Der schwedische Autor Jonas Jonasson gehört zu den Autoren, die aus jedem Buchtitel eine Kurzgeschichte machen. „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war sein Erstlingswerk, das den Journalisten auf einen Schlag weltberühmt und reich machte, da es sich nicht nur
millionenfach verkaufte, sondern auch in 45 Sprachen übersetzt und verfilmt wurde.
Ein solcher Erfolg…mehrDer schwedische Autor Jonas Jonasson gehört zu den Autoren, die aus jedem Buchtitel eine Kurzgeschichte machen. „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war sein Erstlingswerk, das den Journalisten auf einen Schlag weltberühmt und reich machte, da es sich nicht nur millionenfach verkaufte, sondern auch in 45 Sprachen übersetzt und verfilmt wurde.
Ein solcher Erfolg verleitet natürlich dazu, den erfolgreichen Rohling in die Serienproduktion zu geben. Aufbauend auf dem Muster des Bestseller folgten „Die Analphabetin, die rechnen konnte“, „Mörder Anders und seine Freunde nebst dem ein oder anderen Feind“ und weil es so schön war: „Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten“.
Zu seiner Ehrenrettung sei erwähnt, dass es Jonasson durchaus versteht, diese Abstracts namens Titel mit ganz viel Leben zu füllen. Er kann erzählen, das muss man ihm einfach lassen. In einem Interview wurde er einmal gefragt, woher diese Gabe denn käme und er führte aus, wie er einst als kleiner Junge Abend für Abend auf dem Schoß seines Großvaters gesessen sei und viele Jahre seinen Geschichten gelauscht habe. Stellt man sich dann noch den knisternden Kamin und den Rentier-Pullover vor, bekommt der ein oder andere vielleicht schon feuchte Augen ob des märchenhaften Settings.
Diese Szenerie ist absolut passend zu seinen Büchern, denn irgendwann fragt man sich, warum Jonas Jonasson seine Bücher nicht mit „Es war einmal…“ beginnen lässt. Leider ist nicht übermittelt, inwieweit er seine literarischen Wurzeln auch bei den Gebrüdern Grimm sieht.
Ein Abdriften ins Genre des Kinderbuchs verhindert der schwedische Autor, den man ob seines Verkaufserfolgs heute schon in einem Atemzug mit Astrid Lindgren (zufälligerweise Kinderbuchautorin) nennt, indem er in jedem seiner Bücher Handlungsstränge aus der mehr oder weniger aktuellen Weltgeschichte einfliessen lässt. Und indem in seinen Romanen regelmässig hochkarätige Figuren aus Politik und Gesellschaft auftreten. Bevorzugt und naheliegend ist es immer mal wieder der schwedische König, dieses Mal der amerikanischen Präsident Barack Obama. Nach der Sinnhaftigkeit und nach dem Realitätsbezug darf und will sich der Leser nicht fragen, tut man in Märchen ja auch nicht.
Ein zweites Kern-Element jedes Jonasson-Buchs ist seine Vorliebe und Sympathie für die Schwachen am Rand der Gesellschaft. Auch das nichts Schlechtes, aber eben ein Muster. Da sind es zum Beispiel mal die Alten (darf sicher auch deutlich unter 100 sein), dann die sozial Ausgegrenzten (schwarze Latrinentonnenträgerin und gleichzeitig auch noch Analphabetin; wenn schon, denn schon) und nun ein unbedarfter junger schwedischer Autist (dessen intellektuelle Leistungsbreite sein Bruder kurz und knackig mit „Idiot“ auf den Punkt bringt). Aber auf Jonasson ist Verlass, natürlich läuft es für diese Lucky Looser in allen seinen Stories auf ein Happy End hinaus.
In Anbetracht des aussagekräftigen Titels und der üblichen literarischen Gesetzmässigkeiten in einem Roman von Jonas Jonasson kann man getrost auf eine in Rezensionen sonst so üblichen Zusammenfassung der Handlung verzichten.
Eine Anmerkung ist jedoch angebracht, wenn man sich für die Hörbuch-Version des Werkes entschieden hat. Vorleser (und Schauspieler) Shenja Lacher und ein Jonasson-Roman passen kongenial zusammen. Der Großvater von Jonasson würde vor Neid erblassen, wenn er Lacher zuhören dürfte. Es gibt wohl niemanden, der mehr dem Märchenonkel entsprechen könnte, als Shenja Lacher. Ein Mann mit einer ruhigen Stimme, die jeden Erwachsenen in Hypnose versetzen kann und neun von zehn Kindern mit Einschlafstörungen in den Tiefschlaf versetzen würde. Das ist absolut keine Kritik, seine Stimme und deren Adaptation an die verschiedenen Charaktere und Situationen sind perfekt. Aber die Kombination aus märchenhafter Geschichte und märchenhafter Intonation ist einfach ein echter Durchhalte-Test für jeden Zuhörer.
Aber anderseits sei an dieser Stelle vielleicht auch Rick Castle, Schriftsteller und Hauptfigur in der gleichnamigen TV-Serie, zitiert.“Wie viel Märchen braucht die Realität?“