Die neunzehnjährige Giulietta Battin will nur eins: professionell Ballett tanzen. Und dieser Traum geht in Erfüllung, als sie eine Anstellung an der Berliner Staatsoper findet. Ein Traum wird wahr, so scheint es, doch bald entwickelt sich Giuliettas Leben zu einem Albtraum. Sie lernt den begabten Tango-Tänzer Damian Alsina kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Doch nachdem der geniale Tänzer erst einen eigenen Auftritt ruiniert und dann Giuliettas Vater geknebelt in deren Wohnung zurücklässt, während er erst nach Argentinien verschwindet, liegt Giuliettas Welt in Scherben. Um ihren Geliebten zurückzuholen, reist sie überstürzt nach Buenos Aires in der Hoffnung in dort zu finden. Stattdessen findet Giulietta Zugang zum leidenschaftlichen Tango und ihre eigene Vergangenheit in Südamerika. Doch wo ist Damian?-
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.07.2004DAS HÖRBUCH
Konsequent schlecht
Inzest mit Musik: Drei Minuten mit der Wirklichkeit
Inzest ist ein prickelndes Thema. Von der griechischen Mythologie bis zur ARD wimmelt es von verbotenen Lieben. Und auch Wolfram Fleischhauers Roman „Drei Minuten mit der Wirklichkeit” ist nach dem Muster „Bruder liebt Schwester” gestrickt. Zunächst wissen es die beiden noch nicht, Giuletta, die Balletttänzerin, und Damián, der Tangotänzer. Dann verlieben sie sich und tanzen miteinander, dass das Blut nur so brodelt und blubbert. Eine Hintertür bleibt selbstverständlich offen: Sie sind nur Halbgeschwister. Ihr Vater ist ein böser Ehebrecher und, wen wunderts noch, Kollaborateur der argentinischen Militärdiktatur. Genug Stoff für einen dicken Roman, der zu Teilen wie der ausgewalzte Geschichtsteil eines Reiseführers wirkt. Politisch sehr korrekt.
Dietmar Mues liest. In den erzählenden Passagen gelingt es ihm einigermaßen, den Text auf erträgliche Weise zu transportieren. Sobald er sich allerdings mit direkter Rede konfrontiert sieht, stolpert er von einer falschen Betonung zur nächsten. Zuweilen wirken seine Sätze geradezu roboterhaft. Eine schlichte Fehlbesetzung ist er aber deswegen, weil die Hauptfigur neunzehn Jahre und weiblichen Geschlechts ist. Der Bass eines vierzig Jahre älteren Mannes wirkt in diesem Fall grotesk.
Doch vielleicht müssen schlechte Romane ja auch schlecht gelesen werden. Wenigstens kann man der akustischen Version in solchen Fällen nicht mangelnde Konsequenz vorwerfen. Unter diesem Blickwinkel wäre sogar die sprachliche Qualität von „Drei Minuten mit der Wirklichkeit” positiv zu beurteilen, sie fügt sich wunderbar ins Gesamtbild. Neben grammatikalischen Schnitzern macht sie vor allem durch die großzügige Verwendung ausgeleierter Worthülsen auf sich aufmerksam. Bevor man angesichts von Kleidern aus „Leder-Imitationen” allerdings anfängt „hemmungslos” zu weinen, sollte man sich lieber der „völligen” Stille hingeben.
TOBIAS LEHMKUHL
WOLFRAM FLEISCHHAUER: Drei Minuten mit der Wirklichkeit. Gelesen von Dietmar Mues, steinbach sprechende bücher, Schwäbisch Hall 2004, 5 CD, 393 Minuten, 24 Euro.
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Konsequent schlecht
Inzest mit Musik: Drei Minuten mit der Wirklichkeit
Inzest ist ein prickelndes Thema. Von der griechischen Mythologie bis zur ARD wimmelt es von verbotenen Lieben. Und auch Wolfram Fleischhauers Roman „Drei Minuten mit der Wirklichkeit” ist nach dem Muster „Bruder liebt Schwester” gestrickt. Zunächst wissen es die beiden noch nicht, Giuletta, die Balletttänzerin, und Damián, der Tangotänzer. Dann verlieben sie sich und tanzen miteinander, dass das Blut nur so brodelt und blubbert. Eine Hintertür bleibt selbstverständlich offen: Sie sind nur Halbgeschwister. Ihr Vater ist ein böser Ehebrecher und, wen wunderts noch, Kollaborateur der argentinischen Militärdiktatur. Genug Stoff für einen dicken Roman, der zu Teilen wie der ausgewalzte Geschichtsteil eines Reiseführers wirkt. Politisch sehr korrekt.
Dietmar Mues liest. In den erzählenden Passagen gelingt es ihm einigermaßen, den Text auf erträgliche Weise zu transportieren. Sobald er sich allerdings mit direkter Rede konfrontiert sieht, stolpert er von einer falschen Betonung zur nächsten. Zuweilen wirken seine Sätze geradezu roboterhaft. Eine schlichte Fehlbesetzung ist er aber deswegen, weil die Hauptfigur neunzehn Jahre und weiblichen Geschlechts ist. Der Bass eines vierzig Jahre älteren Mannes wirkt in diesem Fall grotesk.
Doch vielleicht müssen schlechte Romane ja auch schlecht gelesen werden. Wenigstens kann man der akustischen Version in solchen Fällen nicht mangelnde Konsequenz vorwerfen. Unter diesem Blickwinkel wäre sogar die sprachliche Qualität von „Drei Minuten mit der Wirklichkeit” positiv zu beurteilen, sie fügt sich wunderbar ins Gesamtbild. Neben grammatikalischen Schnitzern macht sie vor allem durch die großzügige Verwendung ausgeleierter Worthülsen auf sich aufmerksam. Bevor man angesichts von Kleidern aus „Leder-Imitationen” allerdings anfängt „hemmungslos” zu weinen, sollte man sich lieber der „völligen” Stille hingeben.
TOBIAS LEHMKUHL
WOLFRAM FLEISCHHAUER: Drei Minuten mit der Wirklichkeit. Gelesen von Dietmar Mues, steinbach sprechende bücher, Schwäbisch Hall 2004, 5 CD, 393 Minuten, 24 Euro.
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"... Fesselnd von der ersten Zeile an, schildert Fleischhauer die sich überstürzenden Ereignisse. Mit sprachlicher Grazie nähert er sich der schillernden Künstlerwelt des Tanzes und baut die Spannung Stück für Stück auf. Leichtfüßig, fast tänzerisch lässt er die Worte bei hektischem Sachverhalt sprudeln und bedient sich für die Darstellung essenzieller Umstände fiktiver und authentischer Details. Gefangen im Sog einer für sie fremden Kultur mit unklaren Zusammenhängen, ist für Giulietta der schöne Schein des Tanzes ihre einzige Wirklichkeit. Doch genau hier versteckt der begeisterte Tangotänzer Fleischhauer ein Geheimnis, das er nur nach und nach preisgibt. Er lässt die junge Tänzerin bei der sukzessiven Entschlüsselung des von Damián getanzten Codes auf Grausames stoßen. Erregende Schilderungen der Atmosphäre und Stimmung, dauernde Gefühlsstrudel zwischen Liebe, Sehnsucht, Misstrauen und Verzweiflung bescheren dem Leser eine spannende Liebesgeschichte, die die auf tragischen Fakten beruhenden Berichte über politische Machenschaften in Argentinien überdies zu einem packenden Politthriller gestalten." (Heilbronner Stimme vom 27.10.01)