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Lion Feuchtwangers Leben ist ein einzigartiges Spiegelbild der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Als Erfolgsautor aus der Heimat vertrieben, war er einer von wenigen auch im Exil bedeutenden und anerkannten Schriftstellern. Gesellschaftlich verkehrte er mit Künstlern und Politikern und frönte im Privaten der Abenteuer- und Lebenslust. Seine Tagebücher der Jahre 1906 bis 1940 wurden Anfang der 1990er-Jahre in der Wohnung seiner Sekretärin entdeckt. Erst jetzt sind sie vollständig erschlossen und bieten faszinierende Einblicke in das Leben einer beeindruckenden Persönlichkeit und eines Schriftstellers von Weltrang.…mehr

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Produktbeschreibung
Lion Feuchtwangers Leben ist ein einzigartiges Spiegelbild der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Als Erfolgsautor aus der Heimat vertrieben, war er einer von wenigen auch im Exil bedeutenden und anerkannten Schriftstellern. Gesellschaftlich verkehrte er mit Künstlern und Politikern und frönte im Privaten der Abenteuer- und Lebenslust. Seine Tagebücher der Jahre 1906 bis 1940 wurden Anfang der 1990er-Jahre in der Wohnung seiner Sekretärin entdeckt. Erst jetzt sind sie vollständig erschlossen und bieten faszinierende Einblicke in das Leben einer beeindruckenden Persönlichkeit und eines Schriftstellers von Weltrang.

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Autorenporträt
Lion Feuchtwanger, geboren 1884, war Romancier und Weltbürger. Seine Romane erreichten Millionenauflagen und sind in über 20 Sprachen erschienen. Sein Lebensweg führte ihn von München und Berlin über ausgedehnte Reisen bis nach Afrika, im Exil vom französischen Sanary-sur-Mer ins kalifornische Pacific Palisades. Er starb 1958 in Los Angeles.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.11.2018

Die Obsessionen liefen parallel
Wenn die Ehefrau „strindbergelt“: Lion Feuchtwangers erst jetzt veröffentlichte Tagebücher
In diesem Buch gibt es auffällig viele Auslassungszeichen. Der Grund dafür wird in einer Notiz der Herausgeber genannt, die das Zeug hat, in die Geschichte der Editionsphilologie als besonders feinziselierte Fußnote einzugehen. Sie sei deshalb zitiert: „In Bezug auf LFs intime Kontakte blieb die erste Erwähnung einer neuen Beziehung grundsätzlich erhalten, im Weiteren aber nur dann, wenn ihr eine übergeordnete Aussage zukommt und sie keine bloß gewohnheitsmäßige Notierung darstellt. Als Beispiel: Von rund 750 erwähnten ‚gevögelt‘ finden rund 100 Aufnahme, von rund 650 ‚gehurt‘ 40.“
Das Buch hat im vorliegenden Zustand immer noch 639 Seiten, und man fragt sich, was die Kriterien für eine „übergeordnete Aussage“ sind. Als „gewohnheitsmäßige Notierung“ kommen auch etliche der abgedruckten in Betracht. Bei alldem ist nicht zu vergessen: Lion Feuchtwanger, der von 1884 bis 1958 lebte, war der erfolgreichste deutschsprachige Autor seiner Zeit. Thomas Mann schaute immer wieder neidisch auf dessen Auflagenhöhen. Das Besondere war, dass sich Feuchtwangers Erfolg erst auf dem Umweg über die USA in Deutschland einstellte. Er war eben enorm „readable“, das hatte im angloamerikanischen Raum schon immer höchste Priorität.
Feuchtwangers Tagebuch beginnt 1906, als der gebürtige Münchner ein Auswärtssemester in Berlin absolvierte, und es hat wenig mit dem zu tun, was man sich gemeinhin unter dieser Art von Schreiben vorstellt. Es sind kaufmännisch anmutende Einträge, oft nur in Stichworten, ohne längere Ausführungen oder der Entwicklung eines Gedankens. Es wird kurz festgehalten, wen Feuchtwanger am jeweiligen Tag getroffen hat und wo er war, dazwischen notiert er auch mal Bücher, die er gerade liest, oder nennt kommentarlos eigene Projekte. Seine spezifische Sexualstatistik fügt sich nahtlos ein und beansprucht den meisten Platz.
Die Kladden mit seinen Tagesnotizen wurden eher zufällig erst im Jahr 1991 gefunden, bei der Wohungsauflösung seiner letzten Sekretärin. Der Verfasser verwandte die kaum entzifferbare Gabelsberger Kurzschrift, was auf höchste Geheimhaltungsstufe schließen lässt. Längst nicht alle Tagebücher sind erhalten, es gibt jahrelange Lücken. Die letzten Eintragungen stammen aus dem Jahr 1940, vor der Deportation in ein südfranzösisches Lager. Für die Zeit der Emigration in den USA liegt der Verdacht nahe, dass die betreffenden Hefte von seiner letzten Sekretärin, die ebenfalls eine Geliebte war, vernichtet wurden. Man bekommt keine Vorstellung von Feuchtwangers literarischen Fähigkeiten, und verblüffenderweise erhält seine Person kaum differenzierte Züge. Nur indirekt entsteht eine Art Soziogramm der Schwabinger Bohème vor und nach 1914 und der Revolutionszeit in München 1918/19. Auch das Milieu eines assimilierten, deutsch-jüdischen Großbürgersohns wird allenfalls in Umrissen erkennbar. Auffällig ist, dass Freuds Analyse des Triebverzichts und der Sublimation auf Feuchtwanger nicht im geringsten zuzutreffen scheint. Er verkehrte zwar oft mit Prostituierten, aber daneben auch mit unterschiedlichsten weiblichen Personen aus dem Künstermilieu. Seine ausschweifenden sexuellen Aktivitäten und die manische literarische Produktion schienen sich gegenseitig zu befeuern, die Obsessionen liefen parallel. Die Angst vor dem leeren weißen Blatt hat es für Feuchtwanger offenkundig in keinem einzigen Moment gegeben, er schrieb völlig hemmungslos, mit einer gewaltigen Produktivität: anfangs für Zeitungen, vor allem Theaterkritiken, danach in Rekordzeiten dicke Romane.
Der zeitgeschichtliche Hintergrund ist zwar präsent, aber dass sich Feuchtwanger beispielsweise im Sommer 1918 mit Tripper angesteckt hatte, beschäftigte ihn weit mehr als das Ende des Ersten Weltkriegs. Am 7. November heißt es dann: „Die Revolution bricht los. Sie etwas besichtigt.“ Auch jetzt interessiert sich der Autor viel mehr für die Verhältnisse im Theater und wie er sich hier am besten positionieren könnte. Er gelangt in diesen Jahren schnell zu einem beträchtlichen Einfluss. Am 2. April 1919 findet sich der Eintrag: „Ein junger Mensch bringt ein ausgezeichnetes Stück. Bert Brecht.“ Und zwei Tage später: „Ein anderes, noch besseres Stück von dem jungen Menschen gelesen: ‚Baal‘.“
Die „Torggelstube“ wird als häufiger Treffpunkt genannt, und wie beiläufig hat Anfang der 30er-Jahre in Berlin der „Literat Benjamin“ einen Auftritt als Statist. Viel erfährt man über die literarische Szene nicht, obwohl einige interessante Namen fallen. Umso spannender ist das, was über Intimität und Alltag aufscheint. Feuchtwanger heiratete standesgemäß, und wie seine Ehefrau Marta mit den Neigungen ihres Mannes umging, ist eines der großen Geheimnisse dieses Tagebuches. Ein Eintrag wie derjenige vom 17. Dezember 1918 lässt viele Interpretationen zu: „Marta hält mir vor, ich hätte doch auch Vorteile von der Ehe, da sie Geld mit in die Ehe gebracht habe. Die Kresse da. Mit ihr sehr gehurt. Sie ist sehr reizend. (Marta hat übrigens alles sehr hübsch vorbereitet.)“
Diese Mischung aus dem überkommenen Rollenbild einer verständnisvollen Ehefrau und einem Leben der Bohème ist charakteristisch. Dass Marta sich auch schadlos gehalten hat, lässt sich ahnen: im Winter hält sie sich regelmäßig wochenlang allein zu „Skiferien“ in Österreich auf. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sie gelegentlich „strindbergelt“, wie der Ehemann recht süffisant für sich formuliert. In den ersten sechs Jahren der Emigration in Frankreich gibt es kaum Veränderungen. Da zeigen sich bei allen bürgerlichen Gesellschaftsriten viele Züge eines ausschweifenden Kommunelebens. Für Kultursoziologen gibt dieses fragmentarische Tagebuch Lion Feuchtwangers einiges her. Und besonders die Leerstellen haben es in sich.
HELMUT BÖTTIGER
Lion Feuchtwanger: Ein möglichst intensives Leben. Die Tagebücher. Hg. Von N. Holdack, M. Schuetze-Coburn und M. Ullmann. Aufbau Verlag, Berlin 2018. 639 Seiten, 26 Euro.
Dass die Jahre in den
USA fehlen, könnte
an der Sekretärin liegen,
die gleichzeitig
eine Geliebte war
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2019

Wenn es strindbergelt, droht Beziehungsdrama
Wie ein pointilistisches Gemälde: Lion Feuchtwangers Tagebücher erscheinen erstmals als Leseausgabe

Die "Frankfurter Zeitung" war lange seine größte Hoffnung. Seinen Aufsatz über Shylock, Shakespeares Judenfigur, auf den deutschen Bühnen nahm sie nicht nur zügig an und druckte ihn bereits nach gut vier Wochen; sie wies zwei Tage später sogar noch einmal "sehr anerkennend" und ausdrücklich auf diese "ausgezeichnete" Studie hin: "sehr zufriedenstellend", wie der Münchner Autor, fünfundzwanzigjährig und voll heißer Ambition, sich einen Platz im literarischen Establishment zu schaffen, festhält. Weniger zufrieden ist er mit der Honorierung seiner Arbeit durch die Zeitung: "Höchste Geldnot!", liest man einige Zeit später. "Das Honorar von der F.Z., das ich schrecklich nötig brauche, kommt nicht." Zu dieser Notlage trägt allerdings der Umstand bei, dass der aufstrebende Jungautor trotz bester Vorsätze, wie ebenfalls im Tagebuch notiert ("festen Entschluss, keine Karte mehr zu berühren"), seiner Spielsucht nicht entkommt. Dagegen kommen Zahlungen selbst der renommiertesten Zeitung nicht an.

So sind die frühen Jahre seiner regen Auftrags- und Gelegenheitsschriftstellerei - neben Theaterstücken, die mit einigem Erfolg gespielt werden, entstehen viele Feuilletons und Rezensionen - lang und entbehrungsreich, nicht zuletzt weil er die Einkünfte oft schnell wieder verspielt. Auch die Romanfassung "Jud Süß", zu der er sein Bühnenskript erweitert hat, bringt zunächst keine Besserung, da in den frühen zwanziger Jahren kein Verlag ein derart heißes Thema bringen will. Als der Roman 1925 doch erscheint, braucht es erst die internationale Anerkennung durch die englische Ausgabe, um ihn endlich auch in Deutschland durchzusetzen. Fast über Nacht wird Lion Feuchtwanger (1884 bis 1958) zu einem der erfolgreichsten, produktivsten und meistgelesenen deutschen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Zwanzig Jahre nach dem Warten auf das Zeitungshonorar kann er daher notieren: "Ich genieße viel Respekt."

Fünfzehn Romane, mehr als ein Dutzend Schauspiele, dazu viele Erzählungen und Reportagen sowie unzählige Rezensionen, Kritiken und Berichte hat er in rastloser Schreibarbeit verfasst und sich damit - neben Millionen Lesern in rund zwanzig Sprachen - Respekt und Freundschaft so unterschiedlicher Kollegen wie Bertolt Brecht und Thomas Mann, mit denen er zeitweise das Exil in Südfrankreich sowie Kalifornien teilte, verschafft. Nun muss der Kanon seiner Werke um ein weiteres ergänzt werden, das nie zur Veröffentlichung bestimmt war und sechzig Jahre nach Feuchtwangers Tod jetzt erstmals in einer bestens präsentierten Leseausgabe vorliegt: die Tagebücher, in denen er fast täglich Begegnungen und Vorkommnisse festhielt.

Anfang der neunziger Jahre waren sie ein Zufalls- und ein Sensationsfund: die schlichten schwarzen Hefte, eng beschrieben, die sich im Nachlass von Feuchtwangers letzter Sekretärin fanden. Auf öffentliche Nachfrage hatte der Autor 1931 ausdrücklich bestritten, dass er Tagebuch führe, und sich mit einigem Spott über die Akte von Selbststilisierung und Wunschprojektion ausgelassen, zu denen dieses Genre üblicherweise verführe. Seine eigene Praxis darin hielt er denn auch strikt geheim: Er verwendete Kurzschrift, und er verbarg die erhaltenen Hefte mutmaßlich bei der Sekretärin, um in der McCarthy-Ära als staatenloser linker Sympathisant, der sich sein Zuhause in Pacific Palisades geschaffen hatte, nichts Kompromittierendes zu bieten. Was also bieten sie uns, wenn wir sie jetzt Jahrzehnte später lesen?

Erstaunlich viel und Faszinierendes, gerade weil sie fast durchweg in äußerst dürren Worten daherkommen: "Bei herrlichem Wetter nach Cannes gefahren. Marta sehr nett. Eva an der Bahn. Erst beiderseitig ein bißchen Befangenheit. Dann spazierengegangen. Besonders nett zu Abend gegessen. Furchtbar gevögelt. Großartig." So lautet der Eintrag vom 25. April 1937. Knochentrocken und lakonisch hält er noch die größten Erschütterungen, die man vielleicht erahnen mag, ganz unbeeindruckt fest, als habe Feuchtwanger seine eigentlich barocke Wortgewalt, von der seine Erzählwerke so reichlich zeugen, für Wichtigeres aufgehoben. In den Tagebüchern findet sich dagegen, wie Klaus Modick im Vorwort schreibt, "nicht das leiseste Zwinkern in Richtung Nachwelt". So lesen wir wie über des Autors Schulter, was er sich allein mitzuteilen hat.

Dazu verwendet er zum Teil ganz eigenes Vokabular: das Verb "strindbergeln" beispielsweise, das sich regelmäßig in Verbindung mit seiner Ehefrau findet: "Marta strindbergelt leicht", heißt es da, oder "strindbergelt furchtbar" oder auch "kleine Strindbergiade beiderseits". Tatsächlich nehmen die Beziehungsdramen - neben seiner Frau war Feuchtwanger jahrzehntelang mit mindestens zwei Geliebten und zahllosen wechselnden Gelegenheitsdamen verbunden - bemerkenswert großen Raum ein und drängen das politische Geschehen in den Hintergrund. Erst zwei Monate vor dem Cannes-Ausflug war er in Moskau, wo auch Stalin ihn empfangen hat. Hitler steht auf dem Zenit seiner Macht, die Welt vor dem Krieg. Der Exilant jedoch notiert, mit wem er essen und ins Bett geht. Noch die größten Lebensumwälzungen werden derart knapp protokolliert, dass es uns den Atem nimmt: "Eine neue Schreibmaschine gekauft. Neues Leben" steht am 24. März 1933, dem Beginn seines Exils. Feuchtwanger war von der Amerika-Reise vorsorglich nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt. Sechs Wochen später wurden dort seine Bücher verbrannt.

Selbstreflexionen oder Schilderungen finden sich nur ganz vereinzelt. Den größten Raum in den hier nachlesbaren Einträgen (erhalten sind die Aufzeichnungen 1906 bis 1921 und 1931 bis 1940, von deren Umfang rund die Hälfte präsentiert wird) nehmen persönliche Begegnungen ein, private ebenso wie literarische, sexuelle ebenso wie professionelle. So gut wie alle davon bleiben knapp und pointiert ("der widerliche Arnold Zweig", "Ein junger Mensch bringt ein ausgezeichnetes Stück. Bert Brecht", "zu einer Hure. Billig und ganz nett", "mit einem Kölner Kaufmann zusammen, einem fixen, gutmütigen Kerl, Antisemit") und lassen sich oft nur durch Hilfestellung der Herausgeber (allein ihr Personenverzeichnis erstreckt sich über 75 Seiten) überhaupt erschließen.

Wie ein pointilistisches Gemälde aber setzen diese vielen kleinen Punkte sich zu einem großen Panorama von wahrhaft weltgeschichtlichem Ausmaß zusammen. Wo immer man beginnt, man liest sich fest und liest am liebsten sogleich weiter in den Feuchtwanger-Romanen, die man viel zu lange nicht gelesen hat.

TOBIAS DÖRING.

Lion Feuchtwanger: "Ein möglichst intensives Leben". Die Tagebücher.

Herausgegeben von Nele Holdack, Marje Schuetze-Coburn und Michaela Ullmann unter Mitarbeit von Anne Hartmann und Klaus-Peter Möller. Vorwort von Klaus Modick. Aufbau Verlag, Berlin 2018. 639 S., geb., 26,- [Euro].

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»Mein Ziel also sehe ich darin, ein möglichst intensives Leben zu führen... Der negative Pol dieser Intensität ist der Tod, der positive die Liebe.« Lion Feuchtwanger