Der Fall Wirecard ist der wohl spektakulärste Betrugsfall der deutschen Wirtschaftsgeschichte. 1,9 Milliarden Euro – der Unternehmensgewinn aus mehr als fünf Jahren – sind nicht da. 20 Milliarden Euro Börsenwert – vernichtet. Der ehemalige Konzernchef Markus Braun kam in Untersuchungshaft, Ex-Vorstand Jan Marsalek gelang eine filmreife Flucht. Was bleibt, ist die Geschichte eines Zahlungsabwicklers, der als kleiner Dienstleister für die Pornoindustrie begann, doch schon bald die Schmuddelecke hinter sich lassen und mit namhaften Geschäftspartnern traumhafte Gewinne erzielen sollte. Tatsächlich war Wirecard ein Unternehmen, in dem ein dubioser Deal auf den nächsten folgte. Wirecards Geschichte – sie war zu schön, um wahr zu sein. Von Anfang an. Aufseher, Ermittler und Wirtschaftsprüfer sind blamiert, doch nicht nur das: Der Fa ll Wirecard ist eine Niederlage für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wie konnte das passieren? Dieser Frage gehen Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg nach. Die Reporter der WirtschaftsWoche sind seit Jahren kritische Begleiter von Wirecard. Jetzt dokumentieren sie die facettenreiche Geschichte des Unternehmens. Für ihre Recherchen im Fall Wirecard wurden sie 2020 mit dem Deutschen Journalistenpreis ausgezeichnet.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2020Der Wirecard-Krimi
Geschichte des größten Bilanzskandals seit Jahren
Aufstieg und Fall des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard - noch immer sind viele Fragen rund um den größten Bilanzskandal der vergangenen Jahre offen: Wie kann es sein, dass ein Unternehmen mit einem System aus Scheingeschäften und fingierten Umsätzen bis in den Dax gelangt? Wer trägt die Verantwortung für den Schaden, wer hat an den entscheidenden Stellen weggeschaut? An der Aufklärung wird derzeit an vielen Stellen gearbeitet. In Berlin müssen viele der Beteiligten wie der langjährige Vorstandsvorsitzende Markus Braun oder die Wirtschaftsprüfer von EY vor dem Untersuchungsausschuss antreten, sie hüllen sich jedoch vorwiegend in Schweigen. Schließlich kann jede Aussage juristisch auf die Goldwaage gelegt werden, es geht um Ansprüche in Milliardenhöhe und darum, mit der Staatsanwaltschaft am Ende einen guten Deal zu machen.
In solch einer Gemengelage ein Buch über Wirecard zu schreiben ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Schließlich könnten jederzeit Neuigkeiten ans Licht kommen, welche die Deutung der Geschehnisse grundlegend verändern. Die beiden Journalisten Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg haben es dennoch getan. Herausgekommen ist mit der "Wirecard Story" ein Werk, das einen wichtigen Beitrag zur Einordnung des Falles liefert. Dabei profitieren die Autoren von ihrer Arbeit für die "Wirtschaftswoche", für die sie das Unternehmen schon lange begleiten. Herausgekommen ist eine Chronik über den kometenhaften Aufstieg eines deutschen Fintech-Unternehmens vom kleinen Start-up, das von den Zahlungen für Porno- und Glücksspielseiten lebt, bis hin zum - zumindest auf dem Papier - milliardenschweren Dax-Konzern, dessen Chefs auf dem Höhepunkt des Größenwahns sogar den Plan schmiedeten, die Deutsche Bank zu übernehmen.
Eine große Stärke des Buches ist, dass die Autoren mit Wegbegleitern von Wirecard gesprochen haben. Bergermann und ter Haseborg entlarven damit so manchen Mythos. Sie zeigen, dass es schon in den frühen Tagen des Unternehmens Kritiker gab, die erhebliche Zweifel an der polierten Erfolgsbilanz hegen. Die Recherchen legen zudem offen, wie windig die Konstruktion der Geschäftsbeziehungen vor allem mit drei großen Partnern in Dubai und Asien waren. Jenen dubiosen Drittpartnern, die in guten Zeiten die Gewinnmaschine Wirecard antrieben, letztlich aber vor allem für das Fehlen von fast 2 Milliarden Euro stehen, die das Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit trieben.
Ein besonderes Schmankerl sind die Aussagen des Kommunikationsberaters Osterkamp, den die Wirecard-Führung 2019 engagierte. Osterkamp heißt eigentlich anders, will aber mit Rücksicht auf die Kunden nicht seinen echten Namen lesen. Dafür begeht er einen Tabubruch in der Branche, indem er intime Details über den ehemaligen Kunden verrät. Osterkamp hatte demnach einen besonders engen Draht zum Vorstandsmitglied Jan Marsalek, jenem Phantom, das maßgeblich an den krummen Geschäften beteiligt war, dem Kontakte zum österreichischen Geheimdienst nachgesagt werden und das bis heute untergetaucht ist. Osterkamp nennt Marsalek einen Freund und legt die letzten SMS-Wechsel mit ihm offen, als sich dieser angeblich schon in Richtung Asien abgesetzt hatte. So schrieb Osterkamp am 25. Juni, dass er nicht glaube, dass Marsalek die Gelder abgezweigt habe. Dessen Antwort: "Jetzt bin ich fast enttäuscht, dass Du mir das nicht zutraust." Zwinkersmiley. Vier Tage später fragte Osterkamp, ob Marsalek untergetaucht sei. Antwort: "Noch nicht." Einen Tag später die letzte Nachricht: "Sort of." Seitdem fehlt von Marsalek jede Spur. Ob die Nachrichten echt waren? Wer weiß das schon in diesem Fall.
SVEN ASTHEIMER
Melanie Bergermann; Volker ter Haseborg: Die Wirecard-Story: Die Geschichte einer Milliarden-Lüge. Finanzbuch Verlag, München 2020, 272 Seiten, 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Geschichte des größten Bilanzskandals seit Jahren
Aufstieg und Fall des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard - noch immer sind viele Fragen rund um den größten Bilanzskandal der vergangenen Jahre offen: Wie kann es sein, dass ein Unternehmen mit einem System aus Scheingeschäften und fingierten Umsätzen bis in den Dax gelangt? Wer trägt die Verantwortung für den Schaden, wer hat an den entscheidenden Stellen weggeschaut? An der Aufklärung wird derzeit an vielen Stellen gearbeitet. In Berlin müssen viele der Beteiligten wie der langjährige Vorstandsvorsitzende Markus Braun oder die Wirtschaftsprüfer von EY vor dem Untersuchungsausschuss antreten, sie hüllen sich jedoch vorwiegend in Schweigen. Schließlich kann jede Aussage juristisch auf die Goldwaage gelegt werden, es geht um Ansprüche in Milliardenhöhe und darum, mit der Staatsanwaltschaft am Ende einen guten Deal zu machen.
In solch einer Gemengelage ein Buch über Wirecard zu schreiben ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Schließlich könnten jederzeit Neuigkeiten ans Licht kommen, welche die Deutung der Geschehnisse grundlegend verändern. Die beiden Journalisten Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg haben es dennoch getan. Herausgekommen ist mit der "Wirecard Story" ein Werk, das einen wichtigen Beitrag zur Einordnung des Falles liefert. Dabei profitieren die Autoren von ihrer Arbeit für die "Wirtschaftswoche", für die sie das Unternehmen schon lange begleiten. Herausgekommen ist eine Chronik über den kometenhaften Aufstieg eines deutschen Fintech-Unternehmens vom kleinen Start-up, das von den Zahlungen für Porno- und Glücksspielseiten lebt, bis hin zum - zumindest auf dem Papier - milliardenschweren Dax-Konzern, dessen Chefs auf dem Höhepunkt des Größenwahns sogar den Plan schmiedeten, die Deutsche Bank zu übernehmen.
Eine große Stärke des Buches ist, dass die Autoren mit Wegbegleitern von Wirecard gesprochen haben. Bergermann und ter Haseborg entlarven damit so manchen Mythos. Sie zeigen, dass es schon in den frühen Tagen des Unternehmens Kritiker gab, die erhebliche Zweifel an der polierten Erfolgsbilanz hegen. Die Recherchen legen zudem offen, wie windig die Konstruktion der Geschäftsbeziehungen vor allem mit drei großen Partnern in Dubai und Asien waren. Jenen dubiosen Drittpartnern, die in guten Zeiten die Gewinnmaschine Wirecard antrieben, letztlich aber vor allem für das Fehlen von fast 2 Milliarden Euro stehen, die das Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit trieben.
Ein besonderes Schmankerl sind die Aussagen des Kommunikationsberaters Osterkamp, den die Wirecard-Führung 2019 engagierte. Osterkamp heißt eigentlich anders, will aber mit Rücksicht auf die Kunden nicht seinen echten Namen lesen. Dafür begeht er einen Tabubruch in der Branche, indem er intime Details über den ehemaligen Kunden verrät. Osterkamp hatte demnach einen besonders engen Draht zum Vorstandsmitglied Jan Marsalek, jenem Phantom, das maßgeblich an den krummen Geschäften beteiligt war, dem Kontakte zum österreichischen Geheimdienst nachgesagt werden und das bis heute untergetaucht ist. Osterkamp nennt Marsalek einen Freund und legt die letzten SMS-Wechsel mit ihm offen, als sich dieser angeblich schon in Richtung Asien abgesetzt hatte. So schrieb Osterkamp am 25. Juni, dass er nicht glaube, dass Marsalek die Gelder abgezweigt habe. Dessen Antwort: "Jetzt bin ich fast enttäuscht, dass Du mir das nicht zutraust." Zwinkersmiley. Vier Tage später fragte Osterkamp, ob Marsalek untergetaucht sei. Antwort: "Noch nicht." Einen Tag später die letzte Nachricht: "Sort of." Seitdem fehlt von Marsalek jede Spur. Ob die Nachrichten echt waren? Wer weiß das schon in diesem Fall.
SVEN ASTHEIMER
Melanie Bergermann; Volker ter Haseborg: Die Wirecard-Story: Die Geschichte einer Milliarden-Lüge. Finanzbuch Verlag, München 2020, 272 Seiten, 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Ursula Weidenfeld liest mit Spannung bei Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg, wie die Betrugsgeschichte von Wirecard begann und das Geschäft zur Zockerei wurde. Dass das Buch der beiden Reporter der Wirtschaftswoche zugleich die Vorlage für eine ARD-Doku ist, findet Weidenfeld einerseits charmant, weil die Erzählung zum episodischen Roadmovie wird, andererseits verzetteln sich die Autoren auch etwas im Figuren- und Businessgewimmel, meint sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Herausgekommen ist mit der "Wirecard-Story" ein Werk, dass einen wichtigen Beitrag zur Einordnung des Falles liefert. Dabei profitieren die Autoren von ihrer Arbeit für die 'WirtschaftsWoche', für die sie das Unternehmen schon lange begleiten. Herausgekommen ist eine Chronik über den kometenhaften Aufstieg eines deutschen Fintech-Unternehmens vom kleinen Start-Up (...) bis hin zum - zumindest auf dem Papier - milliardenschweren Dax-Konzern, dessen Chefs auf dem Höhepunkt des Größenwahns sogar den Plan schmiedeten, die Deutsche Bank zu übernehmen." Frankfurter Allgemeine Zeitung "Zwei Autoren der 'WirtschaftsWoche' haben den größten Finanzskandal in der deutschen Nachkriegsgeschichte akribisch recherchiert. 'Die Wirecard-Story' ist keine Abrechnung mit einem angeblichen Vorzeigeunternehmen, das über zwei Jahrzehnte Aktionäre, Aufseher, Politiker und vor allem Wirtschaftsprüfer geblendet hat. Es ist stattdessen eine tief recherchierte und dabei trotzdem unterhaltsame Erklärung, wie es zur Milliardenlüge in einem Münchner Vorort kommen konnte." Handelsblatt "Bergermann und ter Haseborg inszenieren die Wirecard-Geschichte wie ein Roadmovie, eine verrückte Geschichte reiht sich an die andere - bis die Firma untergeht." Deutschlandfunk "(...) Zum Gruseln." Welt am Sonntag "Ein schillernder Wirtschaftskrimi!" NDR Info "Sehr empfehlenswerte[s] Buch. [...] Eine wesentliche Leistung des Buchs liegt darin, dass es Zeiträume ausleuchtet, die bislang kaum Gegenstand der Berichterstattung waren - und gerade deshalb umso spannender sind." finanz-szene.de "Das Buch liest sich wie ein Krimi - für viele Anleger aber war es der teuerste Krimi ihres Lebens." Hamburger Abendblatt "Die Wirecard-Story' der Investigativreporter Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg ist eine akribische Skandalchronik über Aufstieg und Fall des einstigen Dax-Konzerns aus Aschheim bei München. (...) Alarmglocken haben die Geschichte von Wirecard und Vorgängerfirmen von Anfang an begleitet. Interessiert hat das an entscheidender Stelle aber niemand so richtig, bis es zu spät war." Redaktionsnetzwerk Deutschland "Wohl kein Unternehmen der Finanzwirtschaft hat für mehr Schlagzeilen gesorgt als Wirecard - und in keinem Fall haben sich immer wieder so skurrile Wendungen ergeben. Zwei Journalisten der Wirtschaftswoche haben die Geschehnisse um den Aschheimer Finanzdienstleister in einem Buch aufgearbeitet: In "Die Wirecard Story" schildern sie detailreich die Geschichte des Unternehmens von den Anfängen bis zum spektakulären Zusammenbruch im Juni 2020." Abendzeitung München
Rezensent Sven Astheimer hält es für riskant, mitten im laufenden Verfahren über den Wirecard-Skandal zu schreiben. Das Buch der Journalisten Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg liest er dennoch mit Gewinn, da die Autoren das Unternehmen als Mitarbeiter der "Wirtschaftswoche" schon lange kennen und umfangreiches Material gesammelt haben. Den Fall Wirecard kann Astheimer mit dem Buch tatsächlich besser verstehen. Die Chronik vom Aufstieg und Fall der Fintech-Firma, vor allem aber die Gespräche, die die Autoren mit Verantwortlichen geführt haben, geben Astheimer einen Eindruck von den "windigen" Geschäftsbeziehungen und -praktiken von Wirecard. Gute Recherche und ein Kommunikationsberater, der das Schweigen bricht, machen die Lektüre für Astheimer spannend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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