Ein neues spannendes Mäuse-Hör-Abenteuer mit Bastian Pastewka Schon seit Wochen wartet die kleine Maus sehnsüchtig auf das große Käsefest. Doch anscheinend hat sie die Taschenuhr und den Kalender nicht ganz richtig gelesen und kommt einen Tag zu spät. Dafür muss sie sich dann noch den hämischen Kommentar einer sehr rundlichen, käsefutternden Maus gefallen lassen: »Na, dann dreh doch einfach die Zeit zurück!« Leichter gesagt als getan für eine kleine Maus – aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg ... Bastian Pastewka schlüpft in dieser spannenden Inszenierung des Hessischen Rundfunks wieder in alle Rollen und nimmt kleine und große Entdecker mit auf eine Reise durch die Zeit. Produktion: Hessischer Rundfunk 2020 Inszenierte Lesung mit Musik mit Bastian Pastewka 0h 55min
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2020Alles relativ
Eine Maus reist durch Zeit und Raum,
vom Käsefest zu Einstein
Illustration aus Torben Kuhlmann: Einstein
VON FRITZ GÖTTLER
Die Morgensonne ist ganz ungerührt, wie immer geht sie auch an diesem Morgen auf und taucht die Wohnung in ein warmes Gelb. Experiment gescheitert, muss die Maus in Torben Kuhlmanns neuem Buch – er hat in früheren Büchern bereits erfolgreich den Atlantikflieger Lindbergh, den Mondfahrer Armstrong und den Erfinder Edison in Mauskontexte gestellt – sich eingestehen. Alle Uhren in ihrer Reichweite hatte sie zurückgestellt, Wecker und Armbanduhren und Uhren mit digitalem Ziffernblatt, aber: „Egal wie viele Uhren ich hier zurückdrehe, die Zeit läuft trotzdem immer weiter.“ Auch der allerletzte, der größte Versuch bringt nichts – wenn sie eine Schraube in die Zahnräder der Turmuhr quetscht. Die Uhr bleibt stehen, die Leute schauen verdutzt, aber die Zeit geht nicht zurück.
Die Maus hat verschlafen, das ist ihr Problem, einen ganzen Tag, deshalb war sie zu spät zum großen Käsefest am 14. Juli in Bern gekommen – Chäsfescht wird diese Veranstaltung in der Schweiz genannt. In der Markthalle hingen noch die Schweizer Flaggen und standen leere Kartons herum, aber der Käse war weg. Wie also holt man die verlorene Zeit zurück?
Da Torben Kuhlmanns Mäuse sehr pragmatisch und cool sind, heißt die Lösung, um doch noch an den Käse zu gelangen: Zeitreise. Und Bern ist genau die richtige Stadt, um eine Zeitmaschine zu konstruieren – immerhin hatte Albert Einstein hier einige Jahre im Patentamt gearbeitet und dabei die ersten Entwürfe seiner berühmten Relativitätstheorie aufgezeichnet. Der Genius Loci inspiriert auch die Maus, in der Dachkammer des Patentamts, wo es viele Ordner gibt, alte Telefone und Computergehäuse. „Zeit ist relativ“, der Satz taucht, während die Maus nach dem Studium von Einsteins Buch an ihrer Zeitmaschine bastelt, immer wieder auf, gleichsam aus dem Nirgendwo, und am Ende dieses Zeitreisewirbels kann man nicht eindeutig sagen, wer ihn niedergeschrieben hat, Einstein oder die Maus. Alles relativ.
Torben Kuhlmanns Bilder sind fantastisch, sie reproduzieren Details mit fast fotografischem Effekt. Die feinste Maserung in den Holzstiegen, jeder Blumenkasten an den Häusern von Bern, und jede der Formeln auf den grünen Tafeln möchte man unbedingt prüfen auf ihre Schlüssigkeit. Alle Figuren haben, ob Mäuse oder Menschen, ihren sanften Charme, und die Uhrwerke und Mechaniken ihre eigentümliche Grazie. Und – das ist wirklich ein Relativitätseffekt – auch Einstein war mal jung, nicht nur der graue Wuschelkopf, den man von der berühmten Fotografie kennt.
Torben Kuhlmann: Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit. NordSüd Verlag, Zürich 2020. 128 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eine Maus reist durch Zeit und Raum,
vom Käsefest zu Einstein
Illustration aus Torben Kuhlmann: Einstein
VON FRITZ GÖTTLER
Die Morgensonne ist ganz ungerührt, wie immer geht sie auch an diesem Morgen auf und taucht die Wohnung in ein warmes Gelb. Experiment gescheitert, muss die Maus in Torben Kuhlmanns neuem Buch – er hat in früheren Büchern bereits erfolgreich den Atlantikflieger Lindbergh, den Mondfahrer Armstrong und den Erfinder Edison in Mauskontexte gestellt – sich eingestehen. Alle Uhren in ihrer Reichweite hatte sie zurückgestellt, Wecker und Armbanduhren und Uhren mit digitalem Ziffernblatt, aber: „Egal wie viele Uhren ich hier zurückdrehe, die Zeit läuft trotzdem immer weiter.“ Auch der allerletzte, der größte Versuch bringt nichts – wenn sie eine Schraube in die Zahnräder der Turmuhr quetscht. Die Uhr bleibt stehen, die Leute schauen verdutzt, aber die Zeit geht nicht zurück.
Die Maus hat verschlafen, das ist ihr Problem, einen ganzen Tag, deshalb war sie zu spät zum großen Käsefest am 14. Juli in Bern gekommen – Chäsfescht wird diese Veranstaltung in der Schweiz genannt. In der Markthalle hingen noch die Schweizer Flaggen und standen leere Kartons herum, aber der Käse war weg. Wie also holt man die verlorene Zeit zurück?
Da Torben Kuhlmanns Mäuse sehr pragmatisch und cool sind, heißt die Lösung, um doch noch an den Käse zu gelangen: Zeitreise. Und Bern ist genau die richtige Stadt, um eine Zeitmaschine zu konstruieren – immerhin hatte Albert Einstein hier einige Jahre im Patentamt gearbeitet und dabei die ersten Entwürfe seiner berühmten Relativitätstheorie aufgezeichnet. Der Genius Loci inspiriert auch die Maus, in der Dachkammer des Patentamts, wo es viele Ordner gibt, alte Telefone und Computergehäuse. „Zeit ist relativ“, der Satz taucht, während die Maus nach dem Studium von Einsteins Buch an ihrer Zeitmaschine bastelt, immer wieder auf, gleichsam aus dem Nirgendwo, und am Ende dieses Zeitreisewirbels kann man nicht eindeutig sagen, wer ihn niedergeschrieben hat, Einstein oder die Maus. Alles relativ.
Torben Kuhlmanns Bilder sind fantastisch, sie reproduzieren Details mit fast fotografischem Effekt. Die feinste Maserung in den Holzstiegen, jeder Blumenkasten an den Häusern von Bern, und jede der Formeln auf den grünen Tafeln möchte man unbedingt prüfen auf ihre Schlüssigkeit. Alle Figuren haben, ob Mäuse oder Menschen, ihren sanften Charme, und die Uhrwerke und Mechaniken ihre eigentümliche Grazie. Und – das ist wirklich ein Relativitätseffekt – auch Einstein war mal jung, nicht nur der graue Wuschelkopf, den man von der berühmten Fotografie kennt.
Torben Kuhlmann: Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit. NordSüd Verlag, Zürich 2020. 128 Seiten, 22 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Andreas Platthaus verzeiht Torben Kuhlmann die "Bildungsbeflissenheit". Wenn sie so unterhaltsam und mäuseniedlich daherkommt wie hier, wenn der Autor, wie schon in seinen anderen Büchern, eine Gestalt der Geschichte sein Mäuseerlebnis haben lässt, das Setting, hier die Stadt Bern, wo Einstein im Patentamt arbeitet, so akribisch genau zeichnet, dass der Leser neben der Mäusegeschichte auch einen veritablen Stadtführer bekommt. Kuhlmanns Strategie geht auf, meint Platthaus. Und man darf gespannt sein und sich freuen, wer nach Einstein wohl der nächste ist, den der Autor auf die Maus kommen lässt. Vielleicht ist es ja auch mal eine Frau, hofft Platthaus.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2021Das tierische Bilderbuchbildungsprogramm
Torben Kuhlmann setzt auf die Erfolgsgeschichte seiner schlauen Mäuse noch eins drauf: In "Einstein" inspiriert ein nagender Zeitreisender den berühmten Physiker.
Torben Kuhlmann hat ein Mäusenest gefunden. Das ist schlecht, möchte man annehmen, nur im Falle Kuhlmanns war es ein Glücksumstand, eröffnete sich damit doch für den 1982 geborenen Illustrator ein ganz eigenes Feld auf dem Bilderbuchmarkt. Seit er vor sieben Jahren mit "Lindbergh" sein erstes Buch mit einem Mäuseprotagonisten publizierte, das danach in Dutzende andere Sprachen übersetzt wurde, hat sich sein Stil wie bei keinem anderen deutschen Illustrator aus jüngerer Zeit zum internationalen Markenzeichen entwickelt - auch für Derivate wie Kalender oder Coverillustrationen. Man wird bis Janosch zurückgehen müssen, um etwas Vergleichbares zu finden.
Was macht Kuhlmanns Stil aus? Nostalgie und Niedlichkeit. Letztere resultiert aus Kuhlmanns Darstellung seiner Hauptfiguren als rundliche knopfäugige Nagetierchen. Vor knapp einem Jahrhundert hatte Walt Disney noch ernsthafte Zweifel, ob ein als Schädling angesehenes Lebewesen als Sympathieträger taugen werde, und entschied sich dann doch für Mickymaus, weil alle üblichen Kuscheltiere wie Hunde, Katzen, Kaninchen schon auf der Leinwand vertreten waren. Disneys Mut zur Provokation machte sich bezahlt, und noch heute profitieren zahllose Trickfilm- und Comiczeichner von der Menschwerdung seiner Maus, die dem Kindchenschema aufs schönste entsprach. Und selbstverständlich auch Bilderbuchzeichner wie Kuhlmann.
Für "Lindbergh" nahm er also dieses besteingeführte Modell der Anthropomorphisierung auf und setzte eine namenlose Maus in Text und vor allem Bild, deren Neugier und Wagemut der Menschheitsgeschichte einen entscheidenden Impuls gibt: Sie ermöglicht erst den berühmten Flug von Charles Lindbergh. Damit war auch die Handlungszeit der Erzählung bestimmt: die zwanziger Jahre, eine dankbare Epoche für jeden Illustrator, weil sie nahe genug an der Gegenwart liegt, um die damalige Welt vertraut wirken zu lassen, zugleich aber mit nur wenigen Details den Abstand zu verdeutlichen gestattet. Kuhlmann pflegt seine Zeichnungen in warmer Sepia-Tönung geradezu zu baden, und da er fasziniert von technischen Zeichnungen ist, ergab sich bei "Lindbergh" eine Kombination, die sich auf erfreuliche Weise als anschlussfähig erwies: an die in den letzten Jahren in Büchern und Filmen in Mode gekommene Stilrichtung namens Steampunk. Dabei trifft altertümlich aufwendige Mechanik (steam als Synonym für Dampfkraft) auf eine rauhe alternative Wirklichkeit (punk). Das Ergebnis sind meist nostalgisch aussehende Dystopien.
Nicht so bei Kuhlmann! In seinem "Lindbergh" blieben die Zwanziger golden, und die Abenteuer seiner Fliegermaus boten eine einzige Erfolgsgeschichte im Kampf gegen Wind, Wellen, Wirtschaft und Katzen. Diesem Rezept ist er mit Ausnahme eines kurzen Abstechers in eine ähnlich inszenierte, aber rein allegorisch erzählte andere animalische Parallelwelt ("Maulwurfstadt", 2015) fortan treu geblieben: mit den Mäuse-Bilderbüchern "Armstrong", das uns vom wahren ersten Lebewesen auf dem Mond erzählte, "Edison", in dem eine ganz andere Ursprungsgeschichte der Glühbirne enthüllt wurde, als wir sie kennen, und nun "Einstein", bei dem man einmal mehr das Staunen darüber lernen kann, was wir Menschen den Mäusen doch so alles verdanken.
Jedes der Bücher beeindruckt vor allem mit den opulenten ganz- und doppelseitigen Illustrationen Kuhlmanns, die bisweilen über ganze Seitenfolgen hinweg kein einziges Wort brauchen, um die jeweilige Geschichte voranzubringen. Dennoch sind sie durchaus auch textlastig, denn Kuhlmann hat den Ehrgeiz, sein junges Publikum (und wohl auch ältere Vorleser) genau das erleben zu lassen, was auch den prominenten Titelhelden widerfährt: Erkenntnisgewinn durch Kontakt mit Mäusen. Wobei die prominenten Herren (auf die erste Frau im Werk von Kuhlmann warten wir noch) gar nicht so recht wissen, wie ihnen geschieht. Im jüngsten Buch wird Albert Einstein, den ein Mäusebesuch aus der Zukunft just in jenem Moment erreicht, als er über seiner speziellen Relativitätstheorie brütet, bis zum Schluss keine Ahnung haben, wem er da die entscheidende Anregung und damit auch seinen künftigen Ruf als berühmtester Physiker aller Zeiten zu verdanken hat.
Zum Handlungszeitpunkt von Kuhlmanns Geschichte verdingt sich Einstein noch im Patentamt von Bern. Das ist gut für ihn (monotone Verwaltungstätigkeit verschafft Freiraum zum Denken) und auch für Kuhlmann, denn die Schweizer Hauptstadt ist ein ikonischer Ort. Wie schon in den Vorgängerbänden mit Hamburg oder New York zieht Kuhlmann auch nun wieder alle Register bei der optischen Heraufbeschwörung seines Schauplatzes. Man kann sich mit seinen Büchern in der Hand durch die betreffenden Städte führen lassen, weil sie diesbezüglich akribische Reverenzen an die Wirklichkeit bieten, während die in jedem Band reichlich vertretenen Entwurfszeichnungen aus den Pfoten der nagetierischen Akteure fürs phantastische Element der Erzählungen sorgen. Die dadurch erst so richtig kindgerecht werden.
Man kann es also eine Masche nennen, was Kuhlmann da mit seinen Mäusen veranstaltet. Protagonisten, Dramaturgie, Gestaltung - alles wiederholt sich. Und auch der Anhang mit den populärwissenschaftlichen Erläuterungen zur Bedeutung des (menschlichen) Titelhelden ist fester Teil dieses Bilderbuchbildungsprogramms. Ja, selbst die erzählerischen Pointen gleichen sich. Dass man auch "Einstein" dennoch gerne liest oder vorliest, verdankt sich der Selbstverständlichkeit, mit der da ein immer noch junger Autor auf Bildungsbeflissenheit setzt, ohne Zugeständnisse ans Spannungsbedürfnis zu machen. Und wir reden von einem immerhin 124 Seiten umfassenden Buch, bei dem man keine missen möchte.
ANDREAS PLATTHAUS
Torben Kuhlmann: "Einstein". Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit.
NordSüd Verlag,
Zürich 2020. 124 S., Abb., geb., 22,- [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Torben Kuhlmann setzt auf die Erfolgsgeschichte seiner schlauen Mäuse noch eins drauf: In "Einstein" inspiriert ein nagender Zeitreisender den berühmten Physiker.
Torben Kuhlmann hat ein Mäusenest gefunden. Das ist schlecht, möchte man annehmen, nur im Falle Kuhlmanns war es ein Glücksumstand, eröffnete sich damit doch für den 1982 geborenen Illustrator ein ganz eigenes Feld auf dem Bilderbuchmarkt. Seit er vor sieben Jahren mit "Lindbergh" sein erstes Buch mit einem Mäuseprotagonisten publizierte, das danach in Dutzende andere Sprachen übersetzt wurde, hat sich sein Stil wie bei keinem anderen deutschen Illustrator aus jüngerer Zeit zum internationalen Markenzeichen entwickelt - auch für Derivate wie Kalender oder Coverillustrationen. Man wird bis Janosch zurückgehen müssen, um etwas Vergleichbares zu finden.
Was macht Kuhlmanns Stil aus? Nostalgie und Niedlichkeit. Letztere resultiert aus Kuhlmanns Darstellung seiner Hauptfiguren als rundliche knopfäugige Nagetierchen. Vor knapp einem Jahrhundert hatte Walt Disney noch ernsthafte Zweifel, ob ein als Schädling angesehenes Lebewesen als Sympathieträger taugen werde, und entschied sich dann doch für Mickymaus, weil alle üblichen Kuscheltiere wie Hunde, Katzen, Kaninchen schon auf der Leinwand vertreten waren. Disneys Mut zur Provokation machte sich bezahlt, und noch heute profitieren zahllose Trickfilm- und Comiczeichner von der Menschwerdung seiner Maus, die dem Kindchenschema aufs schönste entsprach. Und selbstverständlich auch Bilderbuchzeichner wie Kuhlmann.
Für "Lindbergh" nahm er also dieses besteingeführte Modell der Anthropomorphisierung auf und setzte eine namenlose Maus in Text und vor allem Bild, deren Neugier und Wagemut der Menschheitsgeschichte einen entscheidenden Impuls gibt: Sie ermöglicht erst den berühmten Flug von Charles Lindbergh. Damit war auch die Handlungszeit der Erzählung bestimmt: die zwanziger Jahre, eine dankbare Epoche für jeden Illustrator, weil sie nahe genug an der Gegenwart liegt, um die damalige Welt vertraut wirken zu lassen, zugleich aber mit nur wenigen Details den Abstand zu verdeutlichen gestattet. Kuhlmann pflegt seine Zeichnungen in warmer Sepia-Tönung geradezu zu baden, und da er fasziniert von technischen Zeichnungen ist, ergab sich bei "Lindbergh" eine Kombination, die sich auf erfreuliche Weise als anschlussfähig erwies: an die in den letzten Jahren in Büchern und Filmen in Mode gekommene Stilrichtung namens Steampunk. Dabei trifft altertümlich aufwendige Mechanik (steam als Synonym für Dampfkraft) auf eine rauhe alternative Wirklichkeit (punk). Das Ergebnis sind meist nostalgisch aussehende Dystopien.
Nicht so bei Kuhlmann! In seinem "Lindbergh" blieben die Zwanziger golden, und die Abenteuer seiner Fliegermaus boten eine einzige Erfolgsgeschichte im Kampf gegen Wind, Wellen, Wirtschaft und Katzen. Diesem Rezept ist er mit Ausnahme eines kurzen Abstechers in eine ähnlich inszenierte, aber rein allegorisch erzählte andere animalische Parallelwelt ("Maulwurfstadt", 2015) fortan treu geblieben: mit den Mäuse-Bilderbüchern "Armstrong", das uns vom wahren ersten Lebewesen auf dem Mond erzählte, "Edison", in dem eine ganz andere Ursprungsgeschichte der Glühbirne enthüllt wurde, als wir sie kennen, und nun "Einstein", bei dem man einmal mehr das Staunen darüber lernen kann, was wir Menschen den Mäusen doch so alles verdanken.
Jedes der Bücher beeindruckt vor allem mit den opulenten ganz- und doppelseitigen Illustrationen Kuhlmanns, die bisweilen über ganze Seitenfolgen hinweg kein einziges Wort brauchen, um die jeweilige Geschichte voranzubringen. Dennoch sind sie durchaus auch textlastig, denn Kuhlmann hat den Ehrgeiz, sein junges Publikum (und wohl auch ältere Vorleser) genau das erleben zu lassen, was auch den prominenten Titelhelden widerfährt: Erkenntnisgewinn durch Kontakt mit Mäusen. Wobei die prominenten Herren (auf die erste Frau im Werk von Kuhlmann warten wir noch) gar nicht so recht wissen, wie ihnen geschieht. Im jüngsten Buch wird Albert Einstein, den ein Mäusebesuch aus der Zukunft just in jenem Moment erreicht, als er über seiner speziellen Relativitätstheorie brütet, bis zum Schluss keine Ahnung haben, wem er da die entscheidende Anregung und damit auch seinen künftigen Ruf als berühmtester Physiker aller Zeiten zu verdanken hat.
Zum Handlungszeitpunkt von Kuhlmanns Geschichte verdingt sich Einstein noch im Patentamt von Bern. Das ist gut für ihn (monotone Verwaltungstätigkeit verschafft Freiraum zum Denken) und auch für Kuhlmann, denn die Schweizer Hauptstadt ist ein ikonischer Ort. Wie schon in den Vorgängerbänden mit Hamburg oder New York zieht Kuhlmann auch nun wieder alle Register bei der optischen Heraufbeschwörung seines Schauplatzes. Man kann sich mit seinen Büchern in der Hand durch die betreffenden Städte führen lassen, weil sie diesbezüglich akribische Reverenzen an die Wirklichkeit bieten, während die in jedem Band reichlich vertretenen Entwurfszeichnungen aus den Pfoten der nagetierischen Akteure fürs phantastische Element der Erzählungen sorgen. Die dadurch erst so richtig kindgerecht werden.
Man kann es also eine Masche nennen, was Kuhlmann da mit seinen Mäusen veranstaltet. Protagonisten, Dramaturgie, Gestaltung - alles wiederholt sich. Und auch der Anhang mit den populärwissenschaftlichen Erläuterungen zur Bedeutung des (menschlichen) Titelhelden ist fester Teil dieses Bilderbuchbildungsprogramms. Ja, selbst die erzählerischen Pointen gleichen sich. Dass man auch "Einstein" dennoch gerne liest oder vorliest, verdankt sich der Selbstverständlichkeit, mit der da ein immer noch junger Autor auf Bildungsbeflissenheit setzt, ohne Zugeständnisse ans Spannungsbedürfnis zu machen. Und wir reden von einem immerhin 124 Seiten umfassenden Buch, bei dem man keine missen möchte.
ANDREAS PLATTHAUS
Torben Kuhlmann: "Einstein". Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit.
NordSüd Verlag,
Zürich 2020. 124 S., Abb., geb., 22,- [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main