets auf Kosten der Bevölkerung. So geschehen etwa in Iran 1953, Guatemala 1954 oder Chile 1973. 2003 marschierten sie mit ihren Verbündeten im Irak ein und präsentierten gefälschte Beweise als Kriegsgrund. Hunderttausende Iraker starben, das Land stürzte ins Chaos. Dennoch verfängt die amerikanische Mär vom selbstlosen Hegemon. Auch deswegen, weil unsere Medien die Unterteilung der Welt in Gut und Böse selten infrage stellen. Und viel zu oft mit zweierlei Maß messen, wie auch hiesige Politiker. Michael Lüders zeigt in seinem neuen Buch an konkreten Beispielen, wie leicht die Öffentlichkeit durch gezieltes Meinungsmanagement zu manipulieren ist. Gestern im Irak-Krieg, heute in der Konfrontation mit dem Iran, mit Russland und China. Doch die USA sind eine Weltmacht im Niedergang. Europa muss sich fragen, wie es seine Interessen in einer sich wandelnden Welt wahren kann. Wir können uns die Rolle als Juniorpartner Washingtons auf Dauer nicht mehr leisten. Ungekürzte Lesung mit Steffen Groth 10h 6min
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Thomas Speckmann findet bei Michael Lüders keine sehr originelle Begründung für die im Titel des Buches enthaltene These. Die USA als skrupellosen Hegemon darzustellen, der weder selbstlos handelt noch moralisch einwandfrei, und dies mit den kriegerischen Interventionen im Iran, in Guatemala und Chile zu belegen, entlockt dem Rezensenten ein mildes Gähnen. Speckmann hat auch eher den Eindruck, das Bild der Weltpolizei entstamme den Köpfen der Europäer. Schließlich ist er der Meinung, dass sich Europa technologisch, politisch und militärisch selbst im Weg steht, nicht die USA.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2021Der amerikanische Patient
Michael Lüders findet: Die USA sind an allem schuld, und das, was sie anrichten, wird von einem Medien-Kartell beschönigt. Das ist ziemlich abstrus
Eigentlich kann man es ganz kurz machen: Die USA sind an allem schuld, meint Michael Lüders in seinem neuesten Werk, in dem er sich der „scheinheiligen Supermacht“ widmet. Wegen der brutalen Machtpolitik der US-Amerikaner gab es den Irak-Krieg und gibt es heute die Konfrontation mit Iran und Russland. Aber am allerschuldigsten sind die Medien, die nämlich die Schuld der USA nicht darstellen. Gerade in Deutschland werde die „Mär vom selbstlosen Hegemon“ erzählt, klagt Lüders. Denn in den Redaktionen sitzen nur Journalisten, die das Agieren der USA „schönreden“.
Lüders macht das gleich zu Beginn fest an dem ausführlich dargestellten Konflikt zwischen Iran und Großbritannien rund um die Festsetzung des Tankers Grace 1 vor Gibraltar und eines britischen Schiffes in der Straße von Hormus im Jahr 2019. Einhellig hätten alle deutschen Journalisten der Forderung Londons nach einem Einsatz am Golf zugestimmt, schreibt Lüders: „Lieber heute als morgen hätten sie die Bundeswehr an den Golf expediert – unbeschadet der möglichen Konsequenzen“. Auch die „transatlantisch orientierten Denkfabriken“ hätten in den Konsens eingestimmt.
Für sie alle sei Iran ein „Schurkenstaat“. Lüders äußert dagegen Verständnis für die Machthaber in Teheran, die auf die Kündigung des Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump mit einem Hochfahren der Urananreicherung reagiert haben: „Wer, wie die iranische Führung, das Messer an der Kehle spürt, hat zwei Möglichkeiten: Selbstaufgabe oder Widerstand. Die Iraner haben auf den ,maximalen Druck‘ der USA mit ,maximalem Gegendruck‘ reagiert.“ Mit seiner Feststellung, dass sich die Europäer nur „halbherzig“ um die Fortsetzung des Atomabkommens bemüht hätten, hat Lüders recht. Er erwähnt aber nicht, dass der Grund dafür der erratisch agierende Trump war. Die Europäer setzten auf einen neuen Präsidenten im Weißen Haus – was sich als richtig erwiesen hat, wie die gerade wieder aufgenommenen Verhandlungen in Wien zeigen. Lüders vertritt in seinem Buch einmal mehr die These, dass Iran vom Westen durch Sanktionen niedergehalten wird, um nicht zu einer „bedeutenden Mittelmacht“ zu werden, die „zwangsläufig über Einfluss verfügt“.
Soweit kann man dem Nahostexperten, der viel Zeit in der Region verbracht hat, noch folgen. Die Schilderungen der historischen Zusammenhänge sind, wie immer bei seinen Ausführungen, oft bereichernd. Dass er die Sinnhaftigkeit von Sanktionen als diplomatisches Mittel infrage stellt, ist auch nachvollziehbar.
Aber abstrus wird es, wenn er im Großteil seines Buches darzustellen versucht, dass die Medien – im Buch heißt es „unsere Medien“ – über gezieltes Meinungsmanagement die Öffentlichkeit zu manipulieren versuchen. Noch dazu, wenn Lüders selbst in seinem Buch manipulativ vorgeht: Er beklagt mangelnde Kritik an der Siedlungspolitik Israels, nimmt aber kritischen Berichte und Kommentare in deutschen Medien dazu nicht zur Kenntnis. Dieses Auslassen wirft er pauschal den Medien vor, praktiziert es aber selbst.
Alle Medien hätten sich einem „Propaganda-Modell“ unterworfen, behauptet der Publizist und Politikberater Lüders: Es gebe eine „Kooperation zwischen den Regierenden und den Programm-Machern“, die sich dann so auswirkt: „Die Politik stellt sich hinter die Medien und verteidigt sie gegen ‚Querulanten‘. Chefredakteure oder Intendanten revanchieren sich, indem sie gar nicht erst auf die Idee kommen, sich ohne Wenn und Aber gegen einen Iran-Krieg auszusprechen, zum Beispiel.“ In den Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hätten politische Parteien das Sagen, die über die Rundfunkgebühren dafür sorgen würden, „dass eine gewisse ‚Weichspülung‘ von Amts wegen gewährleistet ist“.
Lüders ist klug genug zu wissen, wessen Vorurteile er damit bedient: „Hiesige Medien leiden zunehmend unter einem Verlust an Glaubwürdigkeit, was sich am rechten Rand der Gesellschaft im Vorwurf der ‚Lügenpresse‘ niederschlägt.“ Aber diese „Verbrüderung von Macht und Medien“ werden vorschnell als „Verschwörungstheorie“ abgetan. Das ändere „nichts daran, dass die Kluft zwischen der veröffentlichten und der öffentlichen Meinung auch hierzulande größer wird“.
Mit seinem Buch hat Michael Lüders jedenfalls einen Beitrag dazu geleistet. Unter dem Deckmantel einer kritischen Betrachtung der USA geht es ihm vor allem um Medien-Bashing mit simpler Schwarz-Weiß-Darstellung. Er hat die Chance vertan, mit einer differenzierten Argumentation eine Debatte anzustoßen über das im Untertitel angesprochene wichtige Thema, wie die Europäer aus dem Schatten der USA treten könnten.
ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID
Was der Publizist den Medien
vorwirft, praktiziert er selbst,
indem er vieles nicht erwähnt
Michael Lüders:
Die scheinheilige
Supermacht. Warum wir
aus dem Schatten der USA
heraustreten müssen.
Verlag C.H. Beck,
München 2021.
293 Seiten, 16,95 Euro.
E-Book: 12,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Michael Lüders findet: Die USA sind an allem schuld, und das, was sie anrichten, wird von einem Medien-Kartell beschönigt. Das ist ziemlich abstrus
Eigentlich kann man es ganz kurz machen: Die USA sind an allem schuld, meint Michael Lüders in seinem neuesten Werk, in dem er sich der „scheinheiligen Supermacht“ widmet. Wegen der brutalen Machtpolitik der US-Amerikaner gab es den Irak-Krieg und gibt es heute die Konfrontation mit Iran und Russland. Aber am allerschuldigsten sind die Medien, die nämlich die Schuld der USA nicht darstellen. Gerade in Deutschland werde die „Mär vom selbstlosen Hegemon“ erzählt, klagt Lüders. Denn in den Redaktionen sitzen nur Journalisten, die das Agieren der USA „schönreden“.
Lüders macht das gleich zu Beginn fest an dem ausführlich dargestellten Konflikt zwischen Iran und Großbritannien rund um die Festsetzung des Tankers Grace 1 vor Gibraltar und eines britischen Schiffes in der Straße von Hormus im Jahr 2019. Einhellig hätten alle deutschen Journalisten der Forderung Londons nach einem Einsatz am Golf zugestimmt, schreibt Lüders: „Lieber heute als morgen hätten sie die Bundeswehr an den Golf expediert – unbeschadet der möglichen Konsequenzen“. Auch die „transatlantisch orientierten Denkfabriken“ hätten in den Konsens eingestimmt.
Für sie alle sei Iran ein „Schurkenstaat“. Lüders äußert dagegen Verständnis für die Machthaber in Teheran, die auf die Kündigung des Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump mit einem Hochfahren der Urananreicherung reagiert haben: „Wer, wie die iranische Führung, das Messer an der Kehle spürt, hat zwei Möglichkeiten: Selbstaufgabe oder Widerstand. Die Iraner haben auf den ,maximalen Druck‘ der USA mit ,maximalem Gegendruck‘ reagiert.“ Mit seiner Feststellung, dass sich die Europäer nur „halbherzig“ um die Fortsetzung des Atomabkommens bemüht hätten, hat Lüders recht. Er erwähnt aber nicht, dass der Grund dafür der erratisch agierende Trump war. Die Europäer setzten auf einen neuen Präsidenten im Weißen Haus – was sich als richtig erwiesen hat, wie die gerade wieder aufgenommenen Verhandlungen in Wien zeigen. Lüders vertritt in seinem Buch einmal mehr die These, dass Iran vom Westen durch Sanktionen niedergehalten wird, um nicht zu einer „bedeutenden Mittelmacht“ zu werden, die „zwangsläufig über Einfluss verfügt“.
Soweit kann man dem Nahostexperten, der viel Zeit in der Region verbracht hat, noch folgen. Die Schilderungen der historischen Zusammenhänge sind, wie immer bei seinen Ausführungen, oft bereichernd. Dass er die Sinnhaftigkeit von Sanktionen als diplomatisches Mittel infrage stellt, ist auch nachvollziehbar.
Aber abstrus wird es, wenn er im Großteil seines Buches darzustellen versucht, dass die Medien – im Buch heißt es „unsere Medien“ – über gezieltes Meinungsmanagement die Öffentlichkeit zu manipulieren versuchen. Noch dazu, wenn Lüders selbst in seinem Buch manipulativ vorgeht: Er beklagt mangelnde Kritik an der Siedlungspolitik Israels, nimmt aber kritischen Berichte und Kommentare in deutschen Medien dazu nicht zur Kenntnis. Dieses Auslassen wirft er pauschal den Medien vor, praktiziert es aber selbst.
Alle Medien hätten sich einem „Propaganda-Modell“ unterworfen, behauptet der Publizist und Politikberater Lüders: Es gebe eine „Kooperation zwischen den Regierenden und den Programm-Machern“, die sich dann so auswirkt: „Die Politik stellt sich hinter die Medien und verteidigt sie gegen ‚Querulanten‘. Chefredakteure oder Intendanten revanchieren sich, indem sie gar nicht erst auf die Idee kommen, sich ohne Wenn und Aber gegen einen Iran-Krieg auszusprechen, zum Beispiel.“ In den Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hätten politische Parteien das Sagen, die über die Rundfunkgebühren dafür sorgen würden, „dass eine gewisse ‚Weichspülung‘ von Amts wegen gewährleistet ist“.
Lüders ist klug genug zu wissen, wessen Vorurteile er damit bedient: „Hiesige Medien leiden zunehmend unter einem Verlust an Glaubwürdigkeit, was sich am rechten Rand der Gesellschaft im Vorwurf der ‚Lügenpresse‘ niederschlägt.“ Aber diese „Verbrüderung von Macht und Medien“ werden vorschnell als „Verschwörungstheorie“ abgetan. Das ändere „nichts daran, dass die Kluft zwischen der veröffentlichten und der öffentlichen Meinung auch hierzulande größer wird“.
Mit seinem Buch hat Michael Lüders jedenfalls einen Beitrag dazu geleistet. Unter dem Deckmantel einer kritischen Betrachtung der USA geht es ihm vor allem um Medien-Bashing mit simpler Schwarz-Weiß-Darstellung. Er hat die Chance vertan, mit einer differenzierten Argumentation eine Debatte anzustoßen über das im Untertitel angesprochene wichtige Thema, wie die Europäer aus dem Schatten der USA treten könnten.
ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID
Was der Publizist den Medien
vorwirft, praktiziert er selbst,
indem er vieles nicht erwähnt
Michael Lüders:
Die scheinheilige
Supermacht. Warum wir
aus dem Schatten der USA
heraustreten müssen.
Verlag C.H. Beck,
München 2021.
293 Seiten, 16,95 Euro.
E-Book: 12,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Lüders Buch ist lehrreich, es ist über Strecken hin grandios, es ist ein Geschichtsbuch und ein Gegenwartsbuch zugleich: Es führt in die Tiefen und Untiefen des Kolonialismus."
SZ Newsletter Prantls Blick, Heribert Prantl
"Es ist verdienstvoll, dass Lüders einen großen Teil des Räderwerks der Macht gut nachvollziehbar beschreibt. Diese Analyse kann helfen, auch die jüngsten Entwicklungen zu verstehen."
Schweizer Standpunkt, Robert Seidel
"Der Nahostfachmann ruft nach einer strategisch durchdachten, öffentlich diskutierten Außenpolitik, die selbstbewusst Europas Interessen wahrnehme."
Publik Forum, Ernst Rommeney
"Das Buch hilft, über Zusammenhänge von Macht, Herrschaft, Wirtschaft und Meinungsmache nachzudenken (...) Lüders regt an, Fragen zu stellen, statt immer nur dieselben Antworten wiederzukäuen."
Junge Welt.de
SZ Newsletter Prantls Blick, Heribert Prantl
"Es ist verdienstvoll, dass Lüders einen großen Teil des Räderwerks der Macht gut nachvollziehbar beschreibt. Diese Analyse kann helfen, auch die jüngsten Entwicklungen zu verstehen."
Schweizer Standpunkt, Robert Seidel
"Der Nahostfachmann ruft nach einer strategisch durchdachten, öffentlich diskutierten Außenpolitik, die selbstbewusst Europas Interessen wahrnehme."
Publik Forum, Ernst Rommeney
"Das Buch hilft, über Zusammenhänge von Macht, Herrschaft, Wirtschaft und Meinungsmache nachzudenken (...) Lüders regt an, Fragen zu stellen, statt immer nur dieselben Antworten wiederzukäuen."
Junge Welt.de