Was man braucht, kann man nicht lieben
Der seit 1961 in Deutschland lebende iranische Psychotherapeut, Physiker und Mystiker Mohsen Charifi lässt in seiner Parabel die Verliebtheit in Form eines jungen Mädchens und die Liebe in Form eines alten Mannes aufeinandertreffen. Im Verlauf des Tages, den
sie miteinander verbringen, stellt das junge Mädchen dem alten Mann, der die Verliebtheit aus…mehrWas man braucht, kann man nicht lieben
Der seit 1961 in Deutschland lebende iranische Psychotherapeut, Physiker und Mystiker Mohsen Charifi lässt in seiner Parabel die Verliebtheit in Form eines jungen Mädchens und die Liebe in Form eines alten Mannes aufeinandertreffen. Im Verlauf des Tages, den sie miteinander verbringen, stellt das junge Mädchen dem alten Mann, der die Verliebtheit aus seiner Jugendzeit gut kennt, viele Fragen. Geduldig, gewissenhaft und weise beantwortet der alte Mann ihr diese Fragen, sodass am Ende alle Ängste, Sorgen und Zweifel beseitigt sind und die Verliebtheit bereit ist zur Liebe.
Hier spricht ohne Frage ein großer Poet, der die Wirklichkeit hinter den Erscheinungen so klar durchdrungen hat, dass die Wahrheit durch die klare, einfache, direkte dialogische Sprache in den Schoß des Lesers fällt. Ein Beispiel gefällig? Auf die Frage der Verliebtheit, was am Küssen ein Schmerzmittel sein soll, was süchtig macht, antwortet die Liebe: „Hinter jedem Kuss, der nicht nur ein Kind der Leidenschaft und Freude ist, verbirgt sich ein Stückchen Hoffung und Sehnsucht. Hoffnung, dass der andere mir das gibt, war nur ich selbst mir geben kann…Solche Küsse befreien dich kurzfristig wie ein Schmerzmittel von deiner Sehnsucht, geliebt zu werden. Doch wie jedes Schmerzmittel befreien dich diese Küsse nicht von der Ursache des Schmerzes.“
Im Zentrum dieser berührenden Parabel steht der Beweis des Satzes: „Was man braucht, kann man nicht lieben.“ Der im Vordergrund stehende Dialog enthält so viele schöne, starke allegorische und symbolhafte Bilder, dass die Fantasie des Lesers angeregt wird und er bereitwillig der Verwandlung von Verliebtheit in Liebe folgen kann. Aus der Perspektive der unglücklichen, ungeduldigen und mit einem Rucksack voller Erinnerungen, Sehnsüchten, Enttäuschungen, Hoffnungen und Ängsten beladenen Verliebtheit macht sich der Leser auf eine Reise zu sich selbst und begegnet dort „versteinerten Erinnerungen“ und „Minutenwahrheiten“, dem schlechten und dem guten Brauchen sowie den zwei Irrtümern der Liebe.
Schließlich dringen wir zusammen mit der Verliebtheit zu den ewigen Fragen der Menschheit vor: „Was ist die Quelle allen Missbrauchens und Leidens?“, „Was ist Glück?“, „Wie verwandeln wir die Ängste in Unbeschwertheit und Leichtigkeit?“ Und schließlich wird auch die letzte Frage noch befriedigend beantwortet: „Warum wurden die Menschen aus dem Paradies vertrieben?“ Die Antworten möchte ich nicht verraten, doch kann man sich manches schwierige Philosophiebuch ersparen, wenn man dieses kleine, feine Buch voller poetischer Perlen, Quintessenzen und Weisheiten liest. Eine Antwort möchte ich zum Schluss aber dennoch verraten. Auf die Frage von Verliebtheit „Wo ist unser Anfang und unser Ende?“ antwortet die Liebe: “Dich gibt es, seit es Menschen gibt. Mich aber gibt es seit Beginn der Zeit. Dich wird es auch so lange geben, wie es Menschen geben wird. Mich wird es immer geben, solange es die Zeit geben wird.“