Die Vergolderin – eine Frau gerät zwischen die Fronten
Elisabeth, die ihrer sterbenden Mutter das Versprechen gegeben hat, dass sie sich um ihre Geschwister Marga und Christian kümmern wird, ist eine begabte Goldschmiedin und Vergolderin. Die Kinder finden bei ihrem Großvater Franz Weißvogel
Unterschlupf, der sie allerdings nur widerwillig aufnimmt. Er erkennt aber bald, dass er auf sie…mehrDie Vergolderin – eine Frau gerät zwischen die Fronten
Elisabeth, die ihrer sterbenden Mutter das Versprechen gegeben hat, dass sie sich um ihre Geschwister Marga und Christian kümmern wird, ist eine begabte Goldschmiedin und Vergolderin. Die Kinder finden bei ihrem Großvater Franz Weißvogel Unterschlupf, der sie allerdings nur widerwillig aufnimmt. Er erkennt aber bald, dass er auf sie angewiesen ist. Seine Hände zittern immer stärker, sodass er das Goldschmiedehandwerk nicht mehr ausüben kann. So arbeitet Elisabeth in seiner Werkstätte und Marga versorgt den Haushalt.
Längerfristig stellt der zwölfjährige Christian eine große Hoffnung für die Familie dar. Wenn er das Goldschmiedehandwerk erlernen kann, wird er seine Geschwister später ernähren können. Aber erst muss eine Lehrstelle für ihn gefunden und das Lehrgeld bezahlt werden. Dafür und für Margas Mitgift spart Elisabeth das Geld, das sie durch den Verkauf von kunstvoll vergoldeten Spiegelrahmen verdient.
Der Titel, sowie der Umschlag, den ein Ausschnitt aus Jan Vermeers Gemälde „Frau mit Waage“ ziert, lassen einen historischen Roman erwarten, der das Handwerk des Goldschmieds und des Vergoldens im Mittelpunkt hat. Je weiter die Geschichte voranschreitet rückt aber immer mehr ein Bruderzwist ins Zentrum zwischen dem Kaufmann Martin Clavius und seinem Halbbruder, dem machtgierigen Goldschmied Gregor Rudel. Elisabeth gerät zunehmend zwischen die Fronten und ihr guter Ruf ist zunehmend in Gefahr, weil Gregor Rudel alle Mittel recht sind.
Historisch ist der Roman eingeordnet in die Jahre 1602 bis etwa 1604 in Braunschweig. In den Wäldern rund um die Stadt verbreitet der sagenumwobene Räuber Lippold mit seiner Bande Angst und Schrecken. Im Roman erwähnt ist Henning Brabandt, der mit seinen „Bürgerhauptleuten“ der ärmeren Stadtbevölkerung zu mehr Mitspracherechten verhelfen konnte. Er stand im Verdacht mit dem verfeindeten Herzog Julius Heinrich in Kontakt zu stehen und wurde im Jahre 1604 unter schwerer Folter verurteilt und hingerichtet. An zwei Stellen wird das im Buch kurz erwähnt, aber leider nicht weiter ausgeführt.
Der Roman ist mitreißend geschrieben. Die Autorin erfreut den Leser mit einer guten Mischung aus Gefühl und Spannung. Die Beschreibung der Schauplätze und der Handwerksgerätschaften ist abwechslungsreich, anschaulich und kenntnisreich.
Die Personen sind für meinen Geschmack leider zu sehr in Richtung gut – böse herausgearbeitet. Elisabeth, mit der der Lese mitfiebert, ist eine sehr schöne Frau, durchwegs sympathisch und zuverlässig, während ihre Schwester Marga nicht nur rein äußerlich weniger positiv wegkommt, sie ist vor allem als verbiestert, griesgrämig, egoistisch und oberflächlich dargestellt. Die entsprechende Konstellation kann man zwischen den Brüdern Martin und Gregor erkennen. Leider entbehrt auch die Figur von Elisabeths Geliebtem Berthold jeglicher Tiefe und der zwölfjährige Christian ist so brav, tapfer und zuverlässig, dass es einen fast schmerzt in der Brust.
Die Handlung ist in Bezug auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Hauptpersonen zwar relativ absehbar, die Verwicklungen auf dem Weg dahin sind aber unerwartet und sie halten die Spannung aufrecht. Das Happy End um Martin Clavius ist für mich persönlich etwas zu dick aufgetragen, aber es war wohl nötig für den Fortgang der Geschichte.
Mit dem vorliegenden Roman ist Helga Glaesener ein solider, spannender historischer Roman nach bewährter Machart gelungen. Ich fühlte mich auf sehr angenehme Weise unterhalten und bin sehr gerne in die Welt des 17. Jahrhunderts in Braunschweig eingetaucht. Für Liebhaber historischer Romane ist Lesevergnügen garantiert.