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Und alles gerät ins Wanken, was verlässlich schien. Ein einsam gelegenes Ferienhaus. Tief unten das Tal mit seinen würfelkleinen Häusern, eine Serpentinenstraße führt hinauf. Das kalte Blauweiß der Gletscher, schroffer Granit, die Wälder im Dunst - es ist Dezember, Vorweihnachtszeit. Ein junges Ehepaar mit Kind hat sich für ein paar Tage dieses komfortable Haus gemietet, doch so richtig aus der Welt sind sie nicht: Das Kind erzählt wirre Geschichten aus dem Kindergarten, die Frau tippt Nachrichten auf dem Telefon, und der Mann - ein Drehbuchautor, von dem ein Produzent den zweiten Teil seiner…mehr

  • Format: mp3
  • Spieldauer: 126 Min.
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Produktbeschreibung
Und alles gerät ins Wanken, was verlässlich schien. Ein einsam gelegenes Ferienhaus. Tief unten das Tal mit seinen würfelkleinen Häusern, eine Serpentinenstraße führt hinauf. Das kalte Blauweiß der Gletscher, schroffer Granit, die Wälder im Dunst - es ist Dezember, Vorweihnachtszeit. Ein junges Ehepaar mit Kind hat sich für ein paar Tage dieses komfortable Haus gemietet, doch so richtig aus der Welt sind sie nicht: Das Kind erzählt wirre Geschichten aus dem Kindergarten, die Frau tippt Nachrichten auf dem Telefon, und der Mann - ein Drehbuchautor, von dem ein Produzent den zweiten Teil seiner erfolgreichsten Komödie erwartet - schreibt Ideen und Szenen in sein Notizbuch. Aber mehr und mehr notiert er auch anderes - eheliche Spannungen, Zwistigkeiten, vor allem die seltsamen Dinge, die rings um ihn geschehen. Denn mit dem Haus stimmt etwas nicht.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Daniel Kehlmann, 1975 in München geboren, wurde für sein Werk unter anderem mit dem Candide-Preis, dem Per-Olov- Enquist-Preis, dem Kleist-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis ausgezeichnet. Sein Roman Die Vermessung der Welt war einer der erfolgreichsten deutschen Romane der Nachkriegszeit, und auch sein Roman Tyll stand monatelang auf den Bestsellerlisten und schaffte es auf die Shortlist des International Booker Prize. Daniel Kehlmann lebt in Berlin.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Die Idylle in Daniel Kehlmanns Novelle "Du hättest gehen sollen" ist trügerisch. Was als Familienausflug in die Berge beginnt, entpuppt sich als Auftakt zu einem Psychothriller. Mit Tochter und Frau hofft der Ich-Erzähler dort Inspiration zu finden, um das Drehbuch zu dem Film "Allerbeste Freundin II" zu schreiben. Neben der Dokumentation dieser seichten Story gibt sein Notizbuch auch tiefe Einblicke: in eine erkühlte Ehe und ein Haus, in dem das Unheimliche Gestalt annimmt. Als der Protagonist fremde Menschen in Spiegeln sieht und Stimmen hört, fühlt sich der Leser in einen Hollywoodschmöker versetzt. Waldeinsamkeit mit Gänsehauteffekt - und noch viel mehr: Kehlmann wäre nicht Kehlmann, wenn er sich nicht erneut eines ästhetischen Coups bedient hätte. Es ist das unzuverlässige, die Wirklichkeit erschütternde Erzählen, welches die Verführungskraft des Buches ausmacht. Je mehr die Halluzinationen sich mit der Realität verbinden, desto mehr wird die Welt zur Verschwörung. Mehr und mehr entsteht ein Universum zum Irregehen. Man denkt an Maria Rubinstein aus Kehlmanns "Ruhm". Sie verschwindet auf ähnlich mysteriöse Weise wie der Drehbuchautor. Sein Schöpfer ist eben ein Grenzvermesser zwischen Spuk und Wahrheit, ein Reiseführer in das menschliche Unterbewusstsein.

© BÜCHERmagazin, Björn Hayer

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.2016

Gespenstische Zusammentreffen

96 Seiten Horror: Daniel Kehlmann hat eine Erzählung geschrieben, die daran erinnert, wie groß gerade kleine Kunstwerke sind

Der große Schriftsteller Daniel Kehlmann hat ein kleines Buch geschrieben. Es hält einen düsteren Abend lang und verlängert ihn mit Schrecken in die Nacht. Man findet nicht in den Schlaf, verflucht den Einfall, das Buch, weil es so schmal und kurz wirkt, mit ins Bett genommen zu haben, und versucht, im Dunkeln, die Bilder abzuschütteln, die es erzeugt.

Ein Mann ohne Spiegelbild. Ein Zimmer, aus dem hinaus es wieder nur hineinführt. Und ein anderes Zimmer, wo gestern noch keins war, und noch eins, und noch eins.

Ein Weg vom Berg hinunter, der wieder nur hinaufführt. Ein Kind, das ins Babyphone schreit, obwohl es fest und still schläft. Eine alte Frau mit schmalen Augen, ihr Gesicht erst im Traum, dann als Bild an der Wand, dann beim Zappen im Vormittagsprogramm. Ein anderer Mann, der von der Decke herabsteht.

Fast möchte man aufstehen und das Buch ins Wohnzimmer bringen, damit es einen in Ruhe lässt, damit man es nicht wieder aufschlägt, weil man weiterlesen muss. "Du hättest gehen sollen" heißt Daniel Kehlmanns neue Erzählung. Sechsundneunzig Seiten, gelesen in zwei Stunden.

Heute geht die Frankfurter Buchmesse zu Ende. Seit Jahren schon stellen die Verlage dort jedes Mal Tausende über Tausende Neuerscheinungen vor. Sie hoffen alle auf das eine Buch, das herausragt aus der Masse. Oder sogar "bleibt", wie man dann so sagt. Ein Buch, das überdauert. In den Kanon wandert und in Bücherschränke, wo es dann neben anderen Büchern steht, die man haben sollte, wenn man Bücher hat. So wie "Die Vermessung der Welt", jener historische Roman über Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, der Daniel Kehlmann vor elf Jahren berühmt gemacht hat. Ein Klassiker. Und die Welt der Kunst wird halt in Klassikern vermessen.

"Mir wird immer klarer", hat Joachim Kaiser, selbst ein Klassiker der Kritik von Musik und Literatur, vor Jahren in seine Memoiren geschrieben, "dass mein Leben in einem beinah gespenstischen Maße aus dem Zusammentreffen mit großen Kunstwerken besteht." Kaiser meinte damit, sinngemäß: Dieses eine Klavierkonzert von Mozart. Diese andere Sinfonie von Beethoven. Sieben Schubert-Lieder. Und drei Romane von Thomas Mann, nein: eher vier. Fünf.

Und Joachim Kaiser hat natürlich recht: Mit ein paar dieser Werke (oder am besten allen davon) sollte man in seinem Leben unbedingt einmal heftig zusammengetroffen sein. Aber es müssen ja nicht immer große Zusammentreffen sein. Es reicht vielleicht auch, gestreift zu werden von etwas Kleinerem. Die Vorstellung, dass man sein Leben nur mit großen Kunstwerken verbringt, ist angsteinflößend: wie eine Abiturprüfung, die nicht enden will. Und vielleicht ist diese Vorstellung auch unrealistisch.

Denn es spricht viel dafür, dass unsere kulturelle Bildung stärker geprägt wird von den vielen, viel kleineren Kunstwerken, mit denen man im Laufe des Lebens so zusammentrifft. Von Kunstwerken, die einen nur streifen und vielleicht auch nicht viel mehr wollen als das. Vom zweiten Teil einer Blockbuster-Serie, von einem Buch, das jemand in der Ferienwohnung stehen gelassen hat und das man dann auch liest, weil es halt da ist. Von Liedern, die man drei Wochen lang hintereinander immer wieder hört und dann mit jedem Tag etwas weniger, bis man sie vergessen hat - und dann holen sie einen Jahre später wieder ein und stellen gemeinsam mit anderen einen Zusammenhang her.

Aufs ganze Leben gerechnet, ist das doch eigentlich unsere Lesepraxis, Kinopraxis, Musikpraxis: Wir kehren zu den großen Werken immer wieder zurück, ja, oder nehmen uns das jedenfalls vor. Aber dazwischen sind die vielen, vielen kleinen Werke.

Und dieses lange Dazwischen ist ja eigentlich unser Leben. Bahnfahrtlektüren, Ferienbücher, Sommerhits.

Daniel Kehlmanns kleine Horrorgeschichte ist äußerst konzentriert geschrieben und effektiv inszeniert, filmisch im Grunde. Der Horror schlägt in kürzer und kürzer werdenden Abständen zu. Nur fünf Figuren tauchen auf, zwei weitere melden sich telefonisch, per Anruf oder SMS. Das Genre, in dem sich Kehlmann bewegt, zitiert das Buch ähnlich ökonomisch, das Setting erinnert schnell an Stephen Kings "Shining": ein schreibender Vater, Mutter und Kind allein in den Bergen, der Winter kommt - und dann wendet sich der Ort, an dem sie wohnen, gegen seine drei Gäste.

"Shining" ist ein Klassiker der Horrorliteratur - aber zuallererst der Roman einer scheiternden Ehe. Und ähnlich ist es auch bei Kehlmann: Die Mutter flieht vor dem Vater und aus ihrer kriselnden Liebe, bevor der Vater mit der Tochter aus dem Haus vor dem Haus fliehen kann.

"Du hättest gehen sollen": sechs Tage Anfang Dezember, vielleicht auch sieben. Der Vater weiß irgendwann nicht mehr, ob es schon nach Mitternacht ist. Die Geister sind ihm sowieso längst schon tagsüber erschienen. "Vorhin war ein Mann im Zimmer", notiert der Vater irgendwann, er führt eine Art Tagebuch über die erschreckenden Dinge, die ihm geschehen: Irgendwann tut er das auch, um für die Nachwelt Zeugnis abzulegen von dem Horror, der ihm widerfährt. Was wiederum über Stephen King hinweg weiter und tiefer hinein in die älteren Traditionen der Schauerliteratur führt. Wo jemand in alten Papieren eine Geschichte seltsamster Ereignisse findet und sie uns Heutigen, die wir an so etwas nicht mehr glauben, nacherzählt.

Daniel Kehlmann, geboren 1975, ist in den vergangenen Jahren auch zu einem Repräsentanten seines eigenen Berufs geworden. Das gehört bei einem Erfolg, wie es die "Vermessung der Welt" war und ist, wohl auch irgendwann unweigerlich dazu: eine Poetik-Professur, ein Band mit essayistischen Texten über Kunst und Literatur, ein heiß erwarteter neuer "großer" Roman, Verfilmungen des einen Klassikers und eines früheren Romans, öffentliche Auftritte.

All das tritt jetzt aber kurz hinter der Geschichte zurück, die Kehlmann hier erzählt. Man bewundert, wie sehr er seine Fertigkeiten im Griff hat, wie leicht es ihm fällt, erzählend zu manipulieren - man bewundert aber auch, wie Kehlmann sich hier über die Ansprüche und Erwartungen seines Publikums hinwegzusetzen versucht, und sicher auch über die Erwartungen an sich selbst - um eine kleine Geschichte zu schreiben.

Mehr nicht. Eine kleine Geschichte. Eine Geschichte zum Lesen - was, wenn man es so hinschreibt, nicht nur total banal klingt, sondern auch total beknackt: Wozu sollten Bücher denn sonst da sein, wenn nicht zum Lesen? Aber Bücher großer Autoren transportieren oft genug auch eine Vorstellung von sich selbst über den Platz in der Welt, den sie für sich beanspruchen. "Du hättest gehen sollen" ist frei von solcher Prätention.

Es ist ein Buch für einen späten Abend und eine unruhige Nacht. Ein Buch, das einen daran erinnert, endlich mal den Band viktorianischer Schauergeschichten zu lesen, der seit Ewigkeiten im Schrank herumsteht, neben all den anderen Büchern, die alles, was sie kurz herausragen ließ, mit der Zeit wieder verloren haben, aber trotzdem eine Erfahrung verdichteten, eine Leidenschaft verstärkten, eine Sehnsucht kitzelten: nach diesem Zustand, nach diesem Rausch, nach ein wenig Weltteilhabe - und dann weiter, das nächste Buch, noch mal dieser Input, noch mal, noch mal.

In Kehlmanns neuer Erzählung spielt ein Geodreieck eine entscheidende Rolle: Der Vater zeichnet rechte Winkel damit, aber sie stimmen nicht, wie oft er auch misst: Der rechte Winkel ergibt neunzig Grad, aber die Winkel, aus denen er sich zusammensetzt, ergeben nur vierzig und zweiundvierzig. An was messen wir, was unser Bild von der Welt prägt? Was sind unsere Maßstäbe?

Als der Literaturkritiker Denis Scheck kürzlich von Christian Krachts neuem Roman "Die Toten" behauptete, der bedeute für die Literatur das, was der Tonfilm für den Film bedeutet habe, ist er ausgelacht worden dafür. Wer weiß, vielleicht stimmt's ja sogar, eines Tages? Aus diesem glutamatisierten Geschmacksurteil spricht jedenfalls erst mal vor allem das Bedürfnis, der eigenen Begeisterung Ewigkeitswert zu verleihen: Ich kann das doch nicht einfach nur gelesen haben, das wäre zu wenig.

Aber das meiste liest man eben doch einfach nur. Oder hört es nebenbei, schaut es einmal, zweimal an, das lagert sich trotzdem ab. Und schärft das Bewusstsein - und die Urteilskraft - auf Dauer vermutlich intensiver als es eine ständige Konfrontation mit den "Fahrraddieben", "Rot und Schwarz" und der "Waldstein-Sonate" könnte. Mal abgesehen davon, dass so was ja kaum auszuhalten wäre, immer nur Kunst am Limit, olympisch, überragend: Man muss sich zwingend auch mal unterfordern, um die Perspektive zu behalten. Man kann Meisterwerke nicht immer nur an anderen Meisterwerken messen, dann verliert man jeden Maßstab. Den menschlichen vor allem.

Es wird sicher keinem Schriftsteller gefallen zu hören, ein richtig gutes Buch geschrieben zu haben, das man trotzdem bald wieder vergisst. Aber es erinnert daran, dass man ohne solche Bücher nicht auskommt.

TOBIAS RÜTHER.

Daniel Kehlmanns Erzählung "Du hättest gehen sollen" ist bei Rowohlt erschienen (96 Seiten, 15 Euro). Den Umschlag gestaltete Thomas Demand.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rainer Moritz legt Daniel Kehlmanns Schauerroman schnell wieder beiseite. In "Du hättest gehen sollen" erzählt ein Drehbuchautor von seiner Schreibblockade und dem Urlaub, zu dem er mit Frau und quengelnder Tochter in die Berge aufbricht. Das Ferienhaus stellt sich bald als recht unheimlich heraus, und Moritz entgehen die Anspielungen an Stephen Kings "Shining" nicht. Schade nur, meint Moritz, dass Kehlmann "wenig Geschick zeigt, ein unheimliches Szenario aufzubauen". Stets behaupte er nur die Angst und den Schrecken seiner Figuren oder greife auf die Motive aus dem Standardsatz zurück, moniert Moritz, der das weder fantastisch noch unheilvoll findet.

© Perlentaucher Medien GmbH
Daniel Kehlmann macht, dass unser eigener Kopf zum Spukhaus wird - und dreht die Schauerliteratur eine ganze Umdrehung weiter. Martin Ebel Die Welt